TZ 05.07.2012: Ein Tag Kathedrale in der Kapelle

Bruneck/Reischach. In der Kirche der Lamprechtsburg wurde die seit Menschengedenken verstummte Orgel restauriert. Sonntag war Einweihungsfeier, und „der Freundeskreis für die Lamprechtsburg“ gestaltete zum Anlass ein rührendes Fest.
von Florian Kronbichler

Mag sein, dass der kleine Rahmen den Inhalt unverhältnismäßig groß erscheinen ließ: Es war die Feierlichkeit einer Kathedrale, in eine Kapelle gezwängt. Menschen waren gekommen, zahlreich und festlich wie zu einer Kirchweih. Im Burghof spielte ein Bläserensemble; durch die mehrheitlich feiertags- und dirndlgewandeten Kirchgängerschar wieselten schwarz resp. weiß befrackte Männer. Nicht Kellner, sondern Solo-Musiker, wie sich dann herausstellte. Aus der Sakristei trat nicht irgendein Aushilfe-Geistlicher von der Gegend, nein, es war eigens der Diözesanreferent für Kirchenmusik, Pater Urban Stillhard, aus Bozen gekommen und mit ihm und gleichsam zur Verstärkung der überörtlichen Bedeutung, ein Priester aus der Orgel- und Geigenbauerstadt Cremona. Der Festgottesdienst hatte Form und Ausmaß eines Pontifikalamtes. Viel gesungenes Latein, dazu zweisprachig deutsch-italienisch die Lesungen und Fürbitten, was der Feier einen demonstrativ ethno-ökumenischen Touch verlieh. Die Ansprache von Pater Urban, gewidmet dem Evangelium von der Auferweckung vom Tod der Tochter des Synagogenvorstehers (und dem Glauben an Wunder allgemein), sowie seine Ansprache zur (weitgehend im Dunkeln verbliebenen) Geschichte der Orgel von Lamprechtsburg. Dazwischen immer wieder Musik, Musik für Orgel und Trompete von den Großmeistern des Fachs, Händel und Pachelbel, vorgetragen vom Cremoneser Konzertorganisten Marco Fracassi und dem Südtiroler Trompeten-Professor Otto Rabensteiner.

Zum Abschluss – unvermeidlich – wurde das „Großer Gott, wir loben dich“ gesungen, das kirchliche Kehraus-Lied, das auch der ungeübteste Kirchgänger in Text und Melodie beherrscht. Pater Urban, von Berufs wegen Wächter über die Pflege kirchlichen Volksgesangs, muss von einer bestimmten Sorge erfasst gewesen sein: Ob das wohl gut zu Ende gehen würde? Es war nämlich zum großen Finale in der kleinen Kirche ein Miteinander von wahrlich außerordentlicher Vielfalt angetreten. „Versuchen wir, die verschiedenen Elemente einigermaßen zu harmonisieren“, bat der Pater Musiker. Hinterher waren alle hell begeistert, pflichtgemäß auch er. Das Volk sang, inbrünstig wie an dem Tag sonst nur noch die italienischen Fußball-Nationalspieler die Hymne. Maestro Fracassi oben holte aus der frisch restaurierten und gesegneten Orgel heraus, was sie her hatte. Trompeter Rabensteiner vorn spielte Koloraturen dazu und dirigierte mit seinem Instrument. Und hinten draußen, zur Kirchtür herein, ließen es die Bläser aus Weitental krachen. Ein verwegenes Kombinat, aber jeder Missklang, so es einen gegeben haben sollte, wurde von der gemeinsamen Freude an dem Ereignis übertönt.

Die Feier war vom „Freundeskreis für die Lamprechtsburg“ organisiert. Von diesem stammt auch die Initiative zur Restaurierung der Orgel (und außer der Initiative auch ein schöner Teil der dafür angefallenen Kosten). Den Freundeskreis gibt es seit bald zehn Jahren. Er besteht aus rührigen Kultur- und Heimatschützern aus der Gegend, ihre Sprecherin ist Claudia Plaikner aus Olang, Bezirksvorsitzende des Heimatpflegeverbandes. Ziel ist es, der Besitzerfamilie des Schlosses (in Reischach ist es nach einem Vorfahrensnamen die „Hauptmann-Familie“) bei der Bewältigung verschiedener Probleme zu helfen oder auch nur nahezustehen.

Die Lamprechtsburg lief in der Vergangenheit mehrmals Gefahr, in die Fänge von Geschäftemachern zu geraten. Die Hauptmann-Familie widersetzte sich wiederholt tapfer allen Versuchen feindlicher Übernahme. Dafür zollten ihr Mitbürger und Heimatschützer Anerkennung. Der „Freundeskreis“, dies nebenbei, hatte mit der Orgelweihe am Sonntag auch Gelegenheit zu beweisen, wofür er sich engagiert. Missgünstige Kritiker hatten das Gerücht genährt, die „Freunde“ würden rein wirtschaftliche Interessen der Familie fördern, so das an den Burgberg angrenzende Schottergruben-Geschäft.

So gab es „nach dem Kirchen“ in angenehmer Gesellschaft allerhand Lokalpolitisches zu besprechen. Wer musikalisch interessiert war, konte sich von den Cremoneser-Restauratoren das Innenleben der Orgel erklären lassen. Die Empore der Lamprechtsburger Kapelle ist winzig, und die „Führungen“ mussten turnusweise in kleinen Gruppen erfolgen. Eine weitere Rarität von Lamprechtsburg ist eine Kummernus-Darstellung. Eine Kulturhistorikerin aus Bayern erklärte an ihr den Kummernus-Kult in Tirol. Er gründet auf der Geschichte von Gewalt an Frauen, und was die Frau aus Bayern vortrug, war engagierte feministische Theologie. Ausgeklungen ist der Festakt bei einem Mittagessen in der prächtigen Stube des Schlosses. Unvermeidlich, dass dabei unter den Gästen Wehmut aufkam nach der Zeit, als „die Stube“ noch Gaststube war und man „auf Lamprechtsburg“ einkehren konnte. Das ist 20 Jahre her. Damals entschied die Familie, die Gastwirtschaft aufzulassen. Die Besitzer Elisabeth und Paul bewirtschaften seither mit viel Liebe die kleine Bauerschaft, die zur Burg gehört, und gehen zusätzlich einer Arbeit nach, Mutter Maria hilft weiterhin mit, und die drei Buben Fabian, Andrä und Christoph studieren und arbeiten.

Neue Südtiroler Tageszeitung, 05.07.2012

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