ff 35/2012: Geerdet in der Luft – Interview mit Armin Wisthaler

ff Südtiroler Wochenmagazin, Nr. 35/30.08.2012 – Der Sterzinger Umweltwissenschaftler Armin Wisthaler untersucht weltweit die Zusammensetzung der Luft. Was ihn sorgt und warum das Land bei der Schadstoff-Problematik entlang der A22 zu wenig tut.

ff: Was macht ein Umweltphysiker?

Armin Wisthaler: Die Umweltphysik ist ein sehr weites Feld. Ich persönlich befasse mich mit Gasen, die in winzigsten Spuren in der Erdatmosphäre vorkommen… ein Gasteilchen in einer Milliarde Luftteilchen, um eine Größenordnung zu nennen. Diese Spurengase werden durch den Menschen, z.B. durch den Verkehr oder die Industrie, oder durch Pflanzen freigesetzt.

Was bewirken diese Spurengase?

Diese Spurengase spielen eine wichtige Rolle bei vielen chemischen Reaktionen, die in der Atmosphäre ablaufen. Sie beeinflussen die Selbstreinigung der Atmosphäre und die Abbau-Dauer gewisser Treibhausgase. Aus manchen Spurengasen entstehen größere Teilchen, sogenannte Aerosole, welche die Sonnenstrahlung reflektieren und absorbieren. Dadurch beeinflussen sie das Klima. Außerdem sind manche Spurengase selbst in geringsten Konzentrationen gesundheitsschädlich. Hier geht es also um Luftverschmutzung.

Tun sich Wissenschaftler schwer, zu vermitteln, was sie machen?

In einer angewandten Wissenschaft, so wie ich sie betreibe, eher weniger. Luftverschmutzung ist ein Thema, bei dem jeder versteht, worum es geht und das jeden unmittelbar betrifft. Natürlich haben Kollegen, die auf anderen Fachgebieten arbeiten, viel öfter ein Problem mit der Vermittlung.

Hat man als Wissenschaftler, der sich mit der Luftverschmutzung auseinandersetzt, eine besondere Verantwortung?

Ich denke, es ist die Aufgabe von uns Wissenschaftlern, die Gesellschaft und die Politik mit Informationen zu versorgen. Ich persönlich finde, ein Wissenschaftler sollte aber weitergehen und auch aktiv in die Entscheidungsfindung eingreifen. Es ist heutzutage so viel Fehlinformation im Umlauf, gesteuert von verschiedensten Interessen. Da muss der Wissenschaftler als glaubwürdige und hoffentlich unabhängige Person auftreten, informieren und agieren. In Podiumsdiskussionen habe ich immer wieder festgestellt, dass die Leute sich auf mich verlassen und mir glauben, nicht den Politikern. Da fühle mich in die Verantwortung genommen.

Sie haben in den vergangenen Jahren viel mit der NASA zusammengearbeitet. Wie kommt man als junger Wissenschaftler zu einer Zusammenarbeit mit der amerikanischen Weltraumbehörde?

Als ich an der Uni Innsbruck meine Diplomarbeit machte, wurde dort ein neuartiges Messgerät zum Nachweis von Spurengasen entwickelt, das sogenannte Protonentausch-Reaktions-Massenspektrometer, kurz PTR-MS. Dieses Messgerät hat sich innerhalb der letzten 15 Jahre weltweit etabliert. Die NASA untersucht neben dem Weltraum auch unseren Mutterplaneten Erde und die Zusammensetzung der Erdatmosphäre. Deshalb war sie an dem PTR-MS und meinem Know-how interessiert. Wir haben mittlerweile schon an drei NASA-Projekten teilgenommen, drei weitere folgen 2013 und 2014. Mit den Top-Leuten in Amerika zusammenzuarbeiten ist großartig, aber es steckt auch unglaublich viel Arbeit dahinter.

Das klingt irgendwie nach dem Alleskönner-Messgerät, wie Mister Spock es weiland der TV-Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ verwendete. Was kann Ihr Gerät?

(Lacht) Nicht alles, aber immerhin verschiedene Spurengase in Echtzeit, also innerhalb weniger Sekunden, messen. Vor fünf Jahren wurden wir erstmals eingeladen, an einer NASA-Mission teilzunehmen. Wir haben das Messgerät auf einem Forschungsflugzeug installiert, um die Luftverschmutzung über dem Nordpol zu messen.

Und was haben Sie herausgefunden?

