Brief an die Mitglieder der Landesregierung (23. Juni 2011): Keine Erschließungsstraße zur Oberen Kofleralm in Rein (Rekurs),

Bozen, 23. Juni 2011

An die
Mitglieder der Südtiroler Landesregierung

Bau des Wald- und Almerschließungsweges „Oberkofleralm“ / Rekurs gegen negatives Gutachten

Keine Erschließungsstraße zur Oberen Kofleralm in Rein

Sehr geehrte Mitglieder der Südtiroler Landesregierung,

die unterfertigten Verbände Alpenverein Südtirol, Heimatpflegeverband Südtirol und Dachverband für Natur- und Umweltschutz möchten Ihnen aufgrund der anstehenden Entscheidung der Landesregierung zum Rekurs der Landwirtschaftlichen Bezirksgenossenschaft Kofleralm gegen das negative Gutachten der II. Landschaftsschutzkommission nachstehende Argumente zur Kenntnis bringen und Sie höflichst bitten, Ihre Entscheidung dahingehend auszurichten.

Folgende Argumente sprechen gegen eine Erschließungsstraße zur Oberen Kofleralm:

  • Die Baukommission der Gemeinde Sand in Taufers hat sich öfters mit diesem Thema beschäftigt. Sie hat das vorgelegte Projekt nicht genehmigt, sondern sich für einen noch auszuarbeitenden Kompromiss zwischen Antragstellern und dem Amt für Naturparke ausgesprochen. Leider wurde noch nach keiner Kompromiss-Lösung gesucht.
  • Die zuständigen Fachleute des Amtes für Naturparke sprechen sich strikt gegen dieses Projekt aus. Auch die Landschaftsschutzkommission hat das Projekt abgelehnt. Wir appellieren an die Landesregierung, die Gutachten der eigenen Experten und Fachgremien zu respektieren und nicht wie in anderen Fällen einfach zu übergehen.
  • Die Kofler Almen befinden sich im Naturpark und Natura-2000-Gebiet Rieserferner-Ahrn.Die Verpflichtung für ein Natura-2000-Gebiet besteht darin, das Gebiet in seinem Naturwert zumindest nicht zu verschlechtern. Der Bau der Straße garantiert das keineswegs, vielmehr ist zu befürchten, dass die Eingriffe in die Natur und die´Folgeerscheinungen einer Straßenerschließung die Ursprünglichkeit und den Naturwert vermindern, wie auch im Natura-2000-Verträglichkeitsgutachten angeführt wurde. Im Managementplan des Natura-2000-Gebiets, welcher von externen Fachgutachtern verfasst wurde, heißt es bezüglich Straßenbau zudem: Es ist zu prüfen, ob die Straße tatsächlich erforderlich ist und ob eine andere Erschließungsform (z. B Seilbahn) nicht schonender und damit mit den Schutzzielen des Naturparkes kompatibler wäre. Generell ist festzuhalten, dass die Fortsetzung der Bewirtschaftung der Kofler Alm für die Lebensraumvielfalt des Naturparks von Bedeutung ist, der Straßenbau jedoch einen erheblichen Eingriff in die Waldlebensräume darstellen würde.
  • Die geplante Straßentrasse ist als LKW-Straße konzipiert – der obere Teil als Traktorstraße.

Der Begriff „Traktorstraße“ impliziert keine spezifischen Merkmale wie Breite u. Steigung

und in der Praxis sind Traktorstraßen meist auch LKW-tauglich.

  • Verkehr: in der Bezirksgenossenschaft Kofleralm scheinen 15 Besitzer auf. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich das Verkehrsaufkommen nicht alleine auf die Grundbesitzer beschränkt, sondern dass zahlreiche weitere Fahrgenehmigungen ausgestellt werden.
  • Finanzierung: Die Kosten für Erschließungsstraßen zahlt fast ausschließlich das Land (ca. 80%); Projektierung und Bauleitung übernimmt die Forstbehörde, Instandhaltungsarbeiten werden z. T. vom Amt für Naturpark übernommen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass privates Interesse größtenteils mit öffentlichen Mitteln finanziert wird und gleichzeitig Schutzziele beeinträchtigt werden. Anstelle einer großzügigen finanziellen Unterstützung für den Straßenbau sollten umweltschonendere Alternativen gefördert werden.
  • Das betroffene Gebiet ist z. T. sehr steil und es gibt zahlreiche Rinnsale, Bächlein und Wasserstellen. Der Bau der Straße durchquert mehrere dieser Oberflächengewässer und stellt diesbezüglich einen nicht zu unterschätzenden Eingriff in den Wasserhaushalt dieses Gebietes dar.
  • Die Eingriffe in die Landschaft und die zu erwartenden Folgeerscheinungen stehen in keinem Verhältnis zu dem dargestellten Nutzen für die Bewirtschaftung der Alm. Die Verstrauchung der Alm wird dennoch weitergehen. Pflegemaßnahmen wie Entstrauchungen können auch ohne Weg gemacht werden.
  • Folgeerscheinungen durch Zufahrt: meistens folgen Planierungen, Entwässerungen, Steinentfernung, Futter- und Gülletransport aus dem Tal. Schade ist auch, dass urtümliche Almhütten meist nicht saniert sondern abgerissen und neu errichtet werden – oft in unpassender „neumoderner“ und kitschiger Form. Damit geht der Charakter einer Alm verloren.
  • Neuerdings besteht in manchen Gebieten die Tendenz, das gesamte Vieh im Sommer vom Tal auf die Alm zu verlegen und die Kühe dort im Stall zu lassen. Auf der Steger-Alm (2.000 m Meereshöhe) in Prettau wurde aus diesem Grund sogar eine Anlage zur Schwemmentmistung errichtet. Oft reicht das vorhandene Futter auf der Alm nicht aus und dieses muss zusätzlich vom Tal angeliefert werden. Durch das Missverhältnis zwischen Tieren und verfügbarer Weidefläche fällt mehr Mist und Gülle an, als die Almvegetation verträgt.
  • Walderschließung: Die forstwirtschaftliche Nutzung des Bergwaldes spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Notwendigkeit einer Straßenzufahrt für die Holznutzung ist nicht gegeben. Die Verwendung von Seilkränen zur Holzbringung ist wesentlich umweltschonender und erfüllt denselben Zweck.
  • Eine Genehmigung wäre ein schwerwiegender Präzedenzfall, weil in Rein seit längerem Bestrebungen für die Erschließung weiterer Almen im Gange sind: u. a. die Almen unterhalb der Kasseler-Hütte und vor allem die Durra-Alm. Dort würde ein mehrere Km langer wunderschöner kulturhistorischer Wanderweg durch eine Straße zerstört und für Wanderer unattraktiv. Außerdem gibt es auch kaum eine wirtschaftliche Notwendigkeit, weil dort ja dort bereits eine Materialseilbahn die Alm erschließt! Im gesamten Ahrntal gibt es noch mehrere nicht erschlossene Almen, welche in der Folge sicherlich auch Zufahrtsstraßen erhalten würde.

Die unterzeichnenden Verbände lehnen die Erschließung der Oberen Kofler Alm mittels Forst – bzw. Almstraße strikt ab und ersuchen Sie bei Ihrer Entscheidung die hier vorgebrachten Gründe sowie jene der zitierten Fachgutachten zu berücksichtigen und von diesem Vorhaben abzusehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Ortner, Georg Simeoni, Dr. Klauspeter Dissinger

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