Heinz Mariner: Warum erkranken Menschen an Krebs? Brief an Prof. Gänsbacher

Betreff: Ihr Vortrag bei Athesia in Bruneck am 11.02.11

Sehr geehrter Professor Dr. Gänsbacher!

Mit meiner bevorzugten Devise  Tue recht und scheu niemand, erlaube ich mir als Teilnehmer Ihres Vortrages „Warum erkranken Menschen an Krebs“ in Bruneck, einige Bemerkungen zu machen. Vorweg kann ich nur bestätigen, dass Sie sehr kompetent wirkten, und Ihr Fach beherrschen.

Nur,  blickten wir beteiligten Laien bei Ihren Ausführungen durch? Und Ist es Ihrem Bemühen gelungen, uns dieses komplexe Thema „Krebsentstehung“ anhand Ihres Vortrages und Buches näher zu bringen? Fragte ich mich und andere Anwesende nach der Vorstellung. Auch die anschließenden gestellten Fragen an Sie, zeugten von Verwirrung und enttäuschten Erwartungen seitens mehrerer  Zuhörer.

Ein Auszug aus meiner Diplomarbeit an der „Massofsioterapie“- Schule“ vom Jahr 1993/94 in Rom lautete: „Einen weiteren Nachteil in unserer derzeitigen allgemeinen Gesundheitserziehung/ Aufklärung sehe ich in der aufwendigen Früherkennungs-Manie, die noch dazu sehr auf Angstmacherei aufgebaut ist. Schon in den Kindergärten, in den Schulen, im Beruf und öffentlichen Leben für die Erwachsenen schreit und mahnt es von allen Seiten Risikofaktoren!“. Folgend auf diesen Text, habe ich damals schon, zwei für mich übertriebene Vorsorge-Diktate angegeben: Das frühempfohlene Abtasten der Brust bei jungen Frauen über 20 Jahren und das Nichtversäumen der „kostenlosen Voruntersuchungen“ (der unangenehmen Prozedur), gegen das Prostatakarzinom zu folgen.

Was hat sich nun in diesen 17 Jahren geändert oder wirklich verbessert,  betreffend die allgemeine Vorsorge und speziell im „Krieg gegen den Krebs“? Und was hat mir/uns Ihr Vortrag dazu gesagt? Meiner Meinung nicht viel!

Außer, dass die Forschung bestrebt ist,  noch mehr Voruntersuchungen, Biopsien, Impfungen u.a.m. zu entwickeln. Aber diese neuen, “Effizienten, fokussierenden und schonenden“ Behandlungsmethoden  stehen den Kunden, laut Ihren Aussagen, erst in 10 bis 20 Jahren zu Verfügung. Mit diesen Präventionsversprechen und den Apellen zu erweiterten Vorsorgen (= Vorverlegen der Sorgen),  hat man bald eine Pathologiesierung auf den ganzen Körper verlegt und intensiviert. So, dass ein unkritischer noch „Gesunder“ mindestens einmal im Monat einen Spezialisten bzw. das Krankenhaus aufsuchen sollte. Ist das dann noch Lebensqualität?  Zudem vergisst man dabei, dass präventives Handeln selbst neue Risiken erzeugt. So kam ich zum Schluss:
Der Kirche gelingt es nicht mehr, die Menschheit in Angst zu versetzen. Umso mehr gelingt es der modernen (Schul- & Komplementär-) Medizin sowie Pharmazie, mit ihren neuerfundenen Krankheiten, der Vorsorgemanie  und ihrem Diagnosewahn, den Gesundheitskult teuflisch anzuheizen!

Herr Professor Gänsbacher, ich kritisiere nicht Ihre Kompetenz und Ihren Forschungsgeist. Nur, frage ich mich schon seit geraumer Zeit, ob diese, wenn auch fundierte Art der Aufklärungen und Prognose -Stellen, von Ihnen und vieler anderer Kollegen über Bücher, Vorträge, Medien für uns Laien wirklich dienlich ist? Mich stört generell dieses aufgebaute und gesteuerte Hygienesystem sowie das Tam-Tam rund um das Sanitätswesen. Welches bald an finanziellen und sonstigen Auswüchsen nicht mehr zu überbieten ist. Diese Misere wird inzwischen durch den verzogenen „Gesundheits-Verbraucher“  noch verstärkt. Nimmt die Privatisierung im Sanitätswesen  weiter zu und erlaubt man den Krankheitsverkäufern weiteren Spielraum, dann wird die medizinische „Muss-Produktivität“ kaum Änderungen zulassen. Dann wird weiter nach dem zynischen Motto mancher Mediziner gehandelt: „Es gibt keine Gesunden, nur Menschen, die nicht ausreichend untersucht worden sind“. (W. Bartens: „Vorsicht Vorsorge!“). Nur, wo bleibt da die Berufsethik?

So frage ich Sie: Wäre es nicht naheliegend, ein Forschungsgebiet einzurichten, welches sich bemüht, wieder ein faires und menschenwürdigeres Gesundheitssystem  aufzubauen? Weg von den aufwendigen objektiven Labordaten und zurück zu wieder mehr subjektiven Beobachtungen? Alle Drei: Mensch, Behandler und Sanitätsorganisation, würden davon nur profitieren. Mit einem solchen Pilotprojekt z. B: „Menschlichkeit contra Spezialistentum“  in Südtirol zu starten, könnte für Sie als Experte oder andere unabhängige Kollegen, eine berufliche Herausforderung sein.  In unserem Arbeitsbeschaffungsbetrieb „Sanität“ ist man zurzeit ja übereifrig und bemüht,  neue medizinische (Forschungs-) Abteilungen aufzubauen.

Ich warte gern Ihr „Feedback“ und grüße Sie freundlich

Heinz Mariner

P.s: Wäre mir „Der Spiegel“ Nr. 7 vom 14.02.11 „Wenn Ärzte irren…“ früher untergekommen, hätte ich Ihnen den geschickt und mir die Arbeit dieses Briefes erspart.

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