Glosse Arnold Tribus: Quorum. 091110

TZ, 9. November 2010
Quorum
Über das Projekt Ried will ich gar nichts sagen, ich kann das Thema, mit Verlaub, gar nicht mehr hören, bei jeder Redaktionskonferenz hat meine Frau Hinterwaldner Niederstätter, die Pustertal Korrespondentin, was Neues zum Thema. (Um klar zu sein, ich wäre hingegangen und hätte Nein gestimmt, wie der Flor allen Menschen guten Willens befohlen oder nahe gelegt hat.) Ich hätte mich also gefreut, wenn das Thema mit dieser Volksabstimmung hätte abgehakt werden können, mit einem Sieg der Gegner oder aber mit einem Sieg der Befürworter, Referenden sind ja dazu da, dass zu einem bestimmten Sachverhalt eine von zwei Meinungen eine Mehrheit erkält. Aber nein, Sie werden noch lange von Projekt Ried hören, drohte mir gestern Frau Hinterwaldner, denn es wird weitergehen. Das Volk, das mythische, die aufgeklärten und mündigen Bürger sind den zahllosen Aufrufen nicht gefolgt, zur Abstimmung zu schreiten. Es half nichts, es gab ein Verwirrspiel, Vorwürfe an den Herrn Bürgermeister Tschurtschenthaler, er hintertreibe die Volksbetragung, lasse sich von der Machtlobby missbrauchen. Gerade deshalb waren sich die Gegner von Projekt Ried eigentlich sicher, dass sie das Quorum schaffen, weil sich das Volk das nicht bieten und auch nicht veräppeln lasse. Die Propaganda des Bürgermeister mit dem Gutachten eines Advokaten, das er hunderte Male vorlas, wurde allgemein als Wahlkampf für die Gegner interpretiert. Es kam anders, und das muss man zur Kenntnis nehmen. Die Grünen haben eine Anzeige angekündigt wegen Irreführung, sie haben wohl daran Freude gefunden, den grünen Sozialismus per Gerichtsurteil einführen zu wollen.
Anstatt sich die Frage zu stellen, warum das Volk sich nicht für die Referenden erwärmen lässt, wird nun dem System die Schuld gegeben. Die Volksabstimmung wurde nicht deshalb verloren, weil das Volk von den Aussagen des Brunecker Bürgermeisters verwirrt war, sondern weil es entweder für den Ausbau ist, aus welchen Gründen auch immer, oder weil er diese Entscheidungen den politisch Verantwortlichen überlassen will. Man kann doch nicht den BürgerInnen ihre Mündigkeit und Reife absprechen, nur weil sie sich nicht im Sinne der Referendumsbetreiber entscheiden. Die Bürger sind doch nicht blöd, sie wissen ganz genau was sie tun und es stimmt auch nicht, dass in einer Kleinstadt wie Bruneck die nötige Information nicht den Bürger erreicht. Dass die Ried-Lobby ihre Karten ausspielt, das ist normal, auch kein Wahlkampf ist ein Wahlkampf. Gerade bei Referenden hat sich auch auf gesamtstaatlicher Ebene gezeigt, dass die Regierenden dazu neigen, den Referenden keine Beachtung zu schenken. So wird seit Jahren kein Quorum erreicht. Dazu muss gesagt werden, dass Referenden meist von kleinen Oppositionsparteien einberufen werden, die parlamentarisch nicht durchkommen und so auf das Volk setzen. Die Radikalen von Marco Pannella waren da Meister. Wenn es um Themen ging, die dem Volk unter dem Nagel brannten, wie Scheidung, Abortus, Parteienfinanzierung etc. erreichte man das Quorum leicht, als es aber um Wahlgesetze ging und komplexere Sachverhalte, blieb das Volk zu Hause. Nun will man aber, das Problem damit lösen, indem man das Quorum von bisher 40 Prozent auf weniger reduziert. Persönlich bin ich absolut dagegen, weil die Demokratie ein Spiel von Mehrheiten und Minderheiten ist. Das staatliche Wahlgesetz „Porcellum“ ist deshalb eine Schweinerei, weil es der Partei mit der relativen Mehrheit mit dem Mehrheitsbonus 340 Sitze zuschreibt. Nun will man beim Referendum Ähnliches. Weil man das Quorum nicht erreicht, wird es einfach reduziert. Ist es demokratisch, wenn 20 oder weniger Prozent der Wähler über die restlichen 80 bestimmen? Ist es demokratisch, wenn ich die Wähler an die Urne zwinge wie in Russ- land? Gehört die Freiheit nicht zu wählen nicht auch zu den demokratischen Errungenschaften? Minderheitsentscheidungen werden so mit einem Trick Mehrheit.
HYPERLINK „mailto:arnold.tribus@tageszeitung.it“ arnold.tribus@tageszeitung.it

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Betreff: Tz, 101110 arnolds glossen Quorum, 091110

ich bitte jeden tag bzw. bei jedem gespräch die leute, doch zumindest – auch – die tageszeitung zu lesen, um halbwegs informiert zu sein.

diese harte überzeugungsarbeit wird einem nicht leichter gemacht, wenn man glossen, wie quorum/09.11.10 verdauen muss.

da wird, aus mir schleierhaften gründen, die ansonsten gute und wertvolle linie der tz schlagartig entwertet

das müsste nicht sein, bei allem respekt vor den gedanken anderer, die man in arnolds fall bzw. im glossen – normalfall ja gerne mitträgt!

mit freundlichen grüßen

walter harpf

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tz, 101110: Antwort Arnold Tribus

…. herr harpf, lasse mir von ihnen nicht vorschreiben, was ich zu denken habe. Nur sie haben immer recht!?……. Es lebe die einfalt!

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2 Antworten auf Glosse Arnold Tribus: Quorum. 091110

  1. forumonline sagt:

    dabei unterstelle ich noch nicht mal, dass diese Glosse mit den unsagbaren Äußerungen von Achammer, Pardeller usw. zu tun haben könnte!

    wh

  2. forumonline sagt:

    hallo arnold,

    das gestrige briefchen war zwar eher intern gemeint (siehe privates mail 2), habe aber auch nichts dagegen, diese diskussion – inklusive abschließender einfalts-lächerlichmachung meiner person und ähnlicher quergeister- in der tz zu beenden.

    ich hatte den eindruck, du hast das bedürfnis/den zwang verspürt, die flor- und silkebedingte ried- und umweltanliegenlastigkeit der tz zurechtrücken zu müssen.

    nur warum?

    hast du von den ried-informationspraktiken der großen zeitung, wo es plötzlich und sogar für leserbriefe nur mehr die möglichkeit bezahlter inserate gab…. und den himmelschreienden verhinderungsstrategien der brunecker baggerfraktion nichts mitgekriegt?

    muss da wircklich die um ein bisschen objektivität bemühte tz- linie lächerlich gemacht oder zumindest fast entschuldigt werden?
    ps: sah dich im geistigen auge bei einem der vielen wichtigen „societyevents“ mit dem landeshauptmann, oder war es der herr theiner?, die dich nach einem „guten glasl“ über diese lästigen bürgermitbestimmungsbestrebungen ins bild setzten, und daraus wurde dann dein „quorum“.

    wie gesagt, war nur ein –hoffentlich klagefestes – geistiges bild ohne anspruch auf wahrhaftigkeit.

    womit ich übrigens nicht sagen will, dass die anti-direkte-demokratie ausfälle des landeshauptmannes und der braven landesregierungsmitglieder sonst stichhaltiger wären!

    mit freundlichen grüßen

    walter harpf