Aktion Heimat – Die Geisterhäuser : Interview mit Corvaras BM Robert Rottonara

TZ; Donnerstag, 11. Oktober 2012

Mehr als die Hälfte aller Wohnungen in Corvara sind Zweitwohnungen. Bürgermeister Robert Rottonara über die damit zusammenhängenden Probleme, die Kontrollmöglichkeiten der Gemeinde und über die Flaute auf dem Immobilienmarkt.

Tageszeitung: Corvara hat  mehr Zweitwohnungen als Hauptwohnsitze. Ist das ein Problem für die Gemeinde, Herr Bürgermeister?

Robert Rottonara: Das Problem besteht darin, dass diese Häuser meistens leer stehen. Das sieht man den Dörfern an. Die Fensterläden bleiben geschlossen und die Blumen verdorren ab August bis um Weihnachten trostlos auf den Balkonen. Als ob es Geisterhäuser wären. Dazu kommt, dass diese Wohnungsbesitzer wenig für das Dorf beitragen, etwa beim Tourismusverein oder für Veranstaltungen. Aber, was soll’s? Mit dieser Realität müssen wir leben. Sie können nichts dagegen unternehmen… Mir wäre es freilich viel lieber, wenn die Häuser belebt sind. Wenn Arbeitsplätze geschaffen werden und so der Wirtschaftskreislauf in Schwung käme. Wenn Wohnungen leer stehen oder als Zweitwohnungen untervermietet werden, sodass wir überhaupt keine Kontrolle mehr haben, ist das für das Dorf nicht gut.

Werden Zweitwohnungen oft untervermietet?

Davon gehe ich aus. Wenn man die Lage beobachtet, kann man feststellen, dass immer wieder neue Leute in den Wohnungen urlauben. Ob dies nun tatsächlich Freunde der Besitzer sind oder ob man hier illegale Geschäfte macht, können wir nicht mit Sicherheit nachweisen.

Bringen die Zweitwohnungen für die Wirtschaft im Allgemeinen mehr Nutzen oder mehr Schaden?

Für die Hotels bedeutet der Zweitwohnungstourismus sicherlich enormen Schaden. Keine Frage. Mir ist es viel lieber, wenn  betuchte Gäste ein gutes Hotel buchen würden anstatt sich eine eigene Wohnung zu kaufen. Davon haben alle mehr.

Kann die Gemeinde kontrollieren?

Solange ein privater Hausbesitzer verkaufen will, kann die Gemeinde nichts dagegen haben. Wir brauchen uns nichts vormachen, schließlich leben wir in einer freien Marktwirtschaft. Das dürfen wir nicht vergessen.

Welche IMU-Steuersätze haben Sie in Corvara festgeschrieben?

Ich sage: Wenn jemand genügend Geld hat, um sich eine solche Wohnung zu kaufen, soll er auch mehr Steuern zahlen. Wir haben für Zweitwohnungen den hohen Hebesatz von 10,60 beschlossen. Im Gegensatz dazu gibt es für  Einheimische oder Mitarbeiter, die in Miete leben, Vergünstigungen.

Welche Auswirkungen hat die Wirtschaftskrise auf den Wohnungsmarkt in Corvara?

Momentan steht alles still. Es tut sich gar nichts. Es werden weder Wohnungen gebaut noch läuft das Geschäft mit dem Verkauf gut. Wenn es so weitergeht, regelt sich das Problem mit den Zweitwohnungen von alleine.

Aber vielleicht geht die Flaute auch wieder vorüber?

Der Wohnungsmarkt stagniert seit zwei, drei Jahren…Bei uns hier steigt die Anzahl der Zweitwohnungen nicht weiter an. Es werden höchstens bestehende Wohnungen weiterverkauft. Es gibt sogar Broschüren, in denen für den Verkauf geworben wird.

In Vergleich mit anderen Gemeinden im Gadertal oder in Gröden hat Corvara sehr viel mehr Zweitwohnungen. Warum ist das so?

Das hat sich im Laufe der Jahre so ergeben. Es hat nie Möglichkeiten gegeben, diesem Markt einen Riegel vorzuschieben. Die derzeitige Situation ist die Folge davon. Wahrscheinlich hat es in anderen Gemeinden einfach weniger Nachfrage gegeben. Viele ältere Stammgäste wollten sich bei uns unbedingt eine eigene Wohnung kaufen. Manche von ihnen haben lange gesucht und waren immer bestens informiert über alle Angebote. In den Achtzigerjahren kam dazu, dass einige Hotels verkauft werden mussten, daraus sind anschließend die so genannten Multiproprietà entstanden.

Kaufen ältere Stammgaste vor allem deshalb, weil sie den Lebensabend in Corvara verbringen wollen?

Eigentlich nicht. Die allermeisten verbringen nur ihren Urlaub hier.

Interview: Silke Hinterwaldner

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Wohnen in Ladinien

Gemeinde   –  Wohnungen 2010  –  davon Zweitwohnungen  (Schätzung 2008):

Abtei – 2.115 –  526 –  24,9%

Corvara – 808 – 455 –  56,3%

Enneberg – 1.562 –  173 – 11,1%

St. Christina – 1.222 –  162 – 13,3%

St. Martin in Thurn – 777 – 77 – 9,9%

St. Ulrich – 2.432 – 261 – