Leserbrief: Post-Demokratie

Der Verfasser des Leitartikels der „Tageszeitung“ vom 13.09.2012 hat das gesagt, was ich schon seit langer Zeit befürchtet habe: dass wir uns in einer post-demokratischen Phase befinden. Ich erinnere mich noch sehr gut an die späten 1980-er Jahre, in denen die Vorbereitungen für den Europäischen Binnenmarkt getroffen wurden. Schon damals hätte ich gerne Widerstand gegen dieses Vorhaben gesehen, nicht etwa weil ich ein Gegner eines gemeinsamen Europas gewesen oder es heute wäre, sondern weil ich damals bereits eine Ahnung fühlte, die damalige Europäische Gemeinschaft würde sich zu einem Tummelplatz der expansionslüsternen Großkonzerne entwickeln, eine Kopie oder Nachahmung der Vereinigten Staaten, auf Kosten vor allem der arbeitenden Bevölkerung. Eine Bestätigung meiner Sicht sah ich damals in einem Kommentar des französichen „Figaro“, der nach einem Streik des Flugpersonals siegessicher verkündete, dass nach Inkrafttreten des Europäischen Binnenmarktes „die Arbeitnehmer nicht mehr so auftrumpfen“ könnten. Anstatt zu einem friedlichen, harmonischen, sozial ausgewogenen und gerechten Miteinander der verschiedensten Völker und Volksgruppen Europas – auch der zahlenmäßig kleinsten – hat sich die Europäische Union zu einer Wirtschafts- und Geldmacht entwickelt, in der die großen Bankinstitute – ungeachtet der Sorgen und Nöte der Menschen – den Ton angeben und wo, wie es aussieht, Geld die Welt regiert. Mit Fug und Recht könnte man heute von einer Post-Demokratie sprechen oder – wie ich hinzu fügen möchte – von einer Plutokratie

Georg Lezuo, Bozen
Neue Südtiroler Tageszeitung, 19.09.2012

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