PM Dirdem: Gutachten Rat der Gemeinden

PRESSEMITTEILUNG

Bozen, 16. September 2011

Negatives Gutachten der Initiative für mehr Demokratie
zum negativen Gutachten des Rates der Gemeinden
zum Volksbegehrensgesetzentwurf zur Direkte Demokratie
Der Rat der Gemeinden hat zu dem am 5. Juli 2011 mit 12.556 beglaubigten Unterschriften als Volksbegehren im Landtag eingebrachten Landesgesetzentwurf zur Direkte Demokratie ein negatives Gutachten abgegeben.
Keiner der im Gutachten angeführten Punkte ist wirklich stichhaltig und argumentativ begründet.
Hier die Kritikpunkte im einzelnen und die Gründe, weshalb wir sie zurückweisen:

Der Einwand betreffend die Klausel zum Schutz der Sprachgruppen beruht auf einer falschen Textinterpretation. Die Schutzklausel sieht bei ethnisch sensiblen Fragen nicht vor, dass die Mehrheit in einer einzigen Gemeinde über den Ausgang einer Volksabstimmung entscheidet,  sondern dass es zusätzlich zur Mehrheit der Stimmberechtigten auf Landesebene auch die Stimmenmehrheit der Stimmberechtigten zusammengenommen in jenen Gemeinden braucht, in denen die betroffene Sprachminderheit die Sprachmehrheit darstellt (also z. B. die italienische Sprachminderheit zusammengenommen in den Gemeinden Bozen, Leifers, Pfatten, Branzoll und Salurn). Die Gesetzgebungskommission kann dieses Textmissverständnis leicht beheben.

Der Einwand betreffend die Regelung der auf Teile des Landes beschränkten Volksabstimmungen über Verwaltungsakte verwundert ganz besonders. Sie bezieht sich auf Beschlüsse der Landesregierung, die als von Landesinteresse erklärt worden sind. Immer wieder beschneidet die Landesregierung mit Beschlüssen, die sie als von Landesinteresse erklärt, die Entscheidungshoheit der Gemeinden. Diese Vorgehensweise verletzt, wie schon mehrfach auch vom Staatsrat entschieden, deren Autonomie. Die auf einen Teil des Landes begrenzten Volksabstimmungen über Beschlüsse der Landesregierung geben der Bevölkerung das Recht zurück, darüber zu entscheiden, was auf ihrem Gemeindegebiet geschehen darf und was nicht. Es verwundert also sehr, dass gerade der Rat der Gemeinden, der ja die Autonomie der Gemeinden hochhalten müsste, einen solchen Selbstschutz ablehnt.

Die Behauptung im Gutachten, es könnten alle Beschlüsse der Landesregierung Volksabstimmungen unterworfen werden, ist schlichtweg falsch. Ausgenommen sind vielmehr jene von lokalem oder individuellem Interesse, wenn sie nicht eine bestimmte Ausgabenhöhe übersteigen und Projekte betreffen, für welche die Umweltverträglichkeit festgestellt werden muss.

Unverständlich ist die Ablehnung des schwächsten und einfachsten Mitbestimmungsrechtes, des Petitionsrechtes, mit dem Hinweis es bestünde damit die Gefahr, dass die Verwaltungen „lahm gelegt“ wird. Dabei sieht der Gemeindenverband selbst in seiner Mustersatzung für die Gemeinden die Einführung des Petitionsrechtes vor. Das Petitionsrecht wird weltweit ohne diese befürchtete Wirkung angewandt. Selbst die so undemokratisch konstituierte EU hat dieses Recht vorgesehen (siehe http://www.europarl.europa.eu/parliament/public/staticDisplay.do?language=DE&id=49).

Auch die Feststellung, dass die Unterschriftenhürden zu niedrig angesetzt seien, ist unverständlich und widerspricht der Obergrenze von 10 %, die das Regionalgesetz für Volksabstimmungen in den Gemeinden vorsieht. Es ist erwiesen, dass Unterschriften in kleinen Einheiten einfacher zu sammeln sind, als in großen. Deshalb sieht z. B. das Bayerische Landesgesetz zur Direkten Demokratie in den Gemeinden eine Staffelung der Unterschriftenhürde für die Erwirkung von Volksabstimmungen auf Gemeindeebene bezogen auf die Einwohnerzahl vor und gelten effektiv in der Regel für größere Einheiten niederere Hürden. So hat die Gemeinde Bozen die Unterschriftenhürde nicht mit 10 % angesetzt, sondern mit 5 %, die Gemeinde Meran mit ca. 6,5 % und die Gemeinde Leifers mit 7 %. Die Unterschriftenhürde von 2,5 %, wie sie der Gesetzentwurf der Initiative für mehr Demokratie für die Landesebene vorsieht, kann deshalb nicht als zu niedrig bewertet werden.

Abschließend stellt der Rat der Gemeinden in seinem Gutachten fest, dass sich die im Gesetzentwurf vorgesehene Gemeindeninitiative erübrigt, da dem Rat der Gemeinden dieses Initiativrecht schon mit dem LG Nr. 4/2010 zusteht. Für die Initiative für mehr Demokratie ist es ein großer Unterschied, ob dieses Recht vom Rat der Gemeinden ausgeübt werden kann oder von mindestens zehn Gemeinderatsversammlungen, wie es der Gesetzentwurf der Initiative für mehr Demokratie vorsieht. Im einen Fall kann dieses Recht nur der Rat der Gemeinde, der ein von den Bürgermeistern gewähltes Gremium ist, ausüben, im anderen Fall ist es der Gemeinderat als die direkte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde.

Die Initiative für mehr Demokratie lädt im Lichte dieser Entgegnung den Rat der Gemeinden ein, sein Gutachten zurückzunehmen und zu überdenken und regt zum Zweck der guten Verständigung einen direkten Austausch an.

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