ff 51-52/2011: Der Kollaps des Systems Südtirol

Die Sel-Affäre und der Fall Laimer zeigen, dass eine Ära an ihr Ende gelangt ist, die Ära Durnwalder. Michl Laimer und Maximilian Rainer sind Kinder dieses Systems, das von Verfilzung geprägt ist.

Mit der Sel-Affäre und dem Fall Laimer ist das System Südtirol an einem Endpunkt angelangt. Das wesentliche Kennzeichen dieses Systems ist der Filz. Die Sel und die Amtsführung von Michl Laimer sind nur Ausdruck dieses Systems, Michl Laimer und Maximilian Rainer Opfer dieses Systems. Sie taten, was von ihnen erwartet wurde. Sie sind Kinder des Systems, sie haben nie gelernt, sich zu emanzipieren.

Es sind nicht also Einzelne, die versagt haben, sondern ein System. Ein System, das stark auf ein Machtzentrum konzentriert war, auf Luis Durnwalder, das neue Konzerne statt Netzwerke geschaffen hat, das Entscheidungsstärke demonstrierte statt auf Bürgerbeteiligung zu setzen – die Landesenergiegenossenschaft Sel ist eben deswegen ein kleiner Konzern geworden und keine Genossenschaft.

Die Beteiligten wollen es nicht wahrhaben, es sich nicht eingestehen, es schon gar nicht laut sagen, dass das System kurz vor dem Kollaps steht, auch wenn die SVP im Moment eine Partei am Rande eines Nervenzusammenbruchs ist.

Es wäre zu einfach, die Verantwortung für ein Systemversagen auf Einzelpersonen abzuschieben. Es wäre zu einfach, die Medien als Überbringer der schlechten Botschaft an den Pranger zu stellen – wär ja noch schöner, wenn wir unseren Lesern und Leserinnen sorgfältig rechechierte Fakten verschweigen würden, das könnten wir weder vor unseren Lesern und Leserinnen noch vor uns selber verantworten. Es wäre zu einfach, mit dem Finger auf den Staatsanwalt zu zeigen und wutentbrannt zu sagen, von dem da draußen am Gerichtsplatz lasse man sich nicht die Politik diktieren.

Es ist typisch für das System Südtirol, dass man die Wut auf den Staatsanwalt auch nur hinter vorgehaltener Hand äußert. So wie man auch die Kritik an der Sel, an der Amtsführung von Luis Durnwalder, an seiner Beratungsresistenz hinter vorgehaltener Hand geäußert hat. Hinter vorgehaltener Hand sind Spitzenexponenten der SVP immer schon die schärfsten Kritiker ihrer Partei gewesen.

Was sie nicht verhindert haben: dass sich in der Ära Durnwalder Vorsicht, nennen wir es so, wie Mehltau über die Gesellschaft gelegt hat. Diese Vorsicht hat ein Denken behindert, das in wirtschaftlich guten Zeiten in die Zukunft vorausgreift – das ist das Erbe, mit dem sich Durnwalders Nachfolger herumschlagen werden müssen. Er hat verwaltet, weit gedacht hat er nicht, raten hat ihm auch nie einer dürfen, wenigstens hat sich keiner so richtig getraut. Das System Südtirol beruht auch auf vorauseilendem Gehorsam.
Der Filz, der Südtirol lähmt, hat sich in der Ära Durnwalder gebildet, er hat diese Ära geprägt, eine Ära, die jetzt unweigerlich zu Ende geht, begleitet von heftigen internen Kämpfen in der Südtiroler Volkspartei, geschürt von außen vom Haus Athesia, dessen Spitzenexponenten, die Brüder Michl und Toni Ebner, eng mit der Partei verbunden sind und Luis Durnwalder so lange hofiert haben, wie es es ihnen zugute kam.

Wenn eine Ära zu Ende geht, herrscht Unsicherheit, nur wenige wagen es, offen zu sagen, dass sie eine andere Form der Regierung, der Machtausübung wollen, zu sagen, dass das Land eine flachere Hierarchie braucht, gemeinsame Entscheidungen, Machtmenschen wie Michl Ebner haben einen Instinkt für solche Übergangssituationen, sie versuchen das Vakuum für ihre Zwecke zu nutzen. Diejenigen, die dem System gedient haben, halten sich bedeckt – so dass sie im Ernstfall sich leicht auf die eine oder andere Seite schlagen können.

Was diejenigen, die vom System Durnwalder, vom System Südtirol gut gelebt haben, erst lernen werden müssen: das freie Denken, die Kunst der Emanzipation.

Georg Mair
22.12.2011

http://www.ff-online.com/ausgaben/51-52-191/der-kollaps-des-systems-suedtirol/

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