Direkte Demokratieverhinderung: „Angst vor dem Volk“

TZ, 26. August 2011
„Angst vor dem Volk“

Die Freiheitliche Ulli Mair bezeichnet den Gesetzesentwurf der SVP zur
Direkten Demokratie als Mogelpackung. Bliebe es bei der Einstiegshürde von 38.000 Unterschriften, die innerhalb von 60 Tagen gesammelt werden müsse, werde es in Südtirol keine Volksabstimmungen mehr geben.

Tageszeitung: Frau Mair, die SVP hat ihren Gesetzentwurf zur Direkten Demokratie vorgelegt. Ihr Kommentar?
Ulli Mair: Ich kenne den Entwurf noch nicht im Detail, aber die Tatsache, dass die so genannten Revoluzzer in der SVP, Arnold Schuler und Maria Kuenzer, eine Einstiegshürde von 38.000 Unterschriften, die innerhalb von 60 Tagen gesammelt werden müssen, gutheißen, sagt schon alles …
Nämlich?
Die SVP ist die Totengräberin der Direkten Demokratie.
Haben Sie sich denn allen Erns-tes erwartet, dass die Mehrheitspartei auf die Position der Initiative für die Direkte Demokratie umschwenken würde?
Nein, aber ich habe mir erwartet, dass die SVP einen ehrlichen Vorschlag vorlegt. Schuler & Co. schieben das Nullquorum in den Vordergrund und wollen die Leute damit ködern. Aber das mit dem Nullquorum ist purer Populismus. Denn wenn es bei der Einstiegshürde von 38.000 Unterschriften bleibt, die noch dazu binnen 60 Tagen gesammelt werden müssen, wird es in Südtirol nie zu einer Abstimmung kommen.
38.000 Unterschriften zu sammeln, ist unmöglich?
Ja, gerade wir als Oppositionspartei wissen, was es heißt, beglaubigte Unterschriften zu sammeln. In 60 Tagen kann man unmöglich 38.000 Unterschriften sammeln. Der Gesetzentwurf der SVP ist eine totale Mogelpackung und hat mit echter und ehrlicher Bürgerbeteiligung nichts mehr zu tun.
Sie wären für die Beibehaltung des Status quo gewesen?
Ja, mit kleinen Korrekturen. Ich persönlich bin nicht unbedingt für ein Null-Quorum, daher haben wir vorgeschlagen: Gehen wir von 40 Prozent zurück auf 15 Prozent. Die 15 Prozent wären angemessen. Die bisherige Unterschriftenhürde – 13.000 – hätten man beibehalten können. Wir Freiheitlichen fordern außerdem eine Einführung eines Abstimmungsheftes, durch welches folgendes sicherzustellen ist: Eine zusammenfassende und für alle verständliche Beschreibung des Abstimmungsgegenstandes, eine gleichberechtigte Darstellung der Standpunkte von Einbringern und Gegnern, eine ausgewogene Darstellung von Mehrheit und Minderheit im Landtag, die Zustellung an alle Stimmberechtigten spätestens 20 Tage vor dem Abstimmungstermin.
Warum, glauben Sie, schaut die SVP in Sachen Direkte Demokratie nicht herwärts?
Weil die SVP Angst vor den Bürgern hat. Man hat dies anlässlich der letzten Volksabstimmung gesehen, als Partei und Landesregierung so reagiert haben wie seinerzeit das Politbüro in der DDR.
Sie unterstellen damit den – wie Sie sie nennen – „SVP-Revoluzzern“, mit gezinkten Karten zu spielen?
Ich weiß, dass sich der Arnold Schuler in die Materie hineingekniet hat. Er braucht halt auch ein Thema, damit er ein bisschen wahrgenommen wird und glänzen kann. Doch die Lösung, die herausgekommen ist, war vielleicht gut gemeint, aber sie wird dem Begriff Direkte Demokratie nicht gerecht.
Glauben Sie nicht, dass die SVP sich weniger vor dem Volk, als vielmehr davor fürchtet, dass wegen jeder Kleinigkeit eine Volksbefragung initiiert wird?
Das stimmt so nicht! Bereits mir der bisherigen Regelung wäre es unmöglich gewesen, wegen jedem Dreck eine Volksbefragung in die Wege zu leiten. Denn wegen einer Kleinigkeit tut sich niemand die Mühe an, 13.000 Unterschriften zu sammeln. Ich sage es noch einmal: Die SVP hat vor dem Volk Angst. Wenn die SVP eine gute Politik im Sinne der Bürger macht, wenn sie die Bevölkerung transparent und bürgernah in die Entscheidungsfindung bei Großprojekten usw. einbindet, wird es keine Volksabstimmungen geben. Wer nicht falsch spielt, braucht sich vor dem Volk nicht zu fürchten.
Was sagen Sie zum Umstand, dass der Gemeindenverband den Vorschlag der Initiative für mehr Demokratie negativ begutachtet hat?
Typisch System Südtirol! Zwei Tage bevor die SVP ihren eigenen Gesetzesentwurf vorlegt, gibt der Gemeindenverband sein negatives Gutachten zum Entwurf der Initiative für mehr Demokratie ab. Ich bin davon überzeugt, dass der Gemeindenverband den Entwurf der SVP positiv begutachten wird. Verbandschef Arno Kompatscher kann noch so oft betonen, dass er kein Parteisoldat ist. Aber es ist lächerlich, dass Kompatscher seinem Vorgänger Schuler mit einem bestellten Gutachten Schützenhilfe leistet.
Interview: Artur Oberhofer
Die Tatsache, dass die so genannten Revoluzzer in der SVP, Arnold Schuler und Maria Kuenzer, eine Einstiegshürde von 38.000 Unterschriften, die innerhalb von 60 Tagen gesammelt werden müssen, gutheißen, sagt schon alles. Die SVP ist die Totengräberin der Direkten Demokratie.
Der Anlass
Die SVP-Abgeordneten Elmar Pichler Rolle, Arnold Schuler und Maria Hochgruber haben am Mittwoch den Gesetzentwurf für das Südtiroler Modell der Direkten Demokratie eingereicht. „Ein gutes Modell der Bürgerbeteiligung muss den Dialog zwischen den politischen Akteuren fördern“, erklärte Pichler Rolle. Das Zweistufensystem im SVP-Modell würde dies ermöglichen. „Das Null-Qourum hingegen garantiert, dass nur jene bestimmen, die auch abstimmen“, so der SVP-Fraktionssprecher. Arnold Schuler erklärte: „Wir lassen derzeit rechtlich prüfen, ob und wie wir eine elektronische Unterschriftensammlung mit der Südtiroler Bürgerkarte ermöglichen können.“

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