Dass Waldbrände in Alaska, Kanada und vor allem in Russland, auch wenn sie Tausende Kilometer entfernt sind, die arktische Atmosphäre stark verschmutzen und vermutlich auch zur schnellen Eisschmelze beitragen, da der Ruß das Eis schwärzt.

In welcher Größenordnung muss man sich diese Waldbrände vorstellen?

In Russland brennt pro Jahr im Mittel eine Waldfläche von der Größe Österreichs ab. Russische Kollegen haben uns berichtet, dass die Brände zum Großteil vom Menschen gelegt sind, um die großen Holzstämme, die das Feuer überstehen, dann nach China zu verkaufen.

Ist es nicht frustrierend? Da weist man als Wissenschafter konkrete Zusammenhänge nach, doch die zuständigen Regierungen unternehmen nichts.

Das ist in der Tat ein Problem, denn in der Regel endet unsere Arbeit, sobald die Ergebnisse in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden sind …

… für die meisten Wissenschaftler aber das Höchste der Gefühle.

Natürlich ist eine Publikation in einer möglichst angesehenen Fachzeitschrift erstrebenswert. Heute geht es aber oft nur mehr darum, möglichst viel zu publizieren bzw. viel von Kollegen zitiert zu werden. „Publish or perish“ heißt dies im Englischen, also „publiziere oder stirb“. Aus der Anzahl der Publikationen und den Zitaten daraus wird eine Zahl ermittelt, die beschreibt, wie gut oder wie schlecht ein Wissenschaftler ist. Diese Art der Bewertung gefällt mir persönlich nicht, aber so läuft das nun mal. Auch ich musste mich da anpassen. Als Wissenschaftler, der sich für die Umwelt auch engagiert, möchte ich allerdings mehr erreichen.

Was stört am Wissenschaftsbetrieb?

Dass es mehr und mehr ein Betrieb geworden ist: Projektwerbung, Messungen, Auswertung und Veröffentlichung der Highlights. Dann geht es schon weiter zum nächsten Projekt. Zeit und Geld für sorgfältiges Arbeiten und weitergehende Analysen gibt es selten. Die Zeit zum Nachdenken und zum kritischen Hinterfragen ist rar geworden. Aber ich denke, das ist nicht nur in der Wissenschaft so.

Sie gehören der Gruppe der Union of Concerned Scientists, einer amerikanischen Gruppe besorgter Wissenschaftler, an. Was sorgt Sie?

Global gesehen, wie der Mensch unseren Planeten unumkehrbar verändert. Klimawandel, Landverbrauch, Verlust an Biodiversität, Chemikalienfreisetzung… Der Klimawandel wird uns vor ganz große Herausforderungen stellen, auch sozialer Art; denken wir nur an die Migrationsströme, die es allein wegen des steigenden Meerwasserspiegels und aufgrund von Dürren geben wird. Wir leben in einem Zeitalter, in welchem der Mensch durch sein Handeln das Antlitz der Erde prägt. Im kleinen, lokalen Kontext gesehen, sorgt mich als Umweltwissenschaftler, wie in Südtirol die Luftverschmutzung entlang der Brennerautobahn durch den Transitverkehr zugenommen hat.

Ihr Engagement in Südtirol, das sie seit einigen Jahren an den Tag legen, gefällt nicht allen.

Es geht es nicht darum, zu gefallen – dies ist mein Fachgebiet und ich fühle mich mit Südtirol verbunden. Also muss ich Probleme ansprechen – wenn es andere nicht tun. Es fahren jährlich fast zwei Millionen LKWs über den Brenner. Dies hat zur Folge, dass die Luftqualität in den Kleinstädten und Dörfern entlang der A22 jener in deutschen Großstädten gleicht. Vor wenigen Monaten hat die Weltgesundheitsorganisation Dieselabgase als krebserregend eingestuft. An Spitzentagen fahren 8.000 Lkws durch die Täler und blasen tonnenweise krebserregende Abgase in die Dörfer und Städte. Das muss einfach gesagt werden.

Außerdem wird sogar ein von der EU festgelegter Grenzwert für Stickoxide überschritten...

… ein Grenzwert, der bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel liegt. Er wird entlang der gesamten Brennerautobahn massiv überschritten. Die Landesumweltagentur hat einen Maßnahmenkatalog erstellt und nach Rom geschickt. Ich befürchte aber, dass es angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise zu keinen konkreten Maßnahmen kommen wird. Im Gegenteil, es werden Maßnahmen ergriffen, um den Verkehr zu fördern, denn dieser hängt ja direkt mit dem Wirtschaftsaufkommen zusammen.

