ff 39/2011: Interview Florin Florineth

„Südtirol ist politikerhörig“

Der Vinschger Florin Florineth, Professor für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau an der Universität Wien, im ff-Interview: warum die Talbauern in die Pflicht genommen werden sollten, Windräder im Trend sind – und die Südtiroler Politik anarchische Züge trägt.

ff: Mit welchem Blick schaut der ausgewanderte Südtiroler auf sein Heimatland?

Florin Florineth: Ich war unlängst für die zweite Auflage meines Buches „Pflanzen statt Beton“ zum Fotografieren in Südtirol unterwegs. Da habe ich gemerkt, wie sehr sich die Landschaft verändert. Es wird ungeheuer viel gebaut – in urbanistisch durchaus diskutabler Weise. Da scheint mir einiges verkehrt zu laufen. Wenn Kritiker von einer Anlassgesetzgebung sprechen, scheinen sie leider recht zu haben.

Dabei steht Südtirol im Gegensatz zu Tirol in puncto Zersiedelung nicht so schlecht da…
… weil Südtirol von einer anderen urbanistischen Tradition kommt. Weil es Politiker wie Alfons Benedikter waren, die früh Weitblick besaßen und der Zersiedelung Einhalt geboten haben. Benedikters Idee war es, unser Land zu schonen. Sechs Prozent der Landesfläche befinden sich im Tal. Früher war klar, dass damit nicht leichtsinnig umgegangen werden darf. Wenn ich mir überlege, dass jährlich rund 220 Hektar Grün verbaut werden – das entspricht in etwa der Kernfläche der Stadt Meran – dann ist das mehr als bedenklich. Auffallend ist auch die rapide Veränderung der Kulturlandschaft, vor allem im Oberen Vinschgau.

Sie meinen den Obstbau, der jetzt bis zur Malser Haide reicht? Mit den Äpfeln lässt sich nun einmal mehr verdienen als mit Acker- und Viehzucht.
Natürlich müssen die Bauern aus ihrem Boden auch etwas herausholen können. Freisprechen möchte ich die Obstwirtschaft aber nicht: Der Eintrag von Insektiziden und Fungiziden ist zwar verringert worden, gehört aber immer noch zum Alltag. Auch im integrierten Obstbau werden immer noch Herbizide gespritzt, damit das Unkraut nicht als Wasser- und Nährstoff-Konkurrenz aufkommen kann. Viele Bodentiere gehen dabei drauf, sodass dann wieder ausgleichend gedüngt werden muss. Ein Herbizid bleibt eine bodenzerstörende Maßnahme. Beim integrierten Anbau ist man auf der Hälfte des Weges stehengeblieben.

Zurück zu Ackerbau und Viehzucht?
Nicht zurück, sondern vor zu einem natürlicheren Umgang. Gar mancher Bauer übertreibt es nämlich auch mit Gülle und Jauche. Das massive Einbringen von Stickstoff ist mehr als bedenklich. Eine Wiese darf nicht zur Entsorgungsfläche verkommen.

Das Bild des Bauern als Landschaftspfleger greift Ihnen zu kurz?
Es trifft nicht immer und überall zu. Man muss natürlich zwischen Berg- und Talbauern unterscheiden. Ich möchte einfach nur eine größere Umsicht anmahnen. Stichwort Berglandwirtschaft: Mein Bruder hat auf 1.000 Metern eine Berglandwirtschaft, und der Unterschied zu den Talbauern ist krass – auch was die Verdienstmöglichkeiten anbelangt.

Ein Universitätskollege von Ihnen, Wirtschaftsprofessor Gottfried Tappeiner, hat im Vinschger Wind unlängst gemeint, dass Bauern ebenso wie alle anderen Wirtschaftstreibenden Einkommensteuern zahlen könnten. Schon aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit.
Dieser Vorschlag ist gerechtfertigt. Bevor die Unzufriedenheit größer wird, sollte es eine Umverteilung geben. Wer nichts einnimmt, weil etwa die Ernte durch Hagel zerstört wurde, wird auch nichts zahlen müssen. Vielleicht könnte eine Besteuerung der Besser verdienenden unter den Bauern helfen, die bislang starre Förderungspolitik strukturell zu erneuern. In persönlichen Gesprächen habe ich festgestellt, dass die Nichtbesteuerung der Bauern oft auch von diesen selbst als Ungerechtigkeit empfunden wird.

