ff 05/2012: Antworten auf die Krise

Eine Umfrage des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz zeigt: Die Sorge um eine stagnierende Wirtschaft ist größer als die Bereitschaft zu sparen. Vor allem wollen die Südtiroler „mehr mitentscheiden“.

Finanzkrise, Sparprogramm, Wirtschaftskrise – es sind Schlagwörter, die seit Monaten die europäischen Schlagzeilen beherrschen. Dank der drastischen Sparpakete der italienischen Regierung haben die Mantras rund um das Wörtchen Krise auch in Südtirol Konjunktur.
In welchem Ausmaß das genau geschieht, das hat den Dachverband für Natur- und Umweltschutz interessiert. Er hat zu diesem Zweck das Bozner Institut für Sozialforschung und Demoskopie „Apollis“ beauftragt, die Meinung der Südtirolerinnen und Südtiroler zur aktuellen Finanzkrise und zu damit verknüpften Wirtschafts- und Umweltfragen zu erheben. Mit zum Teil durchaus überraschenden Ergebnissen.
So sind die Initiatoren z. B. davon ausgegangen, dass der Umweltschutz angesichts der Einsparungszwänge und der Notwendigkeit, die Wirtschaft anzukurbeln, unter die Räder kommen würde. Mitnichten. „Umweltschutz und Wirtschaftswachstum sind kein Gegensatz mehr“, freut sich Klauspeter Dissinger, Chef des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz. Er meint: „Unsere Umfrage zeigt, dass die oftmals bewusst herbeigeführte Polarisierung zwischen den Bereichen Wirtschaft auf der einen und Umwelt und Soziales auf der anderen Seite von den Südtirolern nicht mehr goutiert wird. Selbst von der Wirtschaft nicht.“

Dissinger kann sich auf Ergebnisse der Umfrage stützen, die auch die Meinung der Wirtschaftstreibenden differenziert betrachtet hat. Demnach ist der Umwelt- und Landschaftsschutz für die Wirtschaftstreibenden angesichts knapper Kassen keinesfalls ein Streichkandidat. Im Gegenteil: Insgesamt befürworten nur 16 Prozent Einsparungen in diesem Bereich – weniger also als in der Gesamtbevölkerung. Als vorhersehbarer Verlierer bei den möglichen Sparbereichen entpuppt sich vielmehr die öffentliche Verwaltung: 30 Prozent der Bevölkerung möchten, dass hier in Zukunft stark gespart wird, 46 Prozent tendieren immerhin zu „eher sparen“. Sparen würde die Mehrheit auch bei den lokalen Infrastrukturmaßnahmen, nämlich 43 Prozent gegenüber 32 Prozent, die in diesem Bereich hingegen weitere Investitionen befürworten würden. Laut der empirischen Untersuchung lässt sich verallgemeinernd festhalten: Frau und Herr Südtiroler möchten nicht, dass das Wirtschaftswachstum kaputtgespart wird.

So sprechen sich 43 Prozent eindeutig für Konjunktur- statt Sparprogramme aus. Weitere Investitionen werden auch im Gesundheits- und Sozialbereich gewünscht, Streichungen sind hier wie nirgendwo anders regelrecht verpönt. Ähnlich verhält es sich im Umwelt- und Landschaftsschutzbereich. „Man sieht, dass die Bevölkerung bereits weiter ist als die Politik“, zieht Andreas Riedl, Geschäftsführer im Dachverband für Natur und Umweltschutz, einen Schluss aus der Umfrage.

Eine von insgesamt 23 Fragen (neben Fragen zu Verkehr und Mobilität, die man nächstens nachreichen will) betraf auch das der Landesregierung entgegengebrachte Vertrauen. Einschnitte und Anreize angesichts von Finanz- und Wirtschaftskrise ausgewogen zu balancieren, das trauen der Landesregierung insgesamt immerhin zwei Drittel der Bevölkerung zu. „Wirtschaftstreibende sind – mit leichten Einschränkungen im Handel – ebenso oder noch stärker von der Problemlösungskompetenz der Landesregierung überzeugt“, heißt es in der empirischen Untersuchung. Auch die italienischsprachige Bevölkerung vertraut hier mehrheitlich der Landesregierung. Dennoch: Insgesamt wünschen sich 44 Prozent der Befragten „viel mehr“ und 36 Prozent „etwas mehr“ Einflussmöglichkeiten. Insgesamt möchten damit 80 Prozent mehr mitreden. Interessant: Die Unterschiede zwischen Kritikern und Befürwortern der Landesregierung sind dabei nicht besonders groß. Selbst unter den Befürwortern der Landesregierung verlangen über drei Viertel (78 Prozent) mehr Mitbestimmung, etwa in Form von Bürgerentscheiden. „Auch bei der direkten Demokratie ist die Bevölkerung der Politik offenbar weit voraus“, resümiert Dissinger.

Markus Larcher

ff 05/2012, 02.02.2012

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