Gegenmaßnahmen wie ein Nachtfahrverbot oder eine höhere Maut für den Schwerverkehr waren in Südtirol bislang nie Thema.

Ein Nachtfahrverbot wäre aber sehr wichtig, weil nächtliche Luftinversionen im Winter für hohe Schadstoffwerte im Tal sorgen. Zum Glück gibt es das Nachtfahrverbot in Tirol, damit geht es also am Brenner nicht weiter und das kommt auch den Südtirolern zugute. Die Zuständigkeit, ein Nachtfahrverbot auch auf der A22 einzuführen, liegt leider in Rom. Dasselbe gilt für die Maut. Trotzdem hat man es in Südtirol versäumt, politischen Druck auf Rom auszuüben und insbesondere die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, um zusätzlichen Druck zu erzeugen. Man hat gar nichts getan, oder nur das, was man musste – denn schließlich würde bei weniger Verkehr auch weniger Geld in die Landeskassen fließen.

Der LKW-Parkplatz auf dem Ex-Sadobre-Gelände nahe der Mautstelle Sterzing dürfte kaum dazu beitragen, die Luftqualität vor Ort zu verbessern.

Natürlich nicht, in einem Talkessel wie in Sterzing wirkt sich ein LKW-Großparkplatz besonders negativ auf die Luftqualität aus. Hier könnte man schnell eine Verbesserung herbeiführen, indem man die Zahl der Stellplätze drastisch reduziert. Dies fällt auch nicht in die Zuständigkeit des Staates, hier gibt es also keine Ausreden. Aber diese Möglichkeit wird in den Maßnahmeplänen erst gar nicht erwähnt.

Was steht in diesen von der Umweltagentur ausgearbeiteten Plänen?

Es wird schon klar festgestellt, dass der Grenzwert nur mit weniger Verkehr eingehalten werden kann. Damit wird der Ball an Rom weitergespielt. Aber ansonsten findet man bezüglich Autobahn leider nur sehr wenig. In Sterzing zum Beispiel wird nur abgeschätzt, wie sich die Luftverschmutzung verbessert, wenn man die Lärmschutzwände erhöht. Als ob sich die Luftverschmutzung mit Lärmschutzwänden eindämmen ließe…

Wäre eine Alpentransitbörse, bei der Transitrechte gratis an Transportunternehmen verteilt werden, die freiwillig die Schiene benutzen, um an Fuhrunternehmer versteigert zu werden, die unbedingt die Straße benützen wollen, sinnvoll?

Sehr sogar. Das wäre eine marktwirtschaftliche Lösung – die Anzahl an Transitfahrten würde begrenzt und auf verschiedene Alpenübergänge verteilt, zum Beispiel auf 1 Million Durchfahrten am Brenner. Die Transitrechte würden am Markt gehandelt. Ich bezweifle allerdings stark, dass Italien jemals einer solchen Limitierung zustimmen wird. Die italienische Frächterlobby ist zu stark. Diese hat ja auch unlängst verhindert, dass das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention in Italien ratifiziert wurde. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten.

Zum Beispiel?

Siemens hat jüngst das Konzept des sogenannten eHighways vorgestellt, ein Oberleitungssystem für Hybrid-LKWs, die sowohl mit Strom als auch mit Diesel angetrieben werden. Eine Oberleitung über 300 Kilometer Autobahn von Kufstein bis Verona zu legen, dürfte kein großes technisches Problem sein. Mit gezielten Fördermaßnahmen könnte man eine schnelle Umstellung des Fuhrparks erwirken. Da ist der Bau des BBT schon kostspieliger und langwieriger.

Sie haben sich als Luftverschmutzungsexperte ausführlich mit den Verkehrsströmen auf der Haupttransitroute durch die Alpen befasst. Kann der Brennerbasistunnel denn den Verkehrsdruck von der Autobahn nehmen?

Nein. Was mich bei der Diskussion rund um den BBT stört, ist, dass nach wie vor stur behauptet wird, dass es mit dem Tunnel eine Verlagerung des Schwerverkehrs geben wird. Es ist ganz offensichtlich, dass das nicht der Fall sein wird. Der Zweck des BBT ist es, Mehrkapazitäten zu schaffen, weil die Kapazitätsgrenze der Brennerautobahn in rund einem Jahrzehnt erreicht sein wird – aufgrund der Wirtschaftskrise vielleicht auch erst in fünfzehn Jahren. Ohne vertragliche Festschreibung kann und wird es keine Verlagerung geben. Man muss nur 1 und 1 zusammenrechnen.