Südtirol – die letzte übrig gebliebene Bauernbastion?
Die Bauern haben fünf Vertreter bei den vergangenen Landtagswahlen durchgebracht. Ihre Lobby ist also im Verhältnis zu den restlichen Gesellschaftsgruppen sehr groß. Früher hat der Bauer die Grundlebensmittel für die Allgemeinheit erzeugt. Es war im Interesse der Gesellschaft, ihre Existenz abzusichern. Wein und Obst sind wunderbare Genussmittel, aber keine Grundnahrungsmittel. Eine Besteuerung dieser Produktion ist legitim. Man spricht nicht umsonst von Land-Wirtschaft.

Ein anderer Universitätskollege von Ihnen, der Algunder Physiker Günther Dissertori, hat den Südtiroler Obstbauern angeraten, wieder zu Ackerbau und Viehzucht zurückzukehren, weil es durch astronomisch hohe Erdölpreise bald keinen ökonomischen Sinn mehr habe, Äpfel tausende von Kilometern herumzukarren.
Kleine regionale Kreisläufe und die Selbstversorgung haben ihren Sinn. Inzwischen ist es höchste Zeit, auf Bioanbau umsteigen.

Agrarlandesrat Hans Berger meint, es gebe hierzulande schon zu viele Biobauern, der Markt sei gesättigt.
Das ist eine scheinheilige Behauptung. Warum setzt Südtirol so viele Äpfel ab? Weil der Markt gut vorbereitet und bearbeitet ist. Es lässt sich auch ein Bio-Obstmarkt werbetechnisch gut bearbeiten. Dafür braucht es jedoch den guten Willen von Landwirtschaftspolitik, Bauernbund und Genossenschaften. Wenn man in ganz Italien gezielt für Bio-Obst Werbung machen würde, ließe sich auch konsequenter eine neue Absatzschiene öffnen. Ein größerer Absatz würde dann auch den bislang noch großen Preisunterschied zum konventionellen Obst verkleinern.

Sie waren einer der Mitbegründer der Umweltschutzgruppe Vinschgau und einer der ersten, die vehement die Vinschger Bahn einforderten. Sind Sie zufrieden?
Ja, sicherlich. Die Vinschger Bahn, die Pusterer Bahn, die City-Busse, der Halbstundentakt – der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ist eine schöne Sache. Es wurde und wird in diesem Land vieles geleistet, das muss man anerkennend sagen. Das Lob geht aber nicht allein an die Politiker. Politikern kommt oft zu viel der Ehre zu. Es sind die vielen Menschen im Hintergrund, die Landesbeamten, die Techniker und viele andere, die die Projekte realisieren. Südtirol ist politikerhörig. Politiker geben Strategien vor, manchmal sonderbare, die die Verwaltungsangestellten dann mit der Realität, den Gesetzen abgleichen müssen. Oft gar keine einfache Arbeit. Ich höre von politischer Seite jedenfalls kaum jemals einen Dank an andere.

Der ehemalige Mobilitätslandesrat von Altlandeshauptmann Silvius Magnago,
Giancarlo Bolognini, hat Sie wegen Ihrer Forderung nach einer Vinschger Bahn
einmal einen Utopisten genannt.

Sind Sie einer?
Nein, ich bin ein verwegener Optimist. Mit der Vinschger Bahn bin ich keiner Utopie nachgerannt. Ich war vielmehr davon überzeugt, dass sie Realität werden kann. Genauso wie ich davon überzeugt war, dass man mit Engagement auch die ehemals geplante 380er-KV-Leitung quer durch den Vinschgau verhindern konnte. Sie wurde verhindert. Wenn eine Idee viele Mitträger findet, wird sie auch realisierbarer.

Das ist der Grundgedanke jeder Volksinitiative.
Wenn einer träumt, dann bleibt ein Traum ein Traum. Wenn viele träumen, dann ist das der erste Schritt zu seiner Verwirklichung. Mein Grundgedanke bei wichtigen Anliegen war es immer, viele Menschen zu finden, die diese Anliegen mittragen. Unsere Arbeit als Umweltschutzgruppe Vinschgau gegen die einstmals geplante Autobahn Ulm-Mailand fruchtete in Südtirol in dem Moment, als viele dagegen auftraten.

Als ehemaliger Vorsitzender des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz schlug Ihnen seitens der Politiker nicht immer Freundlichkeit entgegen.
Ich hatte mit Landeshauptmann Silvius Magnago immer wieder Meinungsverschiedenheiten, aber persönlich haben wir uns bestens vertragen. Magnago hatte die Größe, zwischen Person und Funktion zu unterscheiden. Die jetzige Politik in Südtirol sehe ich zwar nicht mit Argwohn, aber mit großer Skepsis.

