Interview Florian Kronbichler, TZ, 080113

„Will kein netter Kerl sein“

Der Journalist Florian Kronbichler tritt als Spitzenkandidat der Grünen bei den Kammerwahlen an: Über seine Erfolgsaussichten, seine Ziele in Rom – und warum er auch den SVP-Kandidaten einen Wahlsieg gönnt.

Tageszeitung: Herr Kronbichler, Sie waren stets ein Verfechter der journalistischen Überparteilichkeit. Nun lassen Sie ihre Tätigkeit als Journalist ruhen, um sich in das Abenteuer Politik zu stürzen. Ein Abschied mit Wehmut?

Florian Kronbichler: Natürlich habe ich diese Entscheidung mit einem lachenden und einem weinenden Auge getroffen, bin dabei aber keinem meiner Prinzipien untreu geworden. Ich habe – auch als Journalist – nie einen Hehl aus meiner politischen Position gemacht und vor den Wahlen stets erklärt, wem ich meine Stimme gebe. Ich lege die Pflicht der Überparteilichkeit großzügig aus, empfinde es aber als Form der Ehrlichkeit, dem Leser zu sagen, wo man steht. Mein großes Vorbild ist der Schriftsteller Joseph Roth, ein Reporter der Zwischenkriegszeit, der den berühmten Satz geprägt hat: „Objektivität ist eine Schweinerei.“

Das heißt?

Ich misstraue den Leuten, die die Überparteilichkeit wie eine Monstranz vor sich hertragen. Es gibt Menschen, die keinen politischen Standpunkt haben, doch diese sind nicht die besten Journalisten. Ein Artikel, der nichts Gutes bewirkt, ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Ich habe aber einen Grundsatz: Wer beobachtet, darf nicht mitspielen. Deshalb lege ich für die Zeit des Wahlkampfes meine Rubrik in der TAGESZEITUNG nieder.

Womit Sie viele Leser enttäuschen…

Diese Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Ich liebe meine Rubrik, und es freut mich, wenn sie auch von den Lesern geliebt wird. Eine andere Frage ist, ob man mir nach meinem politischen Intermezzo noch so viel Glaubwürdigkeit und Distanz zutrauen wird.
Ist die Entscheidung, Sie aufzustellen, über Nacht gefallen?Ich kann mir gut vorstelle, dass ich nicht die erste Wahl war. Was ich aber sagen kann: Alle sind glücklich mit meiner Kandidatur. Die Grünen haben mich seit Jahren zu einer Kandidatur gedrängt, und dieses Mal bin ich meiner Schwäche erlegen.

Wie groß sind Ihre Wahlchancen?

Ich bin kein Wahlarithmetiker. Als Kandidat bin ich aber moralisch dazu verpflichtet zu glauben, dass ich Erfolg haben kann. Das ist auch nicht so ausgeschlossen, sagt man mir. Das Bündnis hat Chancen, in der Region einen Kammersitz zu erreichen.
Südtirols Grüne haben ein starkes Wählerpotential…Auch Nichi Vendola hat bei den Vorwahlen in Südtirol außergewöhnlich gut abgeschnitten – auch wenn ich nicht ihn, sondern Bersani gewählt habe. Wir sind nun in einem gemeinsamen Bündnis, und unsere Stimmen werden sehr nützlich sein. Bei den letzten Wahlen habe ich die Grünen harsch kritisiert, da sie das aussichtlose Abenteuer der Regenbogenliste eingegangen sind. Damals wusste man, dass wir nie die vier Prozent erreichen würden. Dieses Mal kann man sagen: Jede Stimme für mich nutzt unserem Bündnis. Auch die SVP hat keine gmahnte Wiesen, da sie die regionale 20-Prozenthürde erreichen muss. Ich habe vor den SVP-Kandidaten zwar großen Respekt, aber große Reißer, vor denen ich mich schämen oder verstecken müsste, sind sie nicht.

Ihre Stärken?

