Grüner Freistaat, TZ, 210711

Grüne Freiheit
Grüne Wiesen, zwitschernde Vögel, nirgendwo Dreck und Müll – so könnte der Öko-Freistaat Südtirol aussehen. Eine Idee, die bei den Grünen ernsthaft diskutiert wird. Im heimattreuen Lager ist man entzückt vom grünen Sinneswandel.
Die Südtiroler Grünen fordern den „Öko-Freistaat“. Losgelöst vom italienischen Staat, sollen die Südtiroler in einem immergrünen Traumland in Harmonie zwischen den Sprachgruppen leben. Eva Klotz von der SüdTiroler Freiheit hat große Freude damit.
von Hannes Senfter

Das Datum werden die jungen Grünen wohl nicht mehr so schnell vergessen. Am 18. März 2009 war eine Pressemitteilung in Umlauf geraten, in der die jungen Wilden eine Volksabstimmung zur Zukunft Südtirols forderten. Damals stellte die rechte Regierung in Rom die Südtiroler Autonomie in Frage. Einige Tage später nahmen Michi Hitthaler und Andrea Urthaler, die damaligen Grünen Vordenker, ihre Forderung wieder zurück. Die Gründe für den Rückzug waren nicht klar – war der Applaus der SüdTiroler Freiheit ausschlaggeben oder der Ordnungspfiff der Grünen Führung?
Heute scheint sich alles geändert zu haben. An diesen Vorfall können sich nur mehr einige Wenige erinnern. Am vergangenen Wochenende haben sich die Grünen-Vertreter zu einer Sommerklausur in Montan getroffen. Dabei wurde über viele Probleme gesprochen. Vor allem über den Neustart und den Neuentwurf der Partei. Unter dem Führungsduo Brigitte Foppa und Sepp Kusstatscher werden nun auch Themen andiskutiert, die vor nicht allzu langer Zeit undenkbar waren. Jedenfalls im Grünen-Lager. Jetzt taucht die Idee vom Freistaat wieder auf. Und zwar als grüne Abänderung: der Öko-Freistaat. „Wir haben es als Provokation in den Raum gestellt“, erklärt Brigitte Foppa, „die SüdTiroler Freiheit und die Freiheitlichen träumen von einem Freistaat. Wenn wir den Traum träumen wollen, dann soll das auch einen ökologischen Standpunkt geben.“ Klarerweise spielen für die Grünen die Grundsätze des Zusammenlebens der verschiedenen Sprachgruppen neben der ökologischen Ausrichtung eine wichtige Rolle. Darum sollen in die Diskussion auch Deutsche, Italiener und Ladiner eingebunden werden. Interessanterweise öffnen sich die Grünen jetzt einer Diskussion, die der Ausrichtung der Partei immer entgegengerichtet war. Die Grünen waren die Verteidiger einer gelebten Autonomie und des Zusammenlebens der Sprachgruppen, ohne die Staatsgrenzen jemals zu verschieben. Hat sich an diesem Denken etwas Grundlegendes geändert?
Brigitte Foppa versichert, dem sei nicht so. „Der Zeitgeist zeigt, dass das Thema vieldiskutiert und sehr wichtig ist“, sagt Foppa, „wir wollen endlich auch einmal die Diskussion führen, damit wir wissen, warum wir uns hier in dieser Situation wohlfühlen. Bisher kennt man nur die vielen Gründe, weshalb man sich unwohl fühlt.“
Allem Anschein nach wollen die Grünen Argumente finden, um gegen den Freistaat zu Felde zu ziehen. Denn eines stellen die Grünen fest: Das Modell einer SüdTiroler Freiheit wollen sie nicht haben. In einem Öko-Freistaat soll alles anders sein. Gibt es Gründe, die für einen Grünen Staat sprechen? Im Öko-Freistaat werden sich die Brennerautobahn und der Flughafen nicht wegdenken lassen. Ob die vielen Touristen dann mit dem Fahrrad aus Deutschland und Italien anreisen werden, das wird wohl unwahrscheinlich sein. Den Brennerbasistunnel wird dann auch niemand verwenden dürfen. Gleich wenig wie die vielen Skipisten und Skilifte. Was mit den Windrädern passieren würde, das wäre eine eigene Diskussion wert. Aus ihnen wird doch auch Ökostrom gewonnen, oder nicht?
Eva Klotz hat von dieser Grünen Forderung noch gar nichts mitbekommen. Sie entspannt sich gerade unter der Sonne von Korsika. Eva Klotz nutzt die Zeit, um wieder einen klaren Kopf nach den politischen Debatten in Südtirol zu bekommen – frei für die Selbstbestimmung des Landes. Seit Jahren kämpft sie unermüdlich für die Abtrennung Südtirols von Italien. Ob es schlussendlich aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen vonstatten gehen würde, das ist ihr egal. Und darum ist sie hocherfreut über den Grünen Sinneswandel. „Was die jungen Grünen vor zwei Jahren gefordert haben, wird jetzt wieder auf das Tapet gebracht“, sagt Klotz, „man sieht, dass die jungen Menschen auch bei den Grünen wieder Beachtung bekommen.“ Klotz freut sich schon auf die Gespräche mit den Grünen: Wie soll der Öko-Staat wohl aussehen? Eines ist ihr klar: Nur über sehr, sehr viele Gespräche könnte es einen Konsens geben. Freistaat – mit oder ohne Öko – ist immer Freistaat.
Brigitte Foppa: „Der Zeitgeist zeigt, dass das Thema vieldiskutiert und sehr wichtig ist. Wir wollen endlich auch einmal die Diskussion führen.“

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