Christian Felber: „Die Regierungen desinformieren uns ganz bewusst, weil sie die Oberschicht schützen“

Interview in „Wann & Wo“ (Vorarlberg), 05.02.2012

Der Keim der Lösung der Euro- und Schuldenkrise ist kaum bekannt: Die privaten Vermögen sind ungefähr fünfmal so groß wie die öffentlichen Schulden. Ein Prozent Vermögenssteuer reduziert die Staatsschulden um fünf Prozent. In zehn Jahren wären sie halbiert“, weiß der Autor und Journalist Christian Felber, dessen Buch „Retten wir den Euro!“ (Deuticke) morgen erscheint.

„Der Clou: 90 Prozent der Bevölkerung wären nicht betroffen, weil zehn Prozent ‚Oberschicht‘ zwei Drittel des gesamten Vermögens besitzen. Sie zu besteuern würde ausreichen. Die Regierungen desinformieren uns bewusst über diese Fakten, weil sie die Oberschicht schützen!“, führt Christian Felber im WANN & WO-Interview weiter aus.

W&W: Wie kann das Volk den „Hütern der Geldordnung“ Druck machen, damit sich die Dinge in die richtige Richtung bewegen?

Christian Felber: Ich sehe derzeit den wichtigsten Weg über Direkte Demokratie, so kann der demokratische Souverän selbst Gesetze beschließen, zu denen sich das Parlament gegenwärtig nicht durchringen kann, weil die ökonoimschen Lobbies zu mächtig sind. Es sind aber auch kleine Schritte möglich: Jede(r) kann bei denjenigen Banken, die spekulieren oder auf Staatsgeld angewiesen sind, das Konto schließen und zu Banken wechseln, die aus eigener Kraft am Leben bleiben und nicht spekulieren. Die Auswahl ist zugegebenermaßen noch relativ klein, wir bereiten deshalb gerade die Gründung der „Demokratischen Bank“ in Österreich vor, die nicht nach Rendite jagen, sondern dem Gemeinwohl dienen wird.

W&W: Wie kommt man an die unvorstellbaren Vermögen der Superreichen in ihren Verstecken heran?

Christian Felber: Kapital ist vielleicht scheu, aber im Zeitalter des Internet müssen alle Steuerflüchtlinge durch die engsten Nadelöhre, die es je gab: den elektronischen Kapitalverkehr zwischen den Banken. Dieser müsste reguliert oder notfalls eine Aufgabe der Zentralbanken werden, dann ist die Steuerflucht zu Ende. Kein Reicher fliegt heute noch mit einem Geldkoffer auf die Cayman-Islands. Wenn das Zollhäuschen ins Internet errichtet wird, kann das gesamte Finanzvermögen erfasst werden.

W&W: Die herrschende Geldordnung wird von den Eliten tabuisiert (Davos). Welche Verantwortung kommt den Massenmedien zu, damit spätestens in der Krise der Tabubruch möglich wird?

Christian Felber: Sie könnten über Alternativen zur herrschenden Geldordnung aufklären, es gibt schon viele Ansätze: Kredit als öffentliches Gut, Banken ohne Zinsen, Regiogelder, Entzug der Geldschöpfungsfunktion der Geschäftsbanken, Vollgeldreform oder Finanzierung der Staatsschulden über die Zentralbank. Es gibt zahlreiche spannende Alternativen. Die Vision ist die bewusste und demokratische Neugestaltung der Geldordnung. Geld ist etwas zu 100% Künstliches, wir können es gestalten, wie wir wollen!

W&W: Das Kapitalismus-Monster hat zu einem kollektiven Egoismus bei den Menschen geführt. Müssen sich nicht in jedem einzelnen Kopf Einstellung und Bewusstsein ändern? Kommt Aufklärung an? Bzw. wie schlecht muss es den Menschen gehen, bis sie ihren Menschenverstand wieder finden? Es braucht ja Erkenntnis, bevor Entwicklung passieren kann.

Christian Felber: Der Wandel beginnt tatsächlich in den Köpfen und Herzen der Menschen. Das bedeutet einerseits, dass wir die sozialdarwinistischen Mythen hinterfragen, nach denen wir genetisch auf Egoismus und Konkurrenz programmiert seien. Das ist ein purer Mythos, der den Mächtigen nützt. Denn wenn wir die volle Kraft der Kooperation entdecken und entfalten würden, hätte Herrschaft von wenigen keine Chance mehr. Und wenn wir lernen unsere Herzen zu befragen, immer tiefer, werden wir erkennen, dass wir alle etwas ganz anderes wollen als das, was derzeit ist. Und unter Freiheit werden wir verstehen lernen, dass wir uns für diese anderen Formen des Zusammenlebens und Wirtschaftens auch persönlich einsetzen müssen.

Interview: Verena Daum-Kuzmanovic

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