Was rechnen Sie zusammen?

Die bisherige Verkehrsentwicklung und den Ausbau der Brennerautobahn. Zwischen Modena und Verona wird eine permanente dritte Autobahnspur errichtet, zwischen Verona und Neumarkt kommt die sogenannte „dynamische“ dritte Spur, also die Öffnung der Notspur zu Stoßzeiten. Es wird zwar immer wieder behauptet, diese werde nur bei Unfällen zum Einsatz kommen. Der ehemalige technische Direktors der Brennerautobahn (Konrad Bergmeister, Anm. d. Red.) hat in einem Fachartikel klar und deutlich beschrieben, was eine solche „dynamische“ Fahrspur bezweckt und bringt, nämlich eine Erhöhung der Verkehrskapazität. In ganz Norditalien wird das Autobahnnetz ausgebaut, deshalb werden jetzt auch Richtung Brenner die Kapazitäten erweitert. Im Wipptal geht das auf der Autobahn nicht, weil diese ja auf Viadukten errichtet ist. Deshalb soll das Mehr an Verkehr hier in den Tunnel. Es geht darum, das Nadelöhr Brenner durchlässiger zu machen.

Sind Sie in der Vergangenheit schon einmal auf Widerstand bei Ihren Forschungen gestoßen?

Einmal ja, und das sogar hier in Südtirol – eine kuriose Geschichte. Ich wollte die Schadstoffbelastung in Schulen und Kindergärten entlang der Brennerautobahn messen und Messungen mit einem mobilen Labor durchführen, um die tatsächlichen Emissionen von LKWs zu messen. Es kommt nämlich weit mehr aus den Auspuffen, als am Papier angegeben oder in der Werkstatt gemessen wird. Das Projekt wurde vom damaligen Chef der Landesumweltagentur (Walter Huber, Anm. d. Red.) zu Fall gebracht, weil solche Messungen keinen „Mehrwert für Südtirol“ erbrächten und man Forschungsergebnisse „aus dem Internet herunterladen“ könne. So etwas habe ich in zehn Jahren Forschung auf drei Kontinenten nur in Südtirol zu hören gekriegt. (Lacht). Damit war das Thema Messungen in Südtirol für mich erledigt.

Hat Südtirol als Forschungsland eine Chance?

Das kann ich schwer beurteilen, ich kenne die Forschungslandschaft hierzulande nicht. Wenn ich aber die Forschungsleistung der gesamten Uni Bozen in Datenbanken nachschlage, so entspricht diese in etwa jener eines einzigen Forschers auf mittlerem internationalen Niveau. Das ist zwar auch wiederum nur eine Zahl, die vieles unberücksichtigt lässt, aber einen Hinweis gibt das schon. Und bei vielen Medienberichten kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hierzulande viel Nabelschau betrieben wird, ohne einen internationalen Vergleich anzustellen.

Wie wirkt sich die aktuelle Wirtschaftskrise auf die Forschung aus?

Sehr negativ, Mittel und Stellen werden immer knapper. Dieser Trend hat sich schon vor der Krise abgezeichnet, aber die Krise verschärft das Ganze.

Leiden auch Sie persönlich unter dieser Entwicklung ?

Auch an der Uni Innsbruck sind die Stellen knapp. Man hat mich dort einfach fallengelassen, nachdem mir jahrelang eine Stelle in Aussicht gestellt worden war. Das war sehr enttäuschend, im Nachhinein gesehen aber eh gut, weil ich daraufhin ein Angebot vom norwegischen Institut für Luftforschung erhalten habe. Ich bin dort jetzt hauptberuflich tätig und mein bisheriger Eindruck ist sehr positiv. Ich verspüre dort negative Entwicklungen in der Wissenschaft weit weniger. Ich kann meine bisherigen Forschungen fortsetzen, soll aber verstärkt die Luftverschmutzung in Innenräumen untersuchen.

Luftverschmutzung in Innenräumen?

Ja, denn wir verbringen 90 Prozent unserer Lebenszeit in Innenräumen. Dort hat die Luft eine andere chemische Zusammensatzung als die Außenluft, sei es, weil Einrichtungsgegenstände Chemikalien an die Luft abgeben, sei es, weil an den Raumoberflächen chemische Reaktionen stattfinden. Wenn ich mein Messgerät in einem Büro einschalte, messe ich mindestens hundert verschiedene Substanzen. Viele davon sind noch unerforscht und dennoch atmen wir sie Tag für Tag ein. Die Chemikalien, denen der Mensch ständig ausgesetzt ist, sind mittlerweile sehr zahlreich und jene in der Innenluft sind noch viel zu wenig untersucht.

