Hans Rieder: „Zu mächtige Verbände”

nstz online, erstellt: 10. August 2013, 04:08 In: NewsPolitik | Kommentare : 10

hans rieder landtagVor fünf Jahren lancierte Hans Rieder sein Bürgerlisten-Projekt – und ist damit baden gegangen. Jetzt analysiert der Ahrntaler diesen Wahlkampf und das System Südtirol.

Tageszeitung: Herr Rieder, wenn Sie jetzt beobachten, wie viel derzeit in alten und neuen Parteien diskutiert wird, fühlen Sie sich dann an die Situation von vor fünf Jahren erinnert?

Hans Rieder: Ja, die Erinnerungen sind noch da. Grundsätzlich respektiere ich all jene, die nicht nur kritisieren, sondern sich auch der Verantwortung stellen. Solange wir engagierte Menschen haben, die politisch etwas bewegen und zum Besseren verändern wollen, die auch die nötige Begeisterung mitbringen, sich auf das  Abenteuer Wahlen einzulassen, lebt die Demokratie.

Haben Sie persönlich diesmal wieder mit dem Gedanken gespielt, bei einer Bewegung oder Partei mitzumachen?

Ich habe mich derzeit politisch zurückgenommen und habe andere Dinge in meinem Leben in den Vordergrund gestellt. Es hat in den letzten Monaten lose Kontakte gegeben, aber ich habe schnell abgesagt, weil ich im Moment politisch nicht aktiv werden möchte.

Sind Sie nach der Erfahrung von vor fünf Jahren einfach stuff von der Politik?

Nein, „stuff“ ist der falsche Ausdruck. Nach einigen Jahren Abstand kann ich jetzt sagen, dass mir diese Erfahrung  von damals gut getan hat, auch wenn es damals für uns als Bürgerlisten-Bewegung nicht gereicht hat, in den Landtag zu kommen. Ich habe viele Menschen kennengelernt und auch akzeptieren müssen, dass man im Leben nicht immer gewinnen kann.

Was fällt Ihnen heute auf, wenn Sie die vielen alten und neuen Parteien im Wahlkampf beobachten?

Natürlich verfolge ich Politik generell sehr interessiert. Mir fällt positiv auf, dass sich einige Parteien und Gruppierungen zusammenschließen und damit breiter aufstellen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Parteien oft zu wenig kompromissfähig sind und sich auch in Details verrennen können.

Die Bürgerlisten haben sich damals im allerletzten Moment von den Grünen abgespaltet. War das ein Fehler?

Zunächst haben wir innerhalb der Bürgerlisten den gemeinsamen Nenner nicht ganz gefunden. Wir, die wir aus dem ländlichen Bereich kamen, hatten damals zu viele Vorbehalte, fühlten uns mit bestimmten Programmpunkten der Grünen nicht wohl. Aus heutiger Sicht kann ich nur betonen, dass man trotz unterschiedlicher Meinung in bestimmten Punkten mit einer Gruppierung zusammenarbeiten kann.

Es gibt nun ein Bündnis mit Andreas Pöder, es gibt die neue Partei SAP und es gibt die alteingesessenen Parteien. Wer hat die besten Erfolgsaussichten?

Wenn Sie mich nach einer Prognose fragen, dann kann das immer nur meine persönliche Einschätzung sein: Die Grünen sehe ich im Aufwind, und sie könnten ein Mandat zulegen. Für die Freiheitlichen wird es zur Herausforderung werden, die fünf Mandate zu halten. Pöder, Pizzinini und Egger traue ich durchaus zwei Mandate zu.

Und die neue SAP?

Dieses Projekt ist noch sehr jung und deshalb schwer einzuschätzen. Wenn es der SAP gelingt, namhafte und attraktive Kandidatinnen und Kandidaten zu gewinnen und die Arbeitnehmerpolitik überzeugend zu vermitteln, kann es durchaus für ein Mandat reichen.

Viele neue Parteien positionieren sich im sozialdemokratischen Lager. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Die Arbeitnehmer der großen Partei sind dann, wenn es ums Eingemachte geht, wenig sichtbar und stehen unter Fraktionszwang. Nehmen wir Richard Theiner als Beispiel: Er ist zwar auf dem Papier den SVP-Arbeitnehmern zugeordnet, aber nie habe ich das Gefühl gewonnen, dass er für die Arbeitnehmerschaft seine persönliche politische Karriere riskiert oder in die Waagschale wirft.

Was läuft falsch?

Im System Südtirol läuft einiges falsch. Das wird gerade jetzt in Krisenzeiten sichtbar. Die SVP hat aus Parteikalkül das Ständedenken in der Gesellschaft zu sehr forciert. Der politische Einfluss der Verbände wurde von der SVP aufgebaut und wirkt zuweilen schon beängstigend. Mit der Kategorisierung der Leute  in Arbeitnehmer, Wirtschaftstreibende, Bauern oder Handwerker, driften die Interessen und damit auch die Menschen auseinander. Primär geht es aber darum: Wo steuert die gesamte Gesellschaft hin? Und: Hat die arbeitende Bevölkerung in Südtirol jenen Stellenwert und das Auskommen, das sie braucht und das ihr in der Gesellschaft zusteht?

