Rückhaltebecken Winnebach:“Ein Ungeheuer entsteht“. Interview mit Ernst Watschinger

TZ, 15.05.2013 – von Silke Hinterwaldner

In Winnebach wird derzeit ein enormes Rückhaltebecken errichtet. Ernst Watschinger, ehemaliger Chef der Wilbachverbauung, ist schockiert. Warum dieses Bauwerk keinen Sinn macht. Und wie man Winnebach besser schützen könnte.

Tageszeitung: Herr Watschinger, was haben Sie an der neuen Rückhaltesperre in Winnebach auszusetzen?

Ernst Watschinger: Ich würde so etwas niemals machen! Diese Mammutbauten sind mir ein Dorn im Auge. Rein technisch kann man Folgendes sagen: Für eine Geschiebestausperre fehlt in diesem Bereich das geeignete Gelände. Insofern ist das, was man jetzt macht, Geldverschwendung. Und außerdem: Gegen ein 100-jähriges Hochwasser schützt dieses Bauwerk gar nicht.

Warum?

Die Wassermassen sind zu groß. Es gibt große  Wasserrückstaubecken wie im Ultental oder am Reschen. Aber dafür braucht es Millionen von Kubikmetern Fassungsvermögen. Das haben wir hier nicht.

Wie könnte man denn die Winnebacher in Ihren Augen besser vor der Gefahr aus dem Walder- und dem Kirchbergbach schützen?

In der Wildbachverbauung macht man Waldverbesserungen. In Sexten, in Gsies oder in Toblach am Silvesterbach haben wir Hochlagenaufforstungen gemacht. Denn: Der Wald ist der einzige biologische Wasserregulator. Das braucht freilich Zeit.

Warum baut man trotzdem dieses Rückhaltebecken in Winnebach?

Warum? Die ganze Wahrheit kann ich nicht sagen. Schließlich will ich niemanden beleidigen. Diejenigen, die das Geld geben, erstellen auch den Gefahrenzonenplan. Aber mit diesen Plänen ist man viel zu spät dran. Diese hätte man vor 20, 30 Jahren erstellen müssen, bevor die Schwemmkegel mit Häusern vollgestopft worden sind. Heute hat man kaum noch Möglichkeiten, etwas zu regeln. Wenn ein großes Unwetter kommt, ist man machtlos. Man kann nur noch versuchen, im Gebiet heilende und konsolidierende Maßnahmen zu ergreifen. So wie wir es 40 Jahre lang getan haben.

Wird das neue Bauwerk in Winnebach ein Schandfleck werden?

Heute will jeder Mammutbauten erstellen, niemand denkt an die zerstörte Landschaft. In Winnebach verbaut man gleich zwei Täler. Hier entsteht ein Ungeheuer. Ich glaube nicht, dass dieser Bau noch gestoppt wird. Die älteren Leute fühlen sich an die Bunker und an die Panzersperren in den 30er Jahren erinnert. Mit der Ausrede, dass man für Sicherheit sorgen will, machen sie hier, was sie wollen.

Ist dieses Rückhaltebecken sinnlos?

Größtenteils. Für jeden einzelnen Steuerzahler tut es mir leid, dass hier 1,6 Millionen Euro ausgegeben werden. Das sind über drei Milliarden Lire. Wissen Sie, was hier fehlt? In der Landesregierung gibt es Leute, die von Äpfeln und Erdäpfeln etwas verstehen, aber um ein derartiges Projekt in technischer Hinsicht zu bewerten, fehlt eine Anlaufstelle. Ich hätte vorgeschlagen, sich an die Universität oder an  die Eurac zu wenden. Hier aber sind Leute am Werk, die die ökologischen und landschaftlichen Probleme nicht berücksichtigen.

Als Sie noch Chef der Wildbachverbauung waren, galten Sie auch als Betonierer… Beton-Watschinger haben mich die Leute genannt.

Richtig: Beispiel Talferregulierung. Damals hat die Gemeinde Bozen umgerechnet 80.000 Euro ausgegeben und dafür eine erstklassige Arbeit bekommen. Wir haben die Schwellen betoniert, damit sich der Bach nicht weiter eintiefen kann. Und hinter der Sill entstand eine Betonsperre. Bei einem großen Unwetter kann nicht viel passieren.

Aber wenn sie jetzt die Arbeiten in Winnebach beobachten, halten Sie dies für übertrieben…

Wo gearbeitet wird, da fallen Späne. Aber wir haben Wunden zu heilen versucht und die Eingriffe minimal gehalten.

Beginn der Bauarbeiten in Winnebach: Ein zu großes Bauwerk?

Ernst Watschinger: „Wir sind machtlos“„Gefahrenzonenpläne hätte man vor 20, 30 Jahren erstellen müssen, bevor die Schwemmkegel mit Häusern vollgestopft worden sind.“

 

 

 

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Eine Antwort auf Rückhaltebecken Winnebach:“Ein Ungeheuer entsteht“. Interview mit Ernst Watschinger

  1. Christian sagt:

    Ich bin schockiert,

    Watschinger, Watschinger, Watschinger… der hier leicht reden hat weil er das nächste Hochwasser wahrscheinlich eh nicht mehr sehen wird!

    Hochwasser… hier gehts nicht um Hochwasser sondern um Muren… und diese kommen viel schneller und gefährden somit Menschenleben.
    wenn man sich ansieht wo heutzutage überall gebaut wird bzw. wo in den letzten Jahrzehnten bereits gebaut wurde, ist es nur eine Frage der Zeit bis hier irgendwo der Supergau eintritt.

    Deshalb… wie kann man denn nur so populistisch sein ( nur weil „meine“ Freude alle Grün ,somit sowieso gegen alles sind) und hier sogar gegen die längst fällige Verbauung gefährlicher Bäche propagieren???
    Vielmehr zeugen solche Ausagen eines ehemaligen Chefs der Wildbachverbauung davon, dass man bereits in der Vergangenheit viel zu wenig für den Schutz der Bevölkerung unternommen hat…
    es ist vielmehr glücklichen Umständen zu verdanken , dass ein „Wipptalunwetter“ uns nicht öfters heimgesucht hat.

    Über die Maßnahmen kann man Streiten, jedoch bitte nicht gleich wieder aufregen weil man jetzt endlich mal verbaut!