Auch weil Naturschützer wie Sie immer weniger gehört werden?
Nicht nur. Weil man Sachen macht, die oft keine Logik haben. Beispiel Straßenausbau: Da wird übertrieben! Nehmen wir den Ausbau der Töll: Da wird kein Dorf entlastet, vielleicht spart man sich eineinhalb Minuten Fahrtzeit, das ist alles. Grauenvoll auch die Umfahrung von Mühlbach, da hätte man eine landschaftsökologischere und viel billigere Variante haben können. Südtirol kann sich offenbar solch einen Unfug leisten. Die Südtiroler Politik erscheint mir wenig zukunftsfähig.

Warum?
Sie gehorcht dem Muster von Actio und Reactio: Sie reagiert zwar auf aktuelle Bedürfnisse und Erfordernisse, ist in ihrem Handeln aber wenig zukunftsorientiert. Die Frage, wo das Land politisch, gesellschaftlich oder ökonomisch in naher Zukunft stehen sollte, wird nicht erörtert. Stichwort Tourismus: Muss jedes kleinere und tiefer gelegene Skigebiet ausgebaut werden, wenngleich die Schneesicherheit in niederen Lagen durch die Klimaänderung abnimmt? Da eine neue Piste zu genehmigen und dort eine wirtschaftlich fragwürdige Aufstiegsanlage, um sie dann mit immensen Subventionen zu realisieren – so etwas ist nicht zukunftsfähig. Das hat mit Konzeptlosigkeit und Anarchie zu tun.

Nennen Sie uns ein konkretes Beispiel.
Vor zehn Jahren hat man am Helm bei Innichen die steile Raut-Piste gebaut. Es wurden Erdbewegungen von 17.000 Kubikmeter genehmigt, doch letztlich wurden 100.000 Kubikmeter bewegt. Es kam in der Folge zu einem großen Murenabgang; noch heute kämpft ein Handwerksbetrieb um die Entschädigung für den Schaden, den die Vermurung seines Betriebs verursacht hat. Die Beamten, die die Arbeiten bei der Raut ursprünglich einbremsen wollten, hat man zurückgepfiffen. Obschon die Landschaftsschutzkommission und der UVP-Beirat jeweils negative Gutachten zum Projekt abgegeben hatten, hat die Landesregierung ihre Experten übergangen. Das ist nicht nur ein Affront gegenüber der Arbeit der eigenen Techniker, das hat mit der erwähnten Anarchie zu tun.

Die Landesregierung stützt sich in solchen Fällen auf externe Gutachten.
Das ist die Praxis, ja. Dabei handelt es sich aber zumeist um ausgesprochene Gefälligkeitsgutachten. Eine mehr als fragwürdige Praxis und eine Verschwendung von Steuergeldern obendrein. Wozu braucht es eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine Landschaftsschutzkommission? Die Freunderlwirtschaft hat in Südtirol besorgniserregende Ausmaße angenommen. Wenn sich Politiker gegen technische Expertisen stellen, sollten sie haftbar gemacht werden. Geschieht ein Unglück, werden immer nur die Techniker zur Rechenschaft gezogen. Ich habe noch nie gehört, dass einem Politiker in diesem Zusammenhang der Prozess gemacht wurde.

Man wird sagen: Klar, Florineth, der Ingenieurbiologie-Professor, stellt sich gegen jede Ski- und Straßenerschließung.
Ich bin nicht justament gegen Erschließungen. Die Bahn von Percha auf den Kronplatz etwa habe ich in einem Gutachten befürwortet – nicht aber die Ried-Skipiste. Man wird doch noch Projekte nach ihrer Sinnhaftigkeit befragen dürfen. Beispiel Zusammenschluss der Skigebiete Helm und Rotwand im Hochpustertal: Was soll der Bau von zwei neuen Skipisten und drei Aufstiegsanlagen in einem bislang teils unberührten Gebiet bringen? Man luchst anderen nahen Skigebieten ein paar Skifahrer ab, aber rechtfertigt das den Ausbau? Eine solche Konkurrenz sorgt dafür, dass benachteiligte Gebiete ihrerseits neue Pisten aus dem Boden stampfen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wir haben es mit einer Verschiebung von einem Gebiet zum anderen zu tun.

