ff 17/2012: Thomas Benedikter – Fakten zur Steuerdebatte

Noch nicht im „Monti-Zeitalter“ angekommen

Tourismusabgabe, Imu, Irpef, Wirtschaftsförderung: Der Wirtschaftsexperte Thomas Benedikter über die Versäumnisse der Landesregierung und ungeliebte Steuerwahrheiten.

Kurtaxe, Tourismusabgabe und Imu-Umsetzung: Zum ersten Mal sieht sich das Land Südtirol in der Pflicht, seine begrenzten Kompetenzen in der Steuerpolitik zu nutzen. Bislang ging es immer nur um die Bedienung der Interessen der Wirtschaftsverbände – Beispiel Irap-Senkungen. Jetzt steht die Kostenbeteiligung der Verursacher und ein Abgabenbeitrag gemäß Leistungsfähigkeit auf der Agenda. 

Bei der Kurtaxe geht es um nichts anderes als eine Gebühr, die die Kosten der Tourismuswerbung den Nutznießern und nicht mehrheitlich dem allgemeinen Steuerzahler anlasten soll. Bei der Tourismusabgabe geht es hingegen um einen bescheidenen, aber legitimen Beitrag der Hotellerie und anderer, davon profitierender Branchen zu den tourismusbezogenen Infrastrukturen. Bislang ist immer „das Land“ dafür aufgekommen. Gegen die Kurtaxe im Ausmaß von gerade einmal 18 Millionen Euro und einen Tourismusabgabesatz zwischen 0,1% und 0,2% des Umsatzes haben HGV, LVH und SWR nach einer Woche konzertiertem Sperrfeuer die SVP dahin gebracht, wieder vor den Lobbys in die Knie zu gehen – und das Ganze zu verschieben. Da stellt sich schon die Frage, welche Auseinandersetzungen auf Südtirol zukommen, wenn demnächst wesentliche Kürzungen der Einnahmen des Landes seitens Rom durch lokale Steuererhöhungen aufgefangen werden müssen.

Der Fehler bei dieser Art von Finanzpolitik liegt schon 17 Jahre zurück. Denn auf die Tourismusabgabe, die einzige autonom regelbare Steuer, hat die SVP schon 1994 verzichtet. Man hat fleißig den Werbeaufwand mitfinanziert, den Tourismus auf einen nicht nachhaltigen Wachstumskurs hochsubventioniert und die Hotellerie daran gewöhnt, dass viele tourismusbezogene öffentliche Ausgaben vom Land getragen werden. Nun führt sich der HGV wie ein verwöhntes Kind auf, das mit völligem Liebesentzug droht, wenn eine selbstverständliche Kostenbeteiligung gefordert wird. Diese ist jedoch unumgänglich, denn die krasse steuerliche Benachteiligung der Arbeitnehmer gegenüber den Selbstständigen kann das Land gar nicht durch bloße Mini-Korrekturen beim Irpef-Zuschlag ausgleichen, genausowenig wie die pauschale Einkommenssteuerbefreiung einer ganzen Berufsgruppe, nämlich der Bauern.

In dieser Auseinandersetzung bringen die Unternehmerverbände immer wieder die Litanei „Die Wirtschaft verträgt keine Belastungen mehr“, und zitieren angeblich entrichtete Steuerleistungen von über 70 Prozent des Einkommens, die kein HGV-Meister belegen kann. Amtliche Daten zu den von den einzelnen Branchen und Unternehmen getragenen Steuern gibt es nämlich nicht. Vor Jahren widmete das Wifo dem Thema eine ganze Studie, analysierte aber kurioserweise den formal geschuldeten Steuerdruck, nicht die tatsächlich gezahlten Abgaben. Man weiß, wie viel Irpef Arbeitnehmer, Bauern und Rentner aufbringen, aber es gibt keine Transparenz beim Beitrag der „Wirtschaftstreibenden“ gemäß Kategorie zum Fiskus in Südtirol und damit zum Landeshaushalt. Ohne eine klare Datengrundlage lässt sich auch keine sachliche Diskussion zur Steuergerechtigkeit führen.

