Schwemmholzsperre 2 in der Rienzschlucht. Amt für Wasserschutzbauten: Brief Dr. Rudolf Pollinger an BM & Fraktion Bruneck, 16.12.2010. Kommentar

Schwemmholzsperre 2 in der Rienzschlucht östlich von Bruneck

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,        

sehr geehrter Herr Fraktionsvorsteher,

mit Schreiben vom 26.11.2010 ersucht uns die Fraktion Bruneck eine weitere „Verschandelung“ der Rienzschlucht mit der Errichtung eines zweiten Rückhaltebauwerks gegen Wildholz noch einmal zu überdenken. Es wird zudem in den Raum gestellt, dass die Entscheidung zum Bau ohne vorherige Information der lokalen Bevölkerung erfolgte, und diese nur über die Presse davon erfahren hätte. Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich zu den einzelnen Punkten des Schreibens folgendermaßen Stellung nehmen bzw. die bei der Projektvorstellung in Bruneck zu Beginn des Jahres bereits getätigten Ausführungen noch einmal kurz zusammenfassen.

Das Gesamtprojekt zum Schutz der Stadt Bruneck gegen Schäden durch Wildholz sah bereits ab der Projektierungsphase die Errichtung von zwei Bauwerken vor. Sowohl bei der ersten Projektvorstellung für den Gemeinderat Bruneck am 23.02.2010, als auch beim allgemein zugänglichen Informationsabend für die Bevölkerung von Bruneck in der Alten Turnhalle am 15.03.2010 wurde dieses Gesamtprojekt, bestehend aus zwei Rückhaltebauwerken, vorgestellt.

Folgende Überlegungen führten in Zusammenarbeit mit den Universitäten von Padova (Prof. Vincenzo D’Agostino) und Bozen (Dr. Francesco Comiti) zu dieser Entscheidung.

Der Großteil des zu erwartenden Holzanfalles resultiert laut Studie mit 5.200 m3 zwar aus dem Abschnitt Speicher Welsberg bis zur Zentrale Hydros. Darüberhinaus sind jedoch aus dem darunter liegendem Abschnitt bis zur Stadt Bruneck noch etwa 1.800 m3 Holz zu erwarten. Möchte man die gesamte Holzmenge sowie einen Teil der anfallenden Geschiebefracht mit einem einzigen Bauwerk zurückhalten, müsste dieses direkt oberhalb von Bruneck in der Rienzschlucht errichtet werden. Auf Grund der beengten Platzverhältnisse würde sich hier jedoch eine gewaltige Bauwerkshöhe ergeben.

Der Wert der Rienzschlucht als Naherholungsgebiet für Bruneck ist uns sehr wohl bekannt und da es auch in unserem Interesse liegt, die notwendigen Maßnahmen in einer möglichst Landschaft schonenden Bauweise umzusetzen, wurde beschlossen, die Schutzfunktion auf zwei kleinere Bauwerke aufzuteilen. Das erste Bauwerk im Bereich der Zentrale Hydros kann auf Grund der günstigen Geländevoraussetzungen mit einer relativ niedrigen Bauhöhe – immer gemessen am enormen Transportpotential der Hochwasser führenden Rienz – bereits eine sehr gute Schutzwirkung zu erzielen. Dass damit aber das Gefährdungspotential aus den Flächen talseitig des Bauwerks nicht abgefangen werden kann, ist offensichtlich und bedingt nach derzeitigem Kenntnisstand die Errichtung eines zweiten, jedoch kleineren Bauwerks direkt oberhalb von Bruneck. Derzeit befinden wir uns in der Projektierungsphase mit dem Ziel jenen Bauwerkstyp auszuwählen, der bei bestmöglicher Schutzwirkung in dieser sensiblen Zone die geringste landschaftliche Beeinträchtigung aufweist. Dabei ist uns bewusst, dass der landschaftliche Eingriff zumindest während der Bauphase auch in diesem Fall noch beträchtlich sein wird.