Der Zusammenschluss der beiden Skigebiete stört Sie gar nicht aus naturschützerischer Sicht?
Natürlich auch. Man macht dort das Gegenteil von dem, was wir mit Steuergeldern in der Vergangenheit aufwendig zu verhindern versucht haben: Im oberen Einzugsgebiet des Villgrattnerbachs und Kalmbachs haben wir vor Zeiten Hochwaldaufforstungen für einen größeren Wasserrückhalt gemacht. Dort, wo nicht mehr beweidet wird, verdunstet der alpine Rasen weniger als der Wald. Jetzt wird viel Geld aufgewendet, um Schneisen zu schlagen. Eine Skipiste saugt im Vergleich zum Wald höchstens bis zu 20 Prozent Wasser auf. Der Rest fließt ab, mit all den möglichen Konsequenzen für den jetzt schon nicht ganz ungefährlichen Wildbach. Wir haben ein hydrogeologisches Sicherheitsproblem. Als Inhaber eines Lehrstuhls, der sich auch mit Erosion zu beschäftigen hat, weiß ich, dass zusätzliche Bodenverdichtung und Erdbewegungen bei singulären Wetterereignissen die Naturgefahren exponentiell ansteigen lassen.

Was ist mit der Gefahrenzonenplanung?
Die ist noch nicht umgesetzt. Die Gefahrenzonenplanung kommt in Südtirol mit 30-jähriger Verspätung. Naturprozesse wie Steinschlag oder Überschwemmungen hat es immer schon gegeben. Zur Katastrophe wurden sie aber erst durch die Besiedelung. Der Mensch selbst ist es, der die Katastrophe verursacht, wenn er auf einem möglichen Überschwemmungsareal zu bauen
beginnt oder durch Wegebau einem Hang gewissermaßen den Fuß wegnimmt. Die meisten Katastrophen sind selbst verursacht. Da gibt die Urbanistik-Praxis durch ihre Anlassgesetzgebung ein schlechtes Beispiel für das Naturgefahrenmanagement, denn sie erhöht die Risiken. An eine Kosten-Nutzen-Rechnung wird oft gar nicht gedacht.

Sie waren auch bei den ersten Plauser Gesprächen des SVP-Rebellen Arnold Schuler mit von der Partie, einem Versuch, über die Legislaturperiode hinauszudenken.
Schuler war der erste Bürgermeister im Vinschgau, der erkannt hat, dass das Tal keine Schnellstraße braucht, sondern die Rückkehr des Zuges. Ich habe im damaligen Bürgermeister eine andere Art des Politikers erkannt, einen Politiker mit Weitsicht. Ich würde mir in der Politik mehr Schulers und Nogglers wünschen. Es braucht mehr Courage in der Politik. Wir brauchen eine neue Politik, die sich mit Leuten umgibt, die breitgefächert mitdenken und nicht festgefahren sind.

Die beiden SVP-Landtagsabgeordneten stehen bislang ziemlich isoliert da.
Das hat mit ihrem Engagement in der Strompolitik zu tun, bei der sie gegen den Strom schwimmen. Es ist eine große Farce, die sich da in Südtirol abspielt. Stichwort Sel: Das Land erteilt die E-Werk-Konzessionen und spielt über die Sel selbst Kraftwerksbetreiber. Man gibt sich also selbst die Konzession. Das gibt es in keinem anderen europäischen Land. Das ist unlauterer Wettbewerb. Da haben wir wieder diese Anarchie, die politisch gedeckt, ja gewollt wird. Ein zusätzlicher ökologischer Nebenaspekt: Die Restwassermengen werden kaum kontrolliert. Wird doch einmal jemand gestraft, dann wird der Strafbescheid beim allmorgendlichen Bürgerempfang des Landeshauptmannes wieder pulverisiert.

Die Wasserkraft soll in Südtirol an einigen wenigen Orten um die Windkraft ergänzt werden. Einverstanden?
Jeder braucht Strom. Gerade im Vinschgau wird der Strombedarf noch steigen, nicht zuletzt, wenn man davon ausgeht, dass es im Obervinschgau weitere Kühlhäuser für die Obstwirtschaft brauchen wird. Grundsätzlich muss uns jene Stromerzeugung interessieren, die die geringste Auswirkung auf die Umwelt hat. Die Stromgewinnung durch Wasserkraft ist mehr als ausgereizt. Ökologisch schneidet die Windkraft besser ab, stellt aber ein landschaftliches Problem dar, und für den, der nahe an Windkrafträdern wohnt, gibt es ein Lärmproblem. Talsohlen wie die Malser Haide halte ich für die Windkraft deshalb nicht geeignet. Besser erscheinen mir Anhöhen, wo es größere Windsicherheit gibt und die kaum einsehbar sind.