Stefan Pan meinte. im Sender Bozen: „Italien hat die höchste Steuerbelastung Europas und Südtirol die höchste Steuerbelastung Italiens.“ Beide Feststellungen sind falsch. Italien hat mit den „Salva Italia“-Maßnahmen zwar zugelegt, liegt aber noch nicht an der Spitze. In Südtirol lag laut Astat die Abgabenbelastung in Bezug auf das BIP 2009 mit 38,5 Prozent deutlich unter dem Wert Gesamt-Italiens und Österreichs sowie unter dem EU-Durchschnitt. Die Lohnabhängigen und Rentner zahlten 2010 zusammen 1.715 Millionen Euro an Irpef, also gut 80 Prozent des Gesamtaufkommens der Irpef (der kommunale und regionale Zuschlag ist da gar nicht berücksichtigt). Die vermögenswirksamen Steuern (Erbschaft, Schenkung, Ici, Wertzuwachssteuer, Steueramnestien usw.) erbrachten gemäß Astat 2009 19,5 Millionen Euro, was 0,42 Prozent des gesamten Steueraufkommens entspricht. Zwar wird die IMU diesen Anteil der Vermögenssteuern etwas erhöhen, doch hätten Arbeitnehmer und Rentner weitaus mehr Grund als der HGV, der SVP zu drohen.
Auf der anderen Seite geht der Unternehmerverband nie genauer auf die Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft ein, deren Umfang in Südtirol wesentlich höher liegt als in Nachbarregionen. Trotz stagnierendem Landeshaushalt sind die Ausgaben für die Wirtschaftsförderung laufend gestiegen und erreichten laut Astat 2009 allein bei den Investitionsausgaben 443 Millionen Euro. Die Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung kosten das Land im Jahr 2012 mit 354,2 Millionen mehr als es mit der Irap insgesamt einnimmt. Nirgendwo kann der Bürger nachlesen, wofür die 141 Millionen ausgegeben worden sind, die 2009 ans Gastgewerbe geflossen sind. Das Land wird schon wissen, warum es im Unterschied zu österreichischen Bundesländern keinen Subventionsbericht herausbringt.

Interessant ist schließlich das öffentliche „Finanzierungsdefizit“ Südtirols, das laut Astat 2009 bei minus 597 Millionen Euro lag. Mit diesem missverständlichen Begriff bezeichnet das Astat einen für Südtirol allbekannten Umstand: Die öffentliche Hand gibt im Land mehr aus als an Einnahmen erzielt werden. Mit dem Mailänder Abkommen vom November 2009 musste Südtirol zwar auf rund 500 Mio Euro verzichten und entsprechend schrumpfte der Landeshaushalt. Nach Montis zusätzlichen Sparmaßnahmen wird es kein derartiges Finanzierungsdefizit mehr geben. Dennoch leistet Südtirol – genauso wie die übrigen autonomen Regionen – noch immer keinen nennenswerten Beitrag zum Staatshaushalt. Dieser Sachverhalt ist für den Wirtschaftsprofessor Monti mit ein Grund, an dem 90%-Rückfluss des lokalen Staatssteueraufkommens ans Land zu rütteln. Wenn Monti und die Nachfolgeregierungen dieses Vorhaben zwecks Stabilisierung der Staatsfinanzen auch nur teilweise umsetzen, kommen andere Einschnitte auf den Landeshaushalt zu.

Das Land wird seinen Spielraum bei den eigenen Steuern und Steuerzuschlägen wirklich nutzen müssen, wenn nicht querbeet massiv gekürzt werden soll. Bestimmte Branchen ganz nach medialer Lautstärke weiter freizuhalten, wird sich als Nachteil erweisen. Somit ist die Einführung der Tourismusabgabe eine Art Nagelprobe dafür, ob die SVP für die finanzpolitischen Anpassungen an die Monti- und Post-Monti-Zeit gerüstet ist. Die Verschiebung der Steuer auf 2014 oder ein neuerlicher Verzicht darauf sind hingegen für Monti ein willkommenes Argument gegen die Erweiterung der Steuerautonomie und für weitere Mittelkürzung: „Wenn ihr Südtiroler nicht mal die einzige schon bestehende autonome Steuer anwendet…“

Thomas Benedikter

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