Bauernhöfe in Not, von Matthias Mayr, ff, 20. Juni 2013

Architekten und Heimatpfleger kämpfen um den Erhalt der letzten alten Bauernhäuser. Das neue Raumordnungsgesetz könnte die Rettung sein, aber auch der Untergang der alten Baukultur.

Im Juni 2009 brachte Elmar Pichler Rolle, damals Fraktionssprecher im Südtiroler Landtag, einen Beschlussantrag ein. Darin forderte er die Landesregierung auf, dafür zu sorgen, dass ,, der Erhalt alter Bauernhöfe dem Abriss und dem Wiederaufbau grundsätzlich vorzuziehen ist“. 

Vier Jahre später ist Elmar Pichler Rolle Landesrat für Raumordnung und bastelt am neuen Raumordnungsgesetz, das der Landtag in der kommenden Sitzungswoche vom 25. bis 27. Juni behandeln wird. ,,Und muss sich ich an diesen Worten von damals messen lassen“, sagen Wittfrida Mitterer und Gernot Rössler vom Kuratorium für technische Kulturgüter. Sie und der Heimatpflegeverband wollen mit  einem Aufruf, den so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Elmar Thaler, Andreas Fabi, Martha Ebner, Elmar Streitberger und Ennio Chiodi unterzeichnet haben, den ,,mutwilligen Abbruch der alten Bauten“ verhindern. ,,Die vom Gesetz zugelassene Kubaturerhöhung führte meist zum Abbruch der wertvollen alten Gebäude. Viele ehrwürdige Bauernhöfe sind auf diese Weise verloren gegangen und mussten gesichtslosen Neubauten weichen.“

Rund 5.000 denkmalgeschützte Gebäude gibt es in Südtirol, davon sind rund 3.500 Wohn – und Wirtschaftsgebäude, der Rest Kirchen und Schlösser. Daneben gibt es, grob geschätzt, 15.000 Gebäude, die erhaltenswert wären, die aber nicht unter Denkmalschutz stehen. Diese Kategorie fehlt etwa ein Gewölbe oder romanische Mauerreste. Trotzdem stehen sie beispielhaft für Südtiroler Baukultur, für jene malerischen Fotomotive, die Einheimische faszinieren und Touristen ins Land locken. Zur historischen Bausubstanz zählen nicht nur Bauernhöfe, sondern auch Stadt – und Dorfhäuser.

 

,,Uns läuft die Zeit davon“, sagt Albert Willeit, Heimatpfleger aus Gais. Er ist einer der Initiatoren des Aufrufs und hat das neue Raumordnungsgesetz genau studiert. Und fordert die Politik auf, viel mehr zu tun, um das Verschwinden der alten Bauernhöfe zu verhindern. ,,Ich beschäftige mich 25 Jahre mit dem Erhalt von alten Höfen“, sagt er. Es sei auch damals vorgekommen, dass alte Höfe abgerissen anstatt saniert wurden, ,,aber die Entwicklung hat sich seitdem dramatisch beschleunigt. Wir müssen retten, was noch da ist“.

 

Josef Oberhofer, Geschäftsführer des Heimatpüflegeverbands, kritisiert die Aufweichung der Raumordnungsbestimmungen seit der Ära Benedikter, er nennt den heutigen Zustand ,,Raumunordnung“: ,,Viele Artikel sind auf bestimmte Lobbys zugeschnitten“. Fast täglich erreichen ihn Meldungen über vernichtete Altbauten. ,,Die Gemeinden werden immer verschwiegener“, sagt Oberhofer, ,,und stellen uns vor vollendete Tatsachen.“

 

Heute dürfen bei Neubauten in landwirtschaftlichen Grün 850 Kubikmeter neu gebaut werden, wenn das alte Gebäude abgerissen wird. Das sind rund 300 Qudratmeter Wohnfläche und in der Regel mehr als ursprünglich da war. Bei geschlossenen Höfen sind es bis zu 1.000 Kubikmeter. Dazu können noch 350 Kubikmeter für Urlaub am Bauernhof kommen, oder 200 Kubikmeter Kubaturbonus für das Klimahaus. Mitterer und Rössler sprechen von einem ,,Kubaturwahn“, der Südtirol erfasst habe und der weltweit einzigartig sei.