Die Aussage, dass das Jahrhunderthochwasser 1882 heute nicht mehr der Realität entspricht, kann in dieser Form nicht bestätigt werden. Abgesehen von einem im Vergleich zu 1882 vervielfachtem Schadpotential durch die wirtschaftliche und sozioökonomische Entwicklung im Stadtgebiet von Bruneck zeigen die Statistiken derzeit weltweit einen klimabedingten Anstieg von extremen Witterungs- und damit verbundenen Abflussereignissen.

Die angesprochene Einbindung des Stausees zum Kappen der Hochwasserspitze zeigt laut einer internen Studie nur unter günstigsten Bedingungen ausreichend Wirkung, d.h., wenn eine fast 100%ige Voraussage des zu erwartenden Niederschlagereignisses hinsichtlich Intensität und zeitlicher Abfolge erfolgt und der Füllstand des Speichers dieser Voraussage laufend genauestens angepasst wird. Auch unter günstigsten Annahmen nimmt die Wasserfracht der Rienz unterhalb des Stausees jedoch ein Ausmaß an, bei dem mit einem Transport von beträchtlichen Wiidholzmengen bis in den Siedlungsraum von Bruneck zu rechnen ist. Dabei ist auch anzumerken, dass die gegenständlichen Bauwerke keine Rückhalte- oder Dosierfunktion gegen den Hochwasserabfluss selbst erfüllen. Ihre Funktion liegt im schadlosen Rückhalt der während eines Hochwasserereignisses mitgeführten Wildholzmengen sowie eines Teils des Geschiebes. Gerade durch die Errichtung des Stausees konnte sich seit etwa 60 Jahren die Holzvegetation im Unterlauf fast ungestört von kleineren Hochwasserereignissen entwickeln und hat damit das Gefährdungspotential entsprechend erhöht. Die ursprünglich bachbegleitende Auvegetation hat sich flächig in fast reine Fichtenwälder umgewandelt und genau dieser Vegetationstyp ist im Hinblick auf die Wildholzproblematik als sehr problematisch zu sehen.

Die einzige Alternative zum unteren Schutzbauwerk wäre die laufende Pflege (Schlägerung) des Flussbegleitenden Baumgürtels inklusive aller gefährdeten Einhänge zur Rienzschlucht bereits im Jugendstadium der Bäume. Unserer Meinung nach würde diese Maßnahme auf Dauer jedoch einen viel höheren landschaftlichen Eingriff bedeuten, als ihn der punktuelle Eingriff zum Bau eines Rückhaltebauwerks darstellt.

Ich hoffe, mit diesen Ausführungen etwas zum Verständnis der aus unserer Sicht notwendigen Maßnahmen beigetragen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Der Abteilungsdirektor

Rudolf Pollinger,

Abteilung 30 – Wasserschutzbauten, 16.12.2010

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Eine Antwort auf Schwemmholzsperre 2 in der Rienzschlucht. Amt für Wasserschutzbauten: Brief Dr. Rudolf Pollinger an BM & Fraktion Bruneck, 16.12.2010. Kommentar

  1. forumonline sagt:

    Die Fraktionsverwaltung bleibt bei der ablehnenden Haltung, weil:
    A) im Abstand von wenigem Kilometern keine zweite Sperre vonnöten ist.
    B) weil man stattdessen die Fraktionsverwaltung Percha bitten sollte, das Altholz in der hinteren Rienzschlucht (1800m³) zu entfernen. Dabei könnte auch die Fraktionsverwaltung Bruneck behilflich sein.
    C) wir der Meinung sind, dass eventuelle Hochwasser vor allem aus Wasser bestehen und infolgedessen die Schließung der Schutzmauer orographisch rechts zwischen Moessmer und Bernardibrücke eine vermutlich gleich teure, dafür aber echte Schutzmaßnahme für Bruneck wäre.
    D) wir zudem der Meinung sind, dass die Umwidmung der schon vorhandenen Gelder zu diesem Zweck kein Problem darstellt.
    E) weil wir frühzeitig unsere Position bekanntgeben wollen, um zu verhindern, dass wir mit der Rienzschluchtsperre bald vor vollendete Tatsachen gestellt werden könnten, da die Planungen schon zu weit fortgeschritten sein könnten…

    Fraktionsvorsteher
    Walter Harpf
    (siehe weitere Stellungnahmen unter: Schlagwörter: Rienzschlucht)