Stein an Stein: Erster Schuldspruch steht

Dolomiten, 12.10.2013

LANDESGERICHT: Je ein Jahr und acht Monate für Klaus Stocker und Franz Pircher – Schadenersatz an SEL zu zahlen: Summe von einer halben Million Euro aufwärts

BOZEN (uli). Schuldig: Zu diesem Urteil ist Vorverhandlungsrichter Carlo Busato im Fall „Stein an Stein“ für Klaus Stocker und Franz Pircher gekommen. Angeklagt worden waren sie des Betrugs und des Amtsmissbrauchs. Der Staatsanwalt hatte Gefängnisstrafen von über zwei Jahren gefordert. Verurteilt wurden sie zu je einem Jahr und acht Monaten bedingter Haft. In diesem ersten Teil des „Stein an Stein“-Verfahrens waren Ex-SEL-Präsident Stocker und Ex-SEL-Aufsichtsratspräsident Pircher angeklagt, die Landesenergiegesellschaft zu ihrem persönlichen finanziellen Vorteil hinters Licht geführt zu haben. Mit angeklagt ist auch Ex-Direktor Maximilian Rainer, seine Position wird aber in einem getrennten Verfahren bewertet. Als die SEL es 2006 in Erwägung zog, das Kraftwerk Mittewald zu kaufen, sollen sie es laut Anklage unterbewertet haben, um die Anlage später über Strohmänner selbst zu erwerben. Vor Gericht anwesend waren gestern nur der Ankläger – der Leitende Staatsanwalt Guido Rispoli– und Pirchers Verteidiger Alessandro Melchionda. Richter Busato präzisierte bei der Verlesung des Urteils, dass es wegen schweren Betrugs ergangen sei,und diese Straftat den Amtsmissbrauch beinhalte. Für Rechtskenner ist es jedenfalls nachvollziehbar,weil das Strafgesetzbuch Amtsmissbrauch nur dann getrennt ahndet, wenn keine schwerere Straftat vorliegt; ansonsten kann dieses Vergehen sozusagen von der schwereren Straftat aufgesaugt werden (siehe Artikel unten links). In der Urteilsbegründung, welch ein 30 Tagen vorliegen wird, ist dann nachzulesen, wie Busato im Detail zu diesem Schluss kommt.Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig,die Verteidiger haben bereits Berufung angekündigt (siehe Artikel unten rechts). Für die beiden Angeklagten bedeutet das gestrige Urteil von weniger als zwei Jahren, dass sie keine Sozialarbeitleisten müssen; hätte Busato ihnen zwei Jahre und vier Monate aufgebrummt – wie es der Leitende Staatsanwalt und Ankläger Guido Rispoli gefordert hatte– wäre Sozialarbeit fällig gewesen. Zudem gibt es für diesen Fall Zusatzstrafen laut Strafgesetzbuch, beispielsweise das Verbot, für eine bestimmte Zeit öffentliche Ämter zu bekleiden. So wurden sie zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, zudem muss jeder der beiden eine Geldstrafe von 1000 Euro bezahlen. Gemeinsam müssen Pircher und Stocker den Nebenkläger –die SEL AG – entschädigen. Über die Höhe der Summe, so verfügte es Richter Busato in seinem Urteil,müsse im Zuge eines Zivilgerichtsverfahrens befunden werden. 500.000 Euro hatte SEL-Anwalt Giacomo Gualtieri bereits bei der letzten Verhandlung als Anzahlung gefordert, die Gesamtschadensforderung wird wohl angesichts des Wertes der Anlage gut drei mal so hoch ausfallen.  Ebenfalls gemeinsam müssen Stocker und Pircher laut Urteil für die Gerichtsspesen des Nebenklägers – 10.000 Euro plus Mehrwertsteuer – aufkommen. Anklage und Verteidigung wurden mit dem Urteil nicht ganz zufriedengestellt. Die Verteidigung hatte den Freispruch der Mandanten gefordert. Als „Kraftwerk mit lächerlicher Leistung“ hat Vincenzo Adamo, Stockers Anwalt, das Werk in Mittewald bezeichnet,die „Stein an Stein“ habe es im Moment der Entscheidung noch nicht gegeben. Wie hätte sie da bevorteilt werden können?, provozierte er. Melchionda hatte hingegen erklärt,sein Mandant (Pircher) habe mit der Sache nichts zu tun –er sei als Zeuge einvernommen worden und dann plötzlich Angeklagter gewesen. Busato glaubte den Anwälten offensichtlich nicht und befand beide Angeklagten für schuldig – gleichermaßen.

HINTERGRUND Gespenst Verjährung

BOZEN(uli).Über dem„Steinan Stein“-Verfahren schwebt das Gespenst „Verjährung“. Die Straftaten verjähren im Jahr2014 – aufgrund verschiedener Anträge auf Vertagung von Seiten der Verteidigung dürfte es etwa Ende des Jahres sein. Auch wenn es ein Berufungsverfahren gibt, ist dennoch ein Urteil vor der Verjährungsfrist möglich: Auch am Oberlandesgericht werden aufgrund der gewählten Verfahrensform keine Zeugen einvernommen. ©

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