Nordic Arena Toblach: Landtagsanfrage

An den Herrn Präsidenten des Südtiroler Landtags
Anfrage zur schriftlichen Beantwortung

Schwerer Konflikt im Toblacher Tourismus: Wann greift Landesregierung endlich ein?

Seit geraumer Zeit behängt ein Rechtsstreit zwischen dem Tourismusverein Toblach (TVT) und 17 vormaligen Mitgliedern, der inzwischen ein Ausmaß an Eskalation erreicht hat, wie man es in Südtirol bisher kaum je erlebt hat. Denn nach einem Anfang 2013 abgeschlossenen Schiedsgerichtsverfahren wurden jüngst, Anfang Februar 2014, gegen einige Mitglieder gerichtliche Vollstreckungen verhängt, die in dieser Härte ungewöhnlich und befremdend sind. Das gerichtliche Vorgehen des TVT hat zur Pfändung von Bankkonten einzelner Betroffener geführt und zieht gravierende Konsequenzen nach sich, denn :

  • Über die persönliche Härte und die finanzielle Dimension hinaus wird das einvernehmliche Vorgehen des Toblacher Tourismus schwer beeinträchtigt.
  • Mehr noch: Der anhaltende Rechtsstreit und die damit verbundenen Konflikte gefährden grundlegend und auf Dauer das gute Auskommen im Dorf. Die Eskalation eines Streits, die in Toblach seit Jahren statt findet, ist Gift für das Zusammenleben und gedeihliche Zusammenwirken in einer Dorfgemeinschaft.
  • Die Landesregierung und –verwaltung haben sich bisher einer wirkungsvollen Konflikteindämmung entzogen. Es ist nun trotz der fortgeschrittenen, beinahe aussichtslos erscheinenden Verhärtung allerhöchste Zeit, dass sie sich ihrer Verantwortung stellt und mit den ihr zu Gebote stehenden Möglichkeiten endlich eingreift.

Ausgangspunkt des Streits

Den Ausgang nahm der Streit in der Weigerung von 17 TVT-Mitgliedern, einen außerordentlichen Beitrag zum Bau der sog. „Nordic Arena“ in Toblach zu leisten. Dabei handelt es sich um ein Langlaufzentrum, das 2009 zum erheblichen Kostenpunkt von 4,5 Mio. in Neu-Toblach errichtet wurde, hauptsächlich auf Betreiben einiger bekannt dynamischer, auf das Zugpferd ‚Nordische Disziplinen’ setzender TVT-Mitglieder.

Die stattlichen Kosten wurden durch Beiträge des Landes (1,5 Mio. €), der Gemeinde (1,5 Mio. €) und des TVT aufgebracht. Der Verein beschloss in den Vollversammlungen am 29. November 2007, am 1. Juli und am 25. November 2008 den Bau und die Mitfinanzierung des Langlaufstadions in Höhe eines Sonderbeitrags von 1,5 Mio €., die nach einem Schlüssel unter die Mitglieder aufzuteilen waren. An der fraglichen Sitzung vom 1.7.2008 zur Erhebung des ao. Beitrags nahmen nur 80 von über 250 stimmberechtigten Mitgliedern teil, wobei 67 mit „Ja“ stimmten, 11 sich enthielten und 2 dagegen stimmten. Ein zwar eindeutiges Ergebnis, das aber in Abwesenheit von über 50% der Mitglieder zustande kam, sodass ein finanziell überaus folgenschwerer Beschluss nur von gut einem Viertel der TVT-Mitglieder herbeigeführt wurde.

Zudem beruht der Stadionbau auf einer merkwürdigen Rechtsgrundlage, die durch eine ungewöhnliche Ausdehnung des TVT-Statuts (in Unterstreichung) ermöglicht wurde. Denn dieses sieht als Vereinszweck in Art. 2, Abs.1, Buchstabe e) eigens vor:
„Anlagen und Dienste sowie Infrastrukturen jeglicher Art, die besonders für den Fremdenverkehr von Belang sind, auch in Zusammenarbeit mit Dritten zu errichten, zu fördern und zu betreiben…“ Diese Variante zeigt eine deutliche Abweichung vom Musterstatut des Landes (DLH vom 25. 11. 1992; Nr. 39, DFVO zum LG vom 18. 8. 1992, “Neuordnung der Tourismusorganisationen“), deren Art. 2, Abs. 1, Buchstabe e) vorsieht:
„Anlagen und Dienste, die besonders für den Fremdenverkehr von Belang sind, auch in Zusammenarbeit mit Dritten, zu fördern und zu betreiben“. Der spezielle Zuschnitt des Toblacher Statuts hat die Möglichkeit des Stadionsbetriebs explizit eröffnet, zwar mit Billigung des Landes, welches das Statut genehmigt hat, aber mit dem riskanten „Schlupfloch“ dieser Sonderklausel.