Die SVP-Kandidaten haben gewaltige Programme und sprechen wie echte Experten. Zeller etwa tut so, als wäre das Parlament ein Forschungsbüro, wo man mit weißen Kitteln herumläuft. Ich halte das für unerträglich. Aus meiner Sicht sind drei Eigenschaften für einen Parlamentarier ausreichend: Anstand, Hausverstand und Stehvermögen. Parlament kommt von parlare: Das Sprechen muss ich zwar noch üben, aber ich sehe mich durchaus in der Lage, das Expertisch dieser Leute in ein normales Deutsch zu übersetzen.

Und Teamfähigkeit?

Zusammenarbeit ist wichtig, doch häufig waren die Leute zu teamfähig. Ich möchte nicht zu einem Club gehören. Aus einer gewissen Einsamkeit heraus zu arbeiten, halte ich als Voraussetzung für eine saubere und bodenständige Politik. Ich habe keine Scheu, mir im Parlament Feinde zu machen. Ich möchte nicht ein netter Kerl sein, denn das ist nicht meine Aufgabe.

Die SVP hat einen Pakt mit dem PD geschlossen. Was ist Ihre Offerte an die Wählerschaft?

Dass wir auch im Bündnis mit Bersani sind. Es ist dringend notwendig, dass die SVP ein Gegengewicht bekommt. Ich wäre der erste Nicht-SVP-Mandatar in Rom. Ich wünsche meinen Mitbewerbern, dass sie die 20 Prozent erreichen, denn ich will Südtirol nicht alleine in Rom vertreten. Mein Ziel ist es, die bestehende Autonomie zu verteidigen. Durch das Gerede der SVP über die Vollautonomie wurde unsere Autonomie miesgemacht, die Leute hatten den Eindruck, dass das, was uns glücklich und reich gemacht hat, minderwertig sei. Die Grünen sind die einzige politische Kraft, die ohne Wenn und Aber zu der Autonomie steht, wie sie heute ist.

Sie wollen sie nicht weiter ausbauen?

Das sind alles Spielereien. Der Maximalismus der nimmersatten SVP hat in den letzten Jahren nur Schaden angerichtet. Die Italiener haben von der Politik der Volkspartei Eines verstanden: Die wollen alles, und wenn sie alles haben, haben sie immer noch nicht genug. Das schafft Misstrauen und Zwietracht. Und schlussendlich sind wir die Verlierer, denn ohne Partner ist die Autonomie nicht zu verteidigen.

Was hat Vendola, was Ingroia nicht hat?

Ich halte Vendola für unendlich berechenbarer und den Grünen näher. Er vereint die Tugenden Glück und Klugheit, unc seine pragmatische, undogmatische Art gefällt mir. Die wilden Kommunisten sind alle bei Ingroia. Vendola ist ein libertärer, aufgeklärter Mann, der sich den Problemen der Menschen annimmt.
Wie bestreitet der Politi-Neuling Kronbichler diesen Wahlkampf?

(lacht) Da werde ich noch böse Überraschungen erleben. Ich werde meine Gewohnheiten – mit Ausnahme des Schreibens – nicht aufgeben. Auch meine Morgenläufe, denn nur ein fitter ist ein guter Kandidat. Mein Wahlkampf wird bescheiden sein, die Kriegskassen der Grünen sind leer. Es soll ein bunter, fröhlicher Wahlkampf werden, Materialschlachten wird es keine geben. Ich werde im Falle einer Wahl einen politikfreien Sonntag einführen und nicht mit dem Flugzeug nach Rom fliegen.

Interview: Matthias Kofler

ZITAT
Ich habe vor den SVP-Kandidaten zwar großen Respekt, aber große Reißer, vor denen ich mich schämen oder verstecken müsste, sind sie nicht.
Das Sprechen muss ich zwar noch üben, aber ich sehe mich durchaus in der Lage, das Expertisch dieser Leute in ein normales Deutsch zu übersetzen.

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