Sie haben vor wenigen Jahren in einer aufsehenerregenden Studie mit einem Wissenschaftlerkollegen nachweisen können, dass Ozon sprichwörtlich unter die Haut geht.

Eigentlich geht es nicht unter die Haut, sondern reagiert mit der Haut. Ozon ist ja bekanntlich ein aggressives Reizgas in der Luft, vor dem im Sommer immer wieder gewarnt wird. Wir konnten in Laborstudien nachweisen, dass das Ozon mit menschlichen Hautfetten reagiert und eine Vielzahl von neuen chemischen Stoffen produziert, die zum Teil über die Haut aufgenommen werden, zum Teil aber auch an die Luft abgegeben und dann eingeatmet werden. Wir konnten als erste diese Reaktionen mit unserem Messgerät beobachten und den Mechanismus erklären – das war schon ein wissenschaftliches Highlight.

Stichwort Ozon: Was ist aus dem Ozonloch geworden?

Die Ozonlochproblematik ist ein Beispiel dafür, dass die Politik durchaus in der Lage ist, global zu handeln, um Umweltprobleme zu lösen. Die Ozonschicht in Höhen über 10 Kilometer schützt die Menschen vor gefährlichen UV-Strahlen. Die Wissenschaft hat erkannt, dass diese Schicht durch gasförmige Halogenverbindungen zerstört wird, worauf die Herstellung dieser Substanzen verboten wurde. Jetzt dauert es zwar noch Jahrzehnte, bis diese Stoffe aus der Atmosphäre verschwunden sind, aber das Ozonloch schließt sich ganz langsam wieder. Die Wissenschaftler hoffen, dass Ähnliches mit dem Kohlendioxid gelingt, wobei dies natürlich viel komplexer ist, weil es schwierig ist, auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Solange in China jede Woche ein Kohlekraftwerk ans Netz geht, habe ich wenig Hoffnung.

Wurde jemals versucht, Einfluss auf Ihre Forschungsergebnisse bzw. deren Veröffentlichung zu nehmen?

Bei meiner eigenen Arbeit niemals – nicht einmal, als ich für die norwegische Ölindustrie gemessen habe, ob sie krebserregende Substanzen freisetzt. Einmal habe ich allerdings versucht, von einem Kollegen die Ergebnisse einer Studie zu Gesundheitsauswirkungen des Transitverkehrs im Wipptal zu erhalten. Ohne Erfolg, denn die finanzierende BBT-Gesellschaft hat die vollständige Veröffentlichung der Studie jahrelang verhindert. Erwähnenswert ist, dass der Vorstand ebendieser Gesellschaft auch der Präsident der hiesigen Universität ist…

Auch in Südtirol glaubt eine kleine Gruppe von Bürgern und auch Bürgermeistern, dass Flugzeuge Chemikalien versprühen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Sind Sie bei Ihren Messungen denn jemals auf „Chemtrails“ gestoßen?

Chemtrails gibt es definitiv nicht. Um Chemikalien klimawirksam einzusetzen, müsste man sie sehr hoch in der Atmosphäre versprühen. Da kommen normale Flugzeuge aber gar nicht hin. Außerdem waren wir mit bestens ausgestatteten fliegenden Labors rund um den Globus im Einsatz. Wenn da irgendwer irgendwas versprüht hätte, wäre es uns aufgefallen. Die Streifen am Himmel enthalten „normale“ Flugzeugabgase und großteils Wasser. 

Interview: Markus Larcher

Armin Wisthaler: Der gebürtige Sterzinger (Jahrgang 1971) hat Physik an der Universität Innsbruck studiert und seine Promotion zum Doktor der Naturwissenschaften mit Auszeichnung bestanden. Im Anschluss war er für zehn Jahre Vertragsassistent am Innsbrucker Institut für Ionenphysik. 2011 wechselte Wisthaler an das Norwegische Institut für Luftforschung (NILU) bei Oslo; seiner früheren Tätigkeit an der Uni Innsbruck geht er bis heute nebenberuflich nach. Der Umweltphysiker ist Experte auf dem Gebiet der Spurengasanalytik und weltweit an zahlreichen Forschungsprojekten beteiligt. Er blickt auf eine langjährige Forschungskooperation mit der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA zurück. In Südtirol hat sich Wisthaler in der Vergangenheit zum Thema Luftverschmutzung entlang der Brennerautobahn zu Wort gemeldet.

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