Ulrich Ladurner: Die Aktien und ihre Auswirkungen

Katholisches Sonntagsblatt 27, 01.07.2012

Eine herrschende Lehre der Achtzigerjahre lautete, dass Unternehmen im Interesse ihrer Aktienbesitzer geführt werden sollen. Das sei das Beste für alle. Doch diese Lehre hat eine ganze Reihe von Unternehmen geradewegs in den Abgrund geführt. Eines der prominentesten Beispiele dafür ist General Motors.

GM war bis vor wenigen Jahren noch unangefochten der größte Autoproduzent weltweit. Doch 2009 ging GM bankrott. Was war passiert? Jahrelang hatten die Manager von GM systematisch das Interesse der Aktienbesitzer in das Zentrum ihres Handelns gestellt. Der Erfolg eines Managers maß sich an der Höhe der Profite, die er für Aktienbesitzer erwirtschaften konnte. Im Gegenzug dafür konnten die Manager mit teilweise gewaltigen Boni und Gehaltserhöhungen rechnen. Beide Seiten also hatten etwas davon.

Radikaler Kostenabbau

GM aber ging darüber zugrunde. Den die Manager erzielten die hohen Profite, indem sie radikal Kosten abbauten. Sie entließen Arbeiter und Angestellte, sie kürzten die Investitionen für Forschung und Entwicklung. Das war der einfachste Weg, um den Profit zu steigern. Das ging eine Zeit lang gut. Doch schließlich kam der Riese GM zu Fall. Er war bis auf die Knochen abgemagert und konnte mit dem scharfen Wettbewerb nicht mehr mithalten.

Das Schicksal von GM zeigt, dass das Interesse von Aktienbesitzern für ein Unternehmen keineswegs gut ist. Denn Aktienbesitzer wollen in der Regel vor allem Geld sehen, lieber gestern als heute. Wenn sie unzufrieden sind, stoßen sie ihre Anteile eben ab und investieren in ein anderes Unternehmen. Aktienbesitzer sind mobil. Nichts bindet sie an ein Unternehmen, außer das äußerst dünne Band der Profitgier. Im Gegensatz dazu sind die Arbeiter und Angestellten mit ihrer ganzen Existenz an das Wohlergehen ihres Unternehmens gebunden. Anders ausgedrückt: Sie haben langfristige Interessen, während der Aktienbesitzer sehr kurzfristige hat.

Aktienbesitzer kann man freilich nicht einfach abschaffen. Selbst wenn das ginge, es wäre dumm. Denn ohne Aktien kann die Wirtschaft nicht florieren. Der Aktienbesitz hat sich Mitte des 19. Jahrhunderts als ein wichtiges Instrument wirtschaftlicher Entwicklung durchgesetzt. Die Industrialisierung brauchte gewaltige Investitionen. Sie konnten nur aufgebracht werden, wenn viele Menschen Geld zur Verfügung stellten. Das taten sie, wenn sie dabei die Aussicht hatten, ihr Geld bedeutend dazu vermehren. Aktien mobilisieren das notwendige Kapital. Man kann auf sie nicht verzichten.

Fehlentwicklungen anprangern

Möglich ist aber, die perverse Verbindung zwischen ausgeschütteter Dividende und den Gehältern und Boni der Manager zu zerschlagen. Manager dürfen nicht dazu verleitet werden, indirekt über den radikalen Kostenabbau ihr eigenes Einkommen aufzubessern. Denn auf diese Weise verlieren sie die langfristigen Interessen des Unternehmens aus dem Auge. Auf gesetzlichem Wege lässt sich das nicht regeln, das wäre ein zu tiefer Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Doch man kann diese Fehlentwicklung anprangern, man kann öffentlichen und auch politischen Druck aufbauen. Man kann verlangen, dass Unternehmen so geführt werden, dass die über den Tag hinaus leben – dann sind sie für die Gesellschaft am nützlichsten.

Dieser Beitrag wurde unter Artikel abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.