TTIP: Fritz Gurgiser an Georg Hoffmann-Ostenhof

Antwort auf Kommentar auf profil.at, 18.01.2014

Sehr geehrter Herr Georg Hoffmann-Ostenhof,
allein Ihr Schlusssatz „All das sollten die kleinmütigen und ängstlichen Freihandelsgegner bedenken“ ist eine Beleidigung für jeden Menschen, der sich mit dieser Materie auseinandersetzt.

Auch ich gehöre seit Jahrzehnten zu der Minderheit in diesem Land, die sich sehr intensiv, sehr arbeits- und zeitaufwändig und sehr engagiert mir solchen Sachen auseinandersetzen (neben einem Vollzeitjob in einem kleinen Metallgewerbebetrieb mit rund 50 MitarbeiterInnen, wo ich mit allen „Feinheiten des liberalisierten, aber nicht harmonisierten Marktes“ konfrontiert bin). Als Praktiker und nicht als Theoretiker.

Und wenn Sie daher die EU glorifizieren, dann ist das Ihre Meinung, die ich durchaus respektiere.

Sie sollten sich dann aber genauso konkret mit den Vorstellungen auseinandersetzen, auf deren Basis der Binnenmarkt geschaffen wurde: Um die seinerzeit hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren – heute haben wir mehr denn je Arbeitslosigkeit, geringfügig Beschäftigte oder andere seltsame Beschäftigungsverhältnisse nach dem Prinzip „Zum Leben zu viel, zum Sterben zu wenig“ – und zudem ist parallel dazu die Schuldenlast der Mitgliedstaaten gestiegen, dass es einer Sau graust (um es milde tirolerisch zu formulieren).

Dass in den USA der gesamte Fleischmarkt von nur 5 Konzernen abgewickelt wird, ist auch ein Indiz dafür, dass es um Masse statt Klasse geht, dass es um das Verdrängen jeder gesunden, intakten Kreislauf- und Regionalwirtschaft geht.

Wo ist die Harmonisierung des Binnenmarktes geblieben, auf die wir seit dem Beitritt warten – „auf hohem Niveau“, wie der damaligen Wählerschaft VOR der Abstimmung am 12. Juni 1994 von allen PolitikerInnen, Wirtschaft und Industrie und allen Medien vorgegaukelt wurde? Der heutige „Binnenmarkt“ ist daher nichts anderes als ein Gebilde von 28 Staaten, die sich gegenseitig konkurrieren, statt nach außen stark aufzutreten.

Daher bitte ich um Verständnis: Ihre „Meinung“ ist bedauerlicherweise von einem hohen Maß an Oberflächlichkeit bis hin zur Uninformiertheit geprägt, um im Schlusssatz einseitig diese Freihandelszone zu hofieren und diejenigen, die sich mit der Materie befassen, gleich noch als „ängstlich und kleinmütig“ zu bezeichnen. Das ist ein Unsinn, es sind Menschen, die sich Sorgen machen und die das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ohne Diffamierung und Diskreditierung genauso ausüben können, wie alle anderen, die viel versprechen, aber immer weniger halten.

Stellen Sie sich daher nicht nur die Frage, was die „Gegner eines transatlantischen Freihandelsabkommens treibt“, sondern stellen Sie sich vielmehr die Frage, was denn die Befürworter treibt. Das, was sie uns vorgaukeln, jedenfalls nicht. Denn Ziel eines derartigen Abkommens ist es nicht, Wohlstand in der Bevölkerung zu schaffen und Arbeitslosigkeit zu verringern, sondern es ist immer Ziel, noch „effizienter“ zu werden und den gesamten Industrieramsch loszuwerden.

Als bestes Beispiel dafür ist das Faktum zu werten, dass mittlerweile rund die Hälfe (50 %) aller erzeugten und geernteten Nahrungsmittel den Weg nicht zum Konsumenten, sondern zum Müllplatz finden. Durch das hochsubventionierte globale Hin- und Hergekarre auf dem Wasser, dem Land und zur Luft und dem Irrtum des „grenzenlosen Wachstums“.

Warum das von Ihnen beschriebene „fantastische ökonomische Wachstum“ auf der anderen Seite zu immer mehr „fantastischen Wachstum von Schuldenbergen in den Mitgliedstaaten“ – da sind uns die USA auch noch voraus – und zu immer mehr „fantastischem Wachstum der Jugendarbeitslosigkeit“ führt, dann dürfte das „fantastische ökonomische Wachstum“ in eine falsche Richtung gehen:

Statt Wohlstand, gut bezahlten Jobs und Schuldenabbau wachsen fallweise die Aktienkurse, bis wieder die eine oder andere Blase den Weg einer Seifenblase geht – zu Lasten der „kleinmütigen und ängstlichen“ SteuerzahlerInnen, die dann zum „Brennen“ gut genug sind.

Vielleicht ist Ihnen die REALE negative Entwicklung des Binnenmarktes auch eine „Meinung“ wert – denn sie kann nicht verbessert werden, wenn die eigenen Schwachstellen wieder damit überdeckt werden sollen, indem der Handel ausgedehnt wird.

Sie haben mich motiviert, einen Nebenordner zu eröffnen, denn wir sollten aus der Vergangenheit „lernen“ und nicht die Fehler fortschreiben J

LG
Fritz Gurgiser
Abonnent
Vomp
21.01.2014

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