Quergedacht. von Hans Karl Peterlini

Katholisches Sonntagsblatt, 6.04.2014

In der Hoffnung, Unrecht zu bekommen, sei eine zynische Wette gewagt: Wetten, dass in einem Jahr niemand mehr vom Rentenskandal spricht? Dass die Wut verebbt ist? Dass den Politikern, die jetzt angepöbelt werden, wieder geschmeichelt wird, wenn man etwas von ihnen braucht? Der Riss ging tief, das Make-up ist abgeblättert, strahlende Herrenmienen sind erstarrt. Und es ist zu hoffen, dass der Schock heilsam ist und jenem neuen Stil den Weg bahnt, der angekündigt war, der aber in manchen Machtzentren mit gemischten Gefühlen betrachtet wurde. Das wäre die positive, hoffentlich nachhaltige Seite der Empörung. Sie hat aber auch ein Schlaglicht auf die wenig demokratiegeübte politische Kultur des Landes geworfen: Was jetzt explodiert ist, hat lange geschwelt, blieb unterdrückt in der eingeübten Haltung des Verbeugens, Kuschens und Handaufhaltens. Ein Volk, das 25 Jahre lang ins Landhaus pilgerte, um demütigst Segen und Beiträge zu erbitten, wird durch einen Wutausbruch noch nicht zur mündigen Zivilgesellschaft – auch da braucht es wohl einen neuen Stil, den Führungspersonen auf allen Ebenen frühzeitig, couragiert und aufrecht die Meinung zu sagen, damit man sie nicht hinterher mit Steinen bewerfen muss. Auf dass aus Wutbürgern im Ausnahmezustand Mutbürger im Alltag werden.

 

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