Leserbrief: Ausverkauf der Heimat und das „Venedig-Prinzip“

Der Ausverkauf der Heimat ist kein raumbegrenztes Phänomen. Auch in Venedig geht er vonstatten und wird eindrucksvoll-authentisch in Bilder gepackt und dieser Tage im Bozner Filmclub vorgeführt. Andreas Pichler, der Regisseur von „Das Venedig-Prinzip“ zeigt aufrüttelnd aber nicht anklagend, sachlich und nicht emotional anhand von erzählenden Protagonisten, wie die Lagunenstadt verschandelt und verhunzt wird. Fluchtartig verlassen die Venezianer ihre Bleibe, sie können die Wohnungspreise nicht mehr stemmen, sind es leid dem Verfall der urbanen Infrastruktur machtlos zuzusehen, finden keine Erwerbsmöglichkeiten mehr und werden vom Massentourismus um ihre letztverbleibende Lebensqualität gebracht. 58.000 stehen täglich 58:000 Besuchern gegenüber, die in die „fragile“, vom Hochwasser ständig bedrohte, vom Zahn der Zeit zernagte und von der Politik vergessene kunsthistorische Stadt wie die Hunnen einfallen und aus dem Sehnsuchtsort einen Albtraum machen. Was ist nur aus der „Perle“ mit seinen vielerlei Verknüpfungen zu Kunst, Musik (R. Wagner) und Literatur (Thomas Mann) geworden, fragt man sich unentwegt während der „laufende Untergang“ der Lagunenstadt im Film unsere Wahrnehmung speist? Von der sehenswerten Doku nahm ich folgendes mit nach Hause: Das „Venedig-Prinzip“ ist das des Profits, das vor nichts und niemandem selbst dann nicht halt macht, wenn der selbst geschaufelte Untergang greifbar wird.

Thomas Malfertheiner, Bozen
TZ, 26.01.13

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