Südtirols Kleinspitäler sollen umstrukturiert werden – de facto bedeutet das die Schließung. Hannes Senfter hält ein Plädoyer für deren Erhaltung.
„Es geht nicht ums Geld.“ Diesen Satz sollte sich jeder in Erinnerung halten. Gesagt haben soll ihn Oswald Mayr, seines Zeichens Sanitätsdirektor und damit Verantwortlicher für die Sanitätsreform an Südtirols Spitälern. Er ist es, der nach Innichen, Sterzing und Schlanders fahren muss, um allen klar zu machen, dass früher oder später die Lichter ausgehen werden. Denn der zuständige Landesrat Richard Theiner hat erkannt, in welches Wespennest er gestochen hat. Und da er im Herbst wiedergewählt werden will, gibt er sich fast schon als Gegner der eigenen Reform. Zum Glück ist ihm vor einigen Monaten Ministerpräsident Mario Monti zur Hilfe geeilt. Der hat erklärt, wie viele Betten im ganzen Land einzusparen wären. Und damit ist aus dem Südtiroler Reförmchen plötzlich eine nationale Reform geworden. Praktisch – nicht mehr die Landespolitik trägt die Verantwortung, sondern das böse Rom.
Doch was ist es genau, was bei dieser Reform eingespart werden soll? Die Kleinspitäler sind (noch) gut funktionierende Strukturen. Sie bieten eine Basisversorgung, die zur hohen Lebensqualität am Land beiträgt. Und zudem sind sie eine volkswirtschaftliche Bereicherung – sie sorgen für qualifizierte Arbeitsplätze in der Peripherie und locken sogar Touristen an, die den hohen Sanitätsstandard schätzen. Wenn es hierbei nicht ums Geld geht, dann weiß ich nicht. Und, das darf nie vergessen werden, eine Sanitätsstruktur ist eine öffentliche Einrichtung. Sie wird mit Steuergeldern finanziert, um einen Dienst zu gewähren. Sie soll kein Unternehmen sein, das nur dann weiter existieren darf, wenn es auch Gewinne abwirft.
Doch das spielt in den Köpfen der Reformer keine Rolle mehr. Als vor zwei Jahren schon einmal der Versuch einer „Umstrukturierung“ unternommen wurde, fielen die Sanitätschefs auf die Schnauze. Mit den Widerständen in den Spitälern von Sterzing und Innichen hatten sie nicht gerechnet. In Schlanders war schon im Vorfeld dafür gesorgt worden, dass es erst gar keinen öffentlichen Widerstand gibt. Denn woher kommen wohl die höchsten Sanitäts-Vertreter Theiner, Zerzer und Fabi? Richtig, aus dem Vinschgau. Damals hatte man mit der Brechstange eine Neugestaltung durchsetzen wollen. Die neuen Kompetenzzentren wurden ausgerufen. In den kleinen Spitälern sollte nur mehr der Portier sitzen und die Kranken entweder nach Bruneck, Brixen, Bozen oder Meran schicken. Dass ein Sanitätssystem dabei nicht nur aus spezialisierten Zentren besteht, ging irgendwie verloren.
Als die Reform vor zwei Jahren nicht umsetzbar war, wählte man einen anderen Weg, der hinterhältiger und listiger nicht hätte sein können. Jetzt lässt man die besagten Strukturen einfach ausbluten: Primariatsstellen werden nicht nachbesetzt, nur mehr Aushilfskräfte regeln den täglichen Dienst und alle paar Monate wird die Schließung der einen oder anderen Abteilung laut diskutiert. Die vielen Pfleger, Krankenschwestern und Verwaltungsangestellte werden in einer solch mühsamen Diskussion stillschweigend aufgerieben. Welche junge Ärztin will heute noch in ein Krankenhaus, wo nicht sicher ist, ob es morgen noch offen steht? Logischerweise niemand. Und die Patienten werden dadurch auch noch verunsichert. Die Folge: Die Strukturen müssen geschlossen werden, wegen fehlendem Personal. So soll die Schließung doch noch erreicht werden, indem man sich die eigenen Hände nicht öffentlich schmutzig macht.
Da kann ich nur sagen: Bravo. Wieso ist das Südtiroler Sanitätswesen plötzlich abgesackt? Wieso zieht es die jungen Ärzte plötzlich ins Ausland? Wurden die Strukturen vernachlässigt und entsprechend ausgehungert? Mit solchen Fragen sollen sich die Reformer beschäftigen, anstatt an einem Prestigeprojekt wie der „Medical School“ zu arbeiten. Wenn es in den vergangenen Jahrzehnten ohne Ausbildungszentrum keinen Ärztemangel gegeben hat, dann wird es auch nicht besser, indem man so etwas schafft. Südtirols Sanität muss für junge Ärzte reizvoll sein. Das hat nichts mit spektakulären Patientenbehandlungen zu tun. Immerhin wird es auch durch eine „Medical School“ nicht plötzlich mehr Patienten mit ganz besonderen Krankheiten geben.
Südtirol hatte sich dadurch ausgezeichnet, dass es gut funktionierende Krankenhäuser auch in der Peripherie hatte. Dort, wo Ärzte und Patienten sich wohl fühlen. Das alles wird nun aufgegeben. Den genauen Grund kennt niemand. Denn am Geld soll es anscheinend nicht liegen.