Interview: Silke Hinterwaldner

 

Der Hintergrund

Das Experiment ist gescheitert. Vor dem Landtagswahlen 2008 haben sich die Bürgerlisten des Landes formiert. Sie wollten gemeinsam ihre Politik aus den Dörfern auf eine höhere Ebene heben. Zu diesem Zweck haben sie sich mit den Grünen zusammengetan. Aber das Bündnis zerbrach noch bevor die Wahl geschlagen war. Schlussendlich bekamen die  Grünen zwei Mandate – und die Bürgerlisten gingen leer aus.

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Kommentare

Kommentare (10)

  • Teldra Bui

    Ach der liebe Rieder Hans – in der Ahrntaler Gemeindepolitik kläglich gescheitert – dann hat er es auf Landesebene versucht und auch dort gescheitert.

    Nun versucht er sich noch ein wenig als “E-Werk-Experte” – aber spätestens wenn alle im Tal den günstigen Strom haben wird auch dieses Projekt gescheitert sein.

    15 Jahre gemeinsam mit seinem Bruder an der Macht im Ahrntal gewesen – aber leider außer Polemiken und Streit nichts für das Tal erreicht!

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    • Paul

      Was erreicht der aktuelle Bürgermeister?
      Dass die Strommafia im Tal noch mehr Geld mit dem Allgemeingut Wasser verdient!
      Sein Vorgänger Hubert Rieder, ebenso sein Bruder, hatten und haben immer den Blickpunkt auf das Wohl der Gemeinschaft gerichtet.
      Im Gegensatz die aktuellen Verwalter, die sich winden und drehen, gerade wie es für die eigenen Vorteile wichtig erscheint!

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  • Puschtra Wind

    Bravo Hans,
    gute Analyse. Solche Politiker bräuchte unser Land.
    Sprichwort: Lebende Fische schwimmen auch gegen, tote nur mit dem Strom……..

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  • franz

    Gescheitert sind jene, welche hinter einem Pseudonym andere Menschen kritisieren, die etwas versuchen und bewegen wollen. Ob richtig oder weniger soll jeder für sich selbst entscheiden.

    Jeder der in Südtirol seinen Kopf und sein Gesicht aus Überzeugung für eine Sache hinhält, verdient meinen Respekt. Man hat nicht wenig zu verlieren.
    Wir haben zuviele Opportunisten, Trittbrettfahrer und Arschkriecher.

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  • Oraculus

    Die Volkspartei ist – wie Rieder richtig analysiert – zu einer Ständepartei starker Interessensverbände mutiert – und verdient daher nicht mehr den Namen Volkspartei.Was getraut sich dann aber die Mehrheit des Vokes zu wählen, wenn man von der Volkspartei den Namen Volk wegnimmt ?

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  • tiroler

    Es ist schade um die Ahrntaler, die vor vielen Jahren als selbständig denkende, kritische, freiheitsliebende und manchmal sture Einwohner unseres Landes bekannt waren.
    Doch heute gilt das Moto: mein Haus, mein Urlaub,mein Golf und nach mir die Sintflut. Schade.
    Schade, wie wenig Menschen sich wirklich für die Strompolitik und die krummen Machenschaften einiger Subjekte interessieren, den Mut haben aufzustehen und Stop zu sagen.

    Da hilft es auch nichts, eine eigene Hymne zu komponieren und alle paar Wochen die Fahnen zu hissen.

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  • Thomas Egger

    Kompliment, Herr Rieder, Ihre Analyse ist sachlich und treffend.
    Die SVP-Arbeitnehmer, in deren Reihen sich ohne Zweifel gar einige Idealisten befinden, dienen der “Sammelpartei” in Wahrheit leider allzu oft nur noch als Stimmenfänger. In den letzten Wochen vor einer Wahl werden sie besonders aktiv, dürfen sie einige “Wahlzuckerln” verteilen und “Erfolge” verkünden (dies nachdem vorher gleichlautende Vorschläge der Opposition jahrelang niedergestimmt wurden). Den Rest der Legislaturperiode werden von der Politik vorrangig die Interessen der Wirtschafts- und Bauernlobbys oder gar Einzelinteressen bedient. Die Spitze der SVP-Arbeitnehmer wird zudem mit Regierungsposten (von den derzeit drei AN-Vertretern im Landtag sitzen zwei in der Regierung) oder persönlichen, gut bezahlten Aufträgen trefflich bei der Stange gehalten. Das “System Südtirol” wie es leibt und lebt.

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  • Sondna

    Am Ende des Tages zählen die Ergebnisse. Und da kann der Rieder-Clan leider nichts vorweisen.

    Da ist mir unser Bgm. Innerbichler zehnmal lieber: Dorferneuerungspreis, Cascade, E-Werk, Radwege, Fernwärme usw.

    Der Rieder-Clan hat nicht mal einen Meter Radweg geschafft und das Hallenbad hat er zugesperrt!

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  • sepp

    bravo sondna vielleicht sperrn sie in bold amol ihn enko BM

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