Resolution Heimatpflegeverband: Das Raumordnungsgesetz ist neu zu schreiben!

Angesichts der anstehenden Überarbeitung des Raumordnungsgesetzes
verlangt der Heimatpflegeverband den Schutz der Südtiroler Kulturlandschaft,
den Erhalt der historischen Bausubstanz und eine bessere Baukultur.
Bereits im Jahre 1997 hat der Heimatpflegeverband in einer scharfen
Resolution das damals neue Landesraumordnungsgesetz heftig kritisiert und
er hat vor Zersiedelung, unkontrollierten Erschließungen und vor Verhüttelung
des ländlichen Raumes gewarnt. Rückblickend muss man feststellen, dass wir
damals Recht hatten. Vieles davon ist eingetroffen, manches ist noch viel
schlimmer geworden als befürchtet. In diesen vergangenen 14 Jahren sind
weitere Schleusen geöffnet worden, welche das Land nachhaltig negativ
prägen.

Das landwirtschaftliche Grün, wo im Grunde Bauverbot bestand, ist seit
langem zur größten Bauzone im Lande geworden. Die ungezügelte
Umwandlung von landwirtschaftlichen Gebäuden und die Verschiebung von
Stadel- und anderen Kubaturen quer durchs Land finden vielfach dort statt.
Und es geht weiter: die landesweite Ausweisung von Tourismuszonen lassen
die Verbauung in bisher unberührter Natur zu, oft weitab von Infrastrukturen.
Als Beispiel seien genannt: das Riesenhotel auf den Kojawiesen in Mellaun
oder das 31-Hütten-Hoteldorf in Hafling.

Das Raumordnungsgesetz wird andauernd auf persönliche Bedürfnisse hin
maßgeschneidert: aus Bienenständen werden Sommerhäuschen, aus
Schupfen werden Ferienwohnungen und aus ein paar zusammengefallenen
Steinmauern Wohnhäuser. Der Missbrauch bei den qualitativen und
quantitativen Erweiterungen von Hotelbetrieben wurde durch
Gesetzesanpassungen legalisiert. Gar manche bauliche Illegalität wurde nicht
durch einen sogenannten „Condono“ erlassen, was zumindest durch
Geldstrafen der Allgemeinheit etwas gebracht hätte, sondern durch
Gesetzesänderungen oder einfach durch eine „authentische“ Interpretation der
Landesregierung.

Die wohl bewussten oder aus Schlamperei ungenau verfassten
Formulierungen im Text sind ein Eldorado für Spekulanten, Bauhaie und Immobilienmakler und sie sind Grund für viele Streitereien. Sogar die
Präsidentin des Verwaltungsgerichtes Bozen, Frau Margit Falk Ebner, hat
kürzlich das Raumordnungsgesetz öffentlich gerügt und eine Überarbeitung
angemahnt, weil mehr als die Hälfte aller Fälle beim Verwaltungsgericht auf
dieses schlechte Gesetz mit seinen Rechtsunsicherheiten zurückzuführen
sind! Leider unterstützt die Politik vielfach weiter die Einzelinteressen zu
Lasten des Allgemeininteresses.

Die Gesetzgebung hat sich leider auch nicht auf die generelle Qualität der
Baukultur im Lande ausgewirkt, im Gegenteil: Es gibt kaum vorzeigbare
Erweiterungszonen und viele Wohngebiete und Gebäude sind geprägt durch
ein Sammelsurium von Bauelementen, Materialien und Farben. Der
globalisierte Geschmack von schlechten Bauzeitschriften beherrscht das
Dorfbild.

Die massiv angeordnete energetische Gebäudesanierung (Klimahaus) mit
Fassadendämmung und Kubaturbonus zwingt praktisch zum Abbruch von
Altbausubstanz, um das Maximum an Kubatur herauszuholen. Es wird
dadurch gewisse noch verbliebene schöne Ortsbilder künftig nicht mehr geben
oder sehr stark verändern. Auch die Förderung der Photovoltaikpaneele hat
unglaubliche Blüten getrieben. Unter Ausnutzung der Schlupflöcher in der
Raumordnung wurden ganze Hänge hektarweise mit Paneelen überdacht und
die Dachlandschaft mancher Orte und Talschaften hat sich durch die
glitzernden rasterförmigen Stadeldächer stark verändert.

