Sonntagsblatt, 20.11.11: Politische Stromschläge

von Hans Karl Peterlini

Die Ermittlungen und Eklats rund um die Südtiroler Stromgesellschaft SEL sind ein Alarmzeichen für das ,,System Südtirol“. Mit der Brandmarkung einzelner ist es nicht getan.

,,SEL woll“ – der Volksmund hatte vorige Woche schnell eine Formel dafür gefunden, was bis dahin gemunkelt und, meist allgemein, auch ausgesprochen worden war: dass Südtirol in einer Welt wirtschaftlich -politischer Verstrickung schwerlich eine heile Insel sein kann, in der nur sauber, ordentlich und gemeinnützig verwaltet wird. Treuhandgesellschaften, die Verflechtung öffentlicher und privater Interessen traten offen zutage, auch diesseits einer erst zu prüfenden strafrechtlichen Relevanz.

Ein kleines Land mit viel Macht

Politisch ist der Schaden bereits angerichtet. Wenn bedacht wird, dass die Energie eine der großen, lange vergeblich eingeforderten Zuständigkeiten war, kann aus dem SEL- Skandal nur ein traurige Schlussfolgerung gezogen werden: Nämlich: Autonomie schützt vor Freunderlwirtschaft nicht, im Gegenteil, Freunderlwirtschaft scheint sogar einen guten Humus in unserem politischen System gefunden zu haben.

Auffallend ist vor allem das in jeder Hinsicht fehlende Unrechtsbewusstsein der Akteure, ja es darf sogar vermutet werden, dass sie – mehr oder weniger – im Gefühl gehandelt haben, sich ihre Nebentätigkeiten und Privatbeteiligungen zu verdienen und damit letztlich jener Sache zu dienen, für
die sie zu Pionieren auserkoren worden waren. Dass einzelne einer Versuchung nicht widerstehen und die Grenzen ihres Amtes übersehen, ist bedauernswert, aber auf Grund einer rundum beschädigten politischen Kultur – ziemlich gegenwärtig. Die Einzelnen zur Rechenschaft zu ziehen,
ist Aufgabe der Justiz, sofern Vergehen vorliegen; die Politik hat darüber hinaus eine größere Aufgabe: Sie muss ihr eigenes System hinterfragen.

Die SEL ist ein typisches Beispiel für Südtirol in jüngerer Zeit: Das Land hat viel Macht an sich gezogen, aber nicht dezentralisiert, wie etwa im Stromgeschäft durch eine viel größere Beteiligung der Gemeinden möglich gewesen wäre: es hat auch keine echte Privatisierung durchgeführt, was für das Gemeingut Wasserkraft wohl gut war, sondern es hat ,, scheinprivatisiert“.

Das Geld stammt von der öffentlichen Hand, aber geschaltet und gewaltet werden konnte privat, mit eingeschränkter Kontrolle und einem verkümmerten Gefühl für öffentliche Verantwortlichkeit.

Dazu kommt die Kleinheit des Landes: Wo so viel Macht auf so wenige konzentriert ist, läuft Politik mehr noch als sonst Gefahr, Posten und Positionen nach Cliquen zu besetzen. Es ist an der SEL beeindruckend zu sehen, wie einige Aktien eines Radiosenders besitzen und wie sie mit jenen verkuppelt sind, die sie ernannt haben, die sie kontrollieren müssen hätten und die jetzt im Brustton der Entrüstung die Nachfolger ernennen.

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