Das Raumordnungsgesetz ist ein zweischneidiges Schwert, sagt Willeit, und zeigt, dass was gut gedacht, nicht immer gut gemacht ist. Denn die Regelung, nach der die alten Häuser bei einem Neubau abgerissen werden müssen, sollte verhindern, dass spekuliert wird, doppelte Kubaturen entstehen oder alte Gebäude dem langsamen Verfall preisgegeben werden. Stattdessen beschleunigt man die  Zerstörung historischer Bausubstanz.

Der Passus bleibt auch im neuen Gesetz erhalten, es soll aber eine Gutachterkommission entscheiden, ob das Haus abgerissen werden darf. Willeit ist mit dem Ansatz von Pichler Rolle grundsätzlich einverstanden, aber er gehe zu wenig weit. Oberhofer sagt, man solle nicht alles an die Gemeinden delegieren, und die ,,Macht der Dorfkaiser“ einschränken.

Erbost ist Willeit über den Passus des Gesetzentwurfs, der die Baukommission großteils ausschaltet, denn über Sanierungen, Um – oder Zubauten bis 20 Prozent des bestehenden Volumens, Fassadenänderungen, Dacherhöhungen entscheidet allein der Bürgermeister. ,,Ein Skandal“, findet Willeit.

Pichler Rolle sagt, der Artikel gehe auf einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Arnold Schuler und Sepp Noggler zurück, die damit die Baukommissionen entlasten wollen.,,Es braucht kein Gutachten der Baukommission mehr, sehr wohl aber die Ermächtigung des Bürgermeisters, nach Prüfung durch das Bauamt der Gemeinde“, sagt der Landesrat. Man arbeite an einer Präzisierung, wo die Grenzen dieser Vereinfachung liegen.

In der Bevölkerung gebe es den Wunsch, alte Gebäude zu erhalten, sagt Willeit. Schwieriger zu überzeugen seien oft Planer, Handwerker und Bauherren, denn abreißen und neu bauen ist viel einfacher. Die Gründe für den Abriss liegen auf der Hand: Wer neu baut, wird mit einer Kubaturerhöhung belohnt, die Kosten eines  Neubaus sind klarer abzuschätzen als eine Sanierung. Zudem kann man im alten  weiter wohnen, bis das neue steht. Für viele der Bauherren ist der Denkmalschutz ein rotes Tuch, bringt er doch viele Einschränkungen mit sich. Der Ensembleschutz ist weniger streng, kann aber auch so manche Baupläe durchkreuzen.

,,Die Leute brauchen keine Angst zu haben“, sagt Oberhofer, ,,der Ensembleschutz ist keine Käseglocke, sondern eine Nachdenkpause, damit man zweimal überlegt, ob und was man ändert“. Wie einschränkend der Ensembleschutz konkret ist, darüber gehen die Meinungen aber auseinander.

Deshalb sei es wichtig, noch vor  finanziellen  Anreizen die Menschen für die alten Bauten zu begeistern, sagt Willeit. ,,Erst wollen sie abreißen“, sagt der Architekt, ,,aber wenn ich ihnen Beispiele von renovierten Höfen zeige, bekommen sie Freude am eigenen Haus und tun sich auch einiges an, um es zu erhaten.“

Dazu kommt eine politische und auch eine finanzielle Komponente: Die Politik solle in Zukunftz mehr Gebäude unter Schutz stellen, nicht nur  unter Denkmalschutz:,,Der Schutz verlangt nicht, dass man ein Haus im Orginalzustand erhält. Er soll verhindern, dass man es leichtfertig abreißt.

Außerdem sollen, geht es nach dem Willen der ruind 100 Unterzeichner des Aufrufs, Beiträge umgeschichtet und Sanierungen stärker als Neubauten gefördert werden. Und man müsse klar machen, sagt Willeit, dass das Haus unwiederbringlich weg ist: ,,Es gibt so viele pseudorustikale und pseudomoderne Häuser und Höfe, die so oder so ähnlich auf der ganzen Welt stehen könnten“, sagt Willeit. Damit würde der Charakter des Lokalen kaputt gemacht.

Über hundert Unterzeichner des Aufrufs wollen ,,keine Ortsbilder, die aussehen wie Erweiterungszonen“. Allein in Gröden wurden laut einer Studie des Institutes für Baugeschichte zwischen 1960 und 2013 rund 70 Prozent des Altbestandes zerstört.

Es sind diese Fakten, die Gernot Rössler zu einer harten Aussage verleiten:,,Was der Faschismus in Südtirol nicht vermochte, schaffen wir jetzt ganz alleine.“

 

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