Mit Windkrafträdern auf unseren Bergen haben viele ein Problem.
Das mag sein. Vielleicht ist man da mitunter auch zu blauäugig. Fakt ist: Der Strombedarf wird steigen und Atomstrom ist nicht gefragt. Also was tun? Die Suche nach dem geringsten ökologischen Schaden führt zum Windrad.

Den Südtiroler Teil des Nationalparks Stilfserjoch wird Südtirol verwalten. Ein Grund zur Freude für Sie als Vinschger?
Durchaus. Die Naturparke in Südtirol werden bereits gut verwaltet. Wenn jetzt der bislang ungeliebte Park unter Südtiroler Kontrolle fällt, wird man sich vielleicht mehr mit ihm identifizieren können, auch könnte die eine oder andere unsinnige Bestimmung endlich gekippt werden. Aber Grund zur Freude gibt es nur, wenn sich die Politik nicht einmischt. Das betrifft im übrigen auch die Jagdpolitik – nicht nur innerhalb des Nationalparks.

Die Kontrollinstanzen, die Außendienststellen des Amtes für Jagd und Fischerei, werden jetzt aber aufgelassen.
Damit kommen die Jäger und der Jagdverband zu einem Blankoscheck. Das wäre dasselbe, als wenn ich die Agenda der Gesundheitshygiene dem Tourismusverband in die Hand gäbe. Dass es so etwas überhaupt gibt, ist eine Farce. Es ist ein großes Südtiroler Paradoxon: Auf der einen Seite ein relativ gutes Verwalten und Wirtschaften, auf der anderen Seite die blanke Anarchie.

Von Ihnen wird der Satz kolportiert : Je höher die Jägerdichte, umso größer die Wildschäden.
Ich habe diesen im Umkehrschluss getätigt: Wenn man die Wilddichte verringern will, muss man die Jägerdichte verringern. Man braucht eine erkleckliche Zahl an Hirschen, um die Bedürfnisse aller Jäger eines Reviers zu decken. Das heißt, es braucht eine Überhege, um eine gewisse Anzahl an Hirschen zum Abschuss freizugeben. Die Waldschäden sind vorprogrammiert, ebenso die Schäden in Kulturgründen, weil das Rotwild sich sein Futter dann auch außerhalb des Waldes sucht. Das hat zusätzliche Auswirkungen auf den Schutzwald, der uns vor Naturgefahren bewahren soll.

Der Forstabteilung steht politisch ein Jäger vor.
Irgendwann braucht es auch in der Landespolitik eine Änderung. Der Landeshauptmann hat sicher sehr viel für das Land getan. Darunter fällt auch die Zusammenführung der Sprachgruppen. Durnwalder konnte vieles entkrampfen. Aber es ist Zeit für einen Wechsel.

Immerhin möchte der Landeshauptmann kluge Köpfe ins Land zurückholen.
Südtirol hat einen großen Nachholbedarf, wenn es darum geht, seine so genannten klugen Köpfe zurückzuholen. Momentan beschränkt sich dieser Bedarf an der Universität Bozen eher auf die Rückholung pensionierter Uni-Professoren. Das ist keine sonderlich zukunftsträchtige Option, denn mit 65 oder 70 Jahren leistet man nun mal weniger als mit 40 oder 50 Jahren.

Wie sehen Sie als Universitätsprofessor die Universität in Bozen?
Man sollte keine Konkurrenz zu bestehenden Unis in der Nähe aufbauen, sondern eine Ergänzung dazu. Auf gewisse Fächer wie Medizin oder Naturwissenschaften kann man verzichten, weil es da sehr gute Unis in der Nähe gibt.

Ihr Fach müsste eine große Zukunft haben.
Die Distanz zwischen Mensch und Natur wird immer größer und die Überhitzung in den Städten ist sehr stark. Mit Pflanzen können wir gegensteuern. Zur Zeit werden auf den Obstmagazinen sehr viele Photovoltaikanlagen installiert. Man könnte hektarweise Dachbegrünungen machen, könnte mehr Fassaden begrünen, um damit den Siedlungsbereich lebbarer machen.

Was ist Ihnen wichtig, den Studierenden zu vermitteln?
Pflanzen sind ein nachhaltiger Baustoff, meine Studierenden sollen lernen, damit zu arbeiten. Sie sollen verstehen, dass es um ein Wirtschaften für die Zukunft geht. Pflanzen sind nicht nur schönes ästhetisches Rankwerk. Das Leitbild unseres Institutes ist Sicherheit und Lebensqualität durch die Pflanze. Wir können die Natur nicht weiter ausbeuten wie bisher.
Interview Markus Larcher

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