Eine große Verantwortung haben auch die Planer. An ihnen liegt es
vornehmlich, wie unser Land künftig aussehen wird. Sie werden aufgefordert,
mehr Respekt vor dem Alten zu haben und sich mit mehr Sensibilität und
Zurückhaltung dem Baubestand und den Neubauten zu widmen. Wir brauchen
keine modische, spektakuläre und meist austauschbare Kontrastarchitektur,
sondern gute, ortsgerechte und landschaftsbezogene Bauten. Um das zu
erreichen ist deshalb die Weiterbildung von Planern und Handwerkern im
Umgang mit historischer Bausubstanz hinsichtlich einer sanften Sanierung
dringendst erforderlich.

Auch die Baukommissionen mit den Bürgermeistern hätten viele
Möglichkeiten, um eine bessere Architektur einzufordern, doch sie sind ein
politisches Gremium und entscheiden dementsprechend, oft auch mangels
klarer Gesetzgebung. Gerade wegen solcher Unklarheiten sind Kontrollen von
Seiten der Ämter äußerst schwierig. Außerdem fehlt vielen
Landessachverständigen das entsprechend notwendige Engagement.

Die Entbürokratisierung und das Übertragen von Genehmigungskompetenzen
von der Fachebene (Raumordnung) auf die politische Ebene (Gemeinde) hat zu ganz unterschiedlichen Auslegungen geführt, welche sich entsprechend
auswirken. Das ist dadurch möglich, weil das Gesetz ein Flickwerk ist und sich
in dieser komplexen Materie niemand mehr auskennt, außer die ganz
Schlauen mit ihren Rechtsanwälten, welche dann mit millionenschweren
Schadensersatzzahlungsklagen drohen. Die Raumordnung ist zur Spielwiese
von Juristen geworden (Stichwort: Vertragsurbanistik) und hat mit
Raumentwicklung vielfach nichts mehr zu tun.

Bezüglich früherer Absichten zur Neufassung des Gesetzes war bereits 2005
in den Medien zu lesen: „Die Hoffnung, endlich ein allgemein verbindliches
Raumordnungsgesetz wie aus einem Guss zu haben, scheint LR Michl Laimer
ad acta gelegt zu haben. Der Gesetzentwurf liest sich wie ein einziges
Nachgeben unter dem Druck unendlich vieler Einzelinteressen. Ein Halbsatz
wird angefügt, ein Wort gestrichen – und schon soll möglich werden, was
bislang verboten ist.“

Der Heimatpflegeverband und viele Fachleute im Lande kritisieren nun schon
seit vielen Jahren dieses Raumordnungsgesetz, das von Alfons Benedikters
vielgepriesener Ordnung zur jetzigen RaumUNordnung wurde und wissentlich
Interpretationsmöglichkeiten zulässt. Seit Jahren wurde von den Politikern
eine Neufassung versprochen, doch was nun vorliegt ist eine Enttäuschung.
Es ist die reine Fortschreibung des alten mit weiteren Verschlechterungen!
Zudem ist zu befürchten, dass die wirklichen „Brocken“ erst am Schluss noch
eingefügt werden. Die Zersiedelung, die Zerstörung und der Ausverkauf des
Landes werden unvermindert weitergehen. Die Wirtschaft diktiert die
Gesetzgebung.

Der Heimatpflegeverband Südtirol fordert deshalb die Landespolitik auf,
ein komplett neues, klares, vereinheitlichtes und für alle verständliches
Gesetz zu schreiben, das ein nachhaltiges raumordnerisches Leitbild
aufweist, in wichtigen Fragen keinen Spielraum zulässt und die
Südtiroler Kulturlandschaft mit ihren historischen Dorfbildern schützt
und Orte geordnet erneuern und wachsen lässt.

Brixen, am 9. April 2011.

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