Die Vergabe und Durchführung des Projekts zum Bau der „Nordic Arena“ wurden nicht vom TVT selbst durchgeführt, sondern von einer eigens gegründeten „Tourismus Toblach GmbH“ (gegründet am 21. 1. 2009), die sich zur Gänze im Eigentum des TVT befindet und deren Verwaltungsrat aus Roland Sapelza, Präsident des TVT sowie den Hoteliers Herbert Santer und Hanspeter Fuchs besteht. Damit wurde der TVT zwar vom operativen Bauvorgang der „Nordic Arena“ und der unmittelbaren Verantwortung entlastet, ihm und seinen Mitgliedern aber auch die Einsicht in die Geschäftsgebarung stark erschwert.
Nach dem folgenschweren Beschluss zum Bau, der „Nordic Arena“ wollten sich 17 Mitglieder nicht auf den auf sie entfallenden Beitrag von insgesamt ca. 140.000 € einlassen, traten im August 2009 aus dem TVT aus und verweigerten die Zahlung, mit folgenden Gründen:

  • Verstoß gegen EU-Normen und das Legislativdekret Nr.163 von 2006 (Codice degli Appalti) sowie gegen das Landesgesetz Nr.6/1998;
  • Unangemessenheit der durch den TVT bestrittenen Kosten zum Bau der „Nordic Arena“;
  • Versäumte Zustimmung zum veränderten Ausführungsprojekt und Finanzierungsplan durch die Vollversammlung des TVT;
  • Verstoß gegen Art. 4 des Statuts des TVT sowie unterlassene, oberflächliche, unverständliche und fälschliche Berechnung des vom TVT zu leistenden ao. Beitrags;
  • Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung, den geforderten ao. Beitrag zu leisten.

Die Beiträge der „Verweigerer“ wurden mit Schreiben des RA des TVT am 26.2.2010 eingefordert, allerdings vorerst vergeblich. Nach rund dreijähriger Verhärtung der Fronten und anhaltender Konfliktverschärfung, die sich auch durch Vermittlungsversuche verantwortlicher Tourismustreibender nicht beilegen ließ, wurde zur Schlichtung des Streits im April 2012 gemäß Art. 17 des Statuts des TVT ein Schiedsgericht eingesetzt, bestehend aus den RA Dr. Michael Grüner, Dr. Arthur Frei (jeweils Bozen) und den von den Beklagten designierten RA Dr. Roberto Nania (Rom), nachdem bereits zuvor als Rechtsvertretung des TVT RA Dr. Caroline von Mersi (Sozietät Brandstätter) und RA Dr. Igor Janes aufgetreten waren.

Bereits am 15. Juni 2012 musste das Schiedsgericht feststellen, dass keine Voraussetzungen für eine Versöhnung vorlagen, sodass eine Beweisaufnahme und Zeugenanhörung am 20. 7. und 10. 9. 2012 sowie dann am 19.10. 2012 die Schlussverhandlung des Schiedsgerichts erfolgte, worauf bis zum 29.11. 2012 die Schlusserklärungen und Repliken abzugeben waren.

Die 17 Gegner des Projekts, die sich der Zahlung verweigerten, führten dafür gute Gründe an. Sie verwiesen auf

  • die Verpflichtung einer öffentlichen Körperschaft wie des TVT, bei Verwendung namhafter öffentlicher Beiträge die üblichen Prozeduren (Vergabe von Projekten, Bauleitung, Sicherheitskoordination) eines öffentlichen Vergabeverfahrens anzuwenden. Diese seien – so die Gegner – nicht angewandt worden, sodass alle Beschlüsse, Verträge, angenommenen Haushaltsrechnungen in dieser Materie nichtig seien.
  • Sie verwiesen eindringlich drauf, dass die im Projekt angeführten Ausgaben zum Bau der „Nordic Arena“ im Vergleich zum effektiv durchgeführten Bau weit überhöht seien. Eine deutliche Absenkung wäre möglich gewesen, falls. die Vergabe nach öffentlichen Kriterien erfolgt wäre. Auch habe die im Ausführungsprojekt vorgenommene Verkleinerung des ursprünglich vorgestellten Projekts um 2800 m 3 keine Kostensenkung nach sich gezogen.
  • Bei dem vom TVT beschlossenen Projekt habe es sich – so die Gegner – nur um ein Vorprojekt gehandelt, während das tatsächliche Ausführungsprojekt dem Beschluss der Vollversammlung nicht mehr entsprochen habe.

Das Schiedsgericht erklärte sich für unzuständig, über das Vorgehen der „Tourismus Toblach GmbH“ zu befinden, obwohl sich deren Anteile zur Gänze im Eigentum des TVT befinden und die dem Bau der „Nordic Arena“ zugeführten Beiträge zur Gänze über den TVT liefen. Auch erklärte das Schiedsgericht die Abwicklung für völlig konform mit dem Statut des Vereins, unter Verweis auf dessen Art. 2, Buchstabe e).

Demnach verurteilte das Schiedsgericht am 8. 1. 2013 die Anfang 2013 noch insgesamt 11 Verweigerer zur Zahlung der eingeforderten Extra-Beiträge samt gesetzlicher Zinsen ab 3. 3. 2010, zu 2/3 der Prozess- und Verteidigungsspesen (14.640 € + MWSt.), zur Zahlung der Schiedsgerichtskosten von 40.000 € und weiterer 2.449 € Spesen.

Nach weiterer Zahlungs-Verweigerung erfolgte Anfang Februar 2014 die Sperrung der Bankkonten von 9 vormaligen TVT-Mitgliedern mit allfälligem Zwangsabzug der geforderten Quoten. Ein derart brachiales Vorgehen gegen vormalige Mitglieder von Verein und Dorfgemeinschaft mag zwar rechtlich statthaft sein, es ist jedoch unmittelbar, erst recht langfristig kontraproduktiv und in hohem Maße schädlich, wenn nicht töricht. Denn es handelt sich bei den „Verweigerern“ nicht um notorische Querulanten und Bedenkenträger, sondern um Personen, die z.T. seit Generationen in Toblach leben und zur Dorfentwicklung einen wichtigen Beitrag geleistet haben.

  • Allein ihr Ausfall als TVT-Mitglieder, die seit vier Jahren keinen Beitrag mehr entrichten, wiegt finanziell ungleich schwerer als die nun mit rechtlichen Zwangsmitteln eingeforderten Quoten zum Bau der „Nordic Arena“. Hält man die TVT-Forderungen von ca. 140.000 € dem Ausfall von jährlich ca. 50.000 € Mitgliedsbeiträgen entgegen, so liegt das Schadensausmaß durch entgangene Mitgliedschaft seit vier Jahren auf der Hand.
  • Der behängende Rechtsstreit bürdet dem TVT und seinen Mitgliedern Verfahrens- und Rechtsanwaltskosten in großer Höhe auf, die sich unschwer auf weit über 50.000 € beziffern lassen.
  • Zudem haben die „Verweigerer“ in ihren Bedenken recht behalten: Die Auslastung der um teures, überwiegend öffentliches Geld errichteten „Nordic Arena“, für welche die Gemeinde auch keine Erschließungskosten einhob, ist bestenfalls als dürftig zu bezeichnen, Betrieb und Pachtverhältnisse verzeichnen sinkende Eingänge weit unterhalb der Führungskosten, die der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dem TVT seitens der „Tourismus Toblach GmbH.“ eine Rechnung präsentiert wird, die allen Beteiligten definitiv die Augen öffnet.

Daher richten wir folgende Fragen an die Südtiroler Landesregierung:

  1. Gedenkt die Landesregierung im Fall des Tourismusvereins Toblach versus frühere Mitglieder einzuschreiten, die Vorgänge zu überprüfen und – allenfalls mithilfe einer Mediation – die unerträgliche Situation vor Ort zumindest mittelfristig zu bereinigen?
  2. Welchen Beitrag hat das Land zur „Nordic Arena“ beigesteuert und effektiv bezahlt?
  3. Hat die Landesregierung die bisherige Geschäftsgebarung der „Tourismus Toblach GmbH.“ überprüft, besteht die Absicht, diese einer eingehenden Überprüfung zuzuführen?
  4. Welche ordentlichen und außerordentlichen Beiträge hat der „Tourismusverein Toblach“ seitens des Landes in den Jahren 2010 bis 12013 erhalten?

Bozen, 20.02.2014
Hans Heiss
Riccardo Dello Sbarba
Brigitte Foppa

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2 Antworten auf Nordic Arena Toblach: Landtagsanfrage

  1. Raphael Mair sagt:

    Woher stammt diese Pressemitteilung? Bei den Grünen ist sie jedenfalls unter „Pressemitteilungen“ nicht zu finden.

    • forum sagt:

      Das ist keine Pressemitteilung, sondern der Text der Landtagsanfrage, die am 20. Februar eingereicht wurde. Sie wurde auf der Website der Grünen offensichtlich noch nicht eingegeben.