Arnold Tribus: Ethnische Barbarei, TZ, 150211

Was in diesen Tagen in und um Südtirol passiert, grenzt an ethnische Barbarei. Unvorstellbar und sehr besorgniserregend, was da alles auf uns deutsche Südtiroler zugekommen ist, wieviel Hass versprüht wird, tagtäglich, wie viel besserwisserische Arroganz, wie viel offener und versteckter Faschismus. Es genügte, dass der Herr Landeshauptmann in seiner harschen Art mitteilte, er werde nicht an den Feierlichkeiten zum 150. Jahrestag der Einigung Italiens teilnehmen, und schon geht eine Lawine der Entrüstung los, von gewisser Presse in unverantwortlicher Weise geschürt. Um klar zu sein: Persönlich bleibe ich der Meinung, dass der Herr Landeshauptmann schon aus Wohlerzogenheit und Respekt dem Staatspräsidenten gegenüber, der ihn geladen, an den Feierlichkeiten hätte teilnehmen sollen. Er wäre dort sicherlich nicht als „Italiener“ verwechselt worden, hätte er seine ethnische Diversität besonders betonen wollen, hätte er nur seine Schützentracht anziehen müssen, mit der er uns zur Zeit in den nationalen Medien präsentiert wird. Es wäre ganz einfach gut gewesen für das Land, wenn er dort mit dem ihm eigenen Stolz unsere Autonomie vertreten hätte, die er nun wieder wüsten Angriffen aller Neider ausgesetzt hat. Die italienischen Landesräte haben ja auch eine klägliche Rolle gespielt, „in der Landesregierung waren sie still“, sagt der Landeshauptmann, nun wollen sie gehen, aber sie dürfen nicht als offizielle Vertreter des Landes gehen, was wiederum böses Blut macht. Und der Hinweis, dass Tommasini und Bizzo ja gehen dürften, ist auch peinlich, denn die Einladung ging an ihn, undzweitens brauchen die italienischen Landesräte keine Erlaubnis des Landeshauptmannes, um irgendwohin zu gehen.
Gut, das alles rechtfertigt nicht die hysterische Reaktion der Italiener, die nun auf uns zukam. Da genügte ein Satz des sonst von allen verehrten und auch geliebten Durni, immerhin haben ihn ja 7.000 Italiener gewählt, und schon geht das in die Brüche, was man das friedliche Zusammenleben nennt, die pacifica convivenza. Es gibt sie nicht, merkt man jetzt plötzlich, wir leben in einem verlogenen Scheinfrieden, im Nu brechen alle nationalistischen Vorurteile wieder aus, da wird Faschismus in Reinkultur gepredigt, der Landeshauptmann abgeschwatscht wie ein Rotzbub, weil er nicht gefolgt hat, weil er nicht das tut, was man sich dort vorstellt. Wie ein faschistischer Podestá hetzt da einer in der italienischen Zeitung, er weiß, wo es langgeht, so und nur so, wir haben eine italienischen Provinz zu sein, und es ist ja betrüblich, dass sich der Grüne Hans Heiss, der Liberale, in der linken „Repubblica“ zitieren lässt, dass „il nostro presidente Luis Durnwalder é un mercante di buoi, ma il suo mestiere lo sa fare.“ (Ach, wie kritisch und cool, dieser Heiss!) Passt so wunderbar zu den unqualifizierten Aussagen des PD-Bürgermeisters von Turin, Chiamparino, der uns empfiehlt: „Vadano con gli austriaci“, während ein weiterer PD-Bürgermeister, der sympathische Renzi, von Durnwalder das Geld zurück will, das er von Italien erhält. Überhaupt geht es immer ums Geld. Die Internetforen der Zeitungen sagen eigentlich alles, wie unser Land respektiert wird, unsere Autonmie. Das ist Deutschenhass pur. Wir sollen Schafe sein, wenn wir nicht tun, was die Italiener wollen, dann sollen wir zum Teufel oder aber es soll uns der Geldhahn abgedreht werden, immer in der festen Überzeugung, dass wir da auf Kosten der Italiener lebten, weil wir ja nichts hätten. Pathetisch die Drohungen, nicht mehr in den Urlaub zu uns zu kommen wegen eines Satzes von Durnwalder. Das sagen die, die alle nach Sharm el Sheik oder nach Hammamet fahren und nie gemerkt haben, dass dort die Diktatoren Mubarak und Ben Ali herrschten.
Wer sich über diese faschistische Orgie freuen wird, ist Eva Klotz. Der Geist des Siegesdenkmals ist aktueller denn je, da braucht es keine Tafeln.
Es ist zum Weinen.
arnold.tribus@tageszeitung.it

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