Leitartikel von Arnold Tribus, TZ, 12./13. Jänner 2013: Pflege

Der Bericht der ,,Tageszeitung“ über die unfassbaren, katastrophalen, Zustände in zwei Pflegeheimen hat Aufsehen und Entsetzen hervorgerufen und vor allem entsetzt und sprachlos gemacht. Was man da sah, war schlicht grässlich, furchtbar, entsetzlich, grauenvoll, schauderhaft, beängstigend, haarsträubend, gruselig, düster, finster, zum Fürchten, ein Graus. Es gibt noch mehrere Adjektive um den Schrecken zu beschreiben, den wir nicht in seiner ganzen Brutalität dokumentieren konnten, mit Rücksicht auf minderjährige Leser, wie man so schön sagt, aber vor allem aus Respekt den hilflosen Opfern gegenüber, die so ein zweites Mal verhöhnt würden. Es ist diesen Menschen die Menschenwürde geraubt worden, und das in inem Land, das sich zu Recht brüstet, in der Pflege von Senioren hohe Standards anzubieten. Nun wäre es völlig absurd und ungerecht, den Pflegenotstand ausrufen zu wollen. 99 Prozent der Alten – und Seniorenheime des Landes werden anständig geführt, sind in Ordung, die Klienten oder Patienten werden mit viel Geduld und viel Liebe gepflegt und behandelt. Der Beruf eines Altenpflegers oder der Altenpflegerin ist ein harter Job.

Man muss eine ganz besondere Disposition dazu haben, eine Art Berufung verspüren, sich mit alten Menschen abzugeben, ihre Bedürfnisse zu verstehen, ihre Eigenheiten und Schrullen. Ein ganz ein anderes Kapitel ist der Umgang mit der immer größer werdenden Gruppe der Demenzkranken, die in den Altenheimen leben. Wer mit Pflegern spricht, hört oft Klagen, dass es nirgends reicht, dass überall gespaart wird, dass es zu wenig ausgebildetes Personal gibt, und dass man deshalb auf ungelernte Hilfsarbeiter zurückgreift, aus dem Osten vornehmlich, die auch die Sprache der Patienten nicht mächtig sind. Die Versorgung unserer alten Menschen ist ein großes gesellschaftliches Problem, das wissen wir, und jede Gesellschaft hat damit zu kämpfen. Die Leute werden immer älter, die Heimplätze reichen nicht für alle, dazu kommt eine allgemeine Verrohrung und Respektlosigkeit.

Wer die Bilder dieser privaten Struktur gesehen hat wird sich fragen, wie so was bei uns passieren konnte. Passt einfach nicht zu uns, passt nicht zu Südtirol, so was geschieht nur im tiefen Süden Italiens, wo die europäischen Standards noch nicht angekommen sind, denkt man sich, aber nicht bei uns, wir sind doch immer die Schönsten und die Besten. Und die Bilder passen schon gar nicht zu privaten Strukturen, von denen man sich ja erwartet, dass sie besser ist als die öffentliche, vornehmer, effizienter, eleganter. Von wegen.
Da werden wieder einmal jene Lügen gestraft, die glauben, dass das Heil in der Privatisierung liege. In unserem Falle sind die privaten Häuser Beweis von Menscheverachtung und Respektlosigkeit. Wollen wir die Theorie der ,,schwarzen Schafe“ zu Hilfe nehmen, um den Fall zu klären, die gibt es bekanntlich überall. Aber: Wie konnte es geschehen, dass ein Haus ungestraft gegen alle hygienischen Vorgaben offen sein kann, dass alte, wehrlose Menschen so brutal und lieblos behandelt werden? Irgendwer hat den Strukturen ja die Lizenz erteilt, als Altenwohnheime zu funktionieren. Hat die Person alle Voraussetzungen erfüllt? Das Land muss doch als Aufsichtsbehörde regelmäßig nach dem Rechten sehen, muss Inspektionen durchführen, Strafen verhängen, wenn die Bestimmungen nicht eingehalten werden und im Extremfall das Haus schließen. Geschehen ist aber nichts und nun waschen sich alle ihre Hände in Unschuld. Eine Schweinerei. Jetzt kommen die Wahrheiten ans Tageslicht.

Es melden sich nun Angehörige, ehemalige Pfleger, Leute, die wussten und sich immer schon gewundert haben, dass so was passieren konnte. Und nun erfahren wir, dass die Leute, die die tragbaren Zustände, den zuständigen Behörden gemeldet haben, abgewiesen wurden. Herr Landesrat Theiner, wussten Sie von den Zuständen? Herr Critelli, wussten Sie? Was haben Sie dagegen getan? Warum sind Sie nicht eingeschritten? Das fragen sich die entsetzten Südtiroler. Wer schweigt wird mitschuldig.

Ich für meinen Teil bin für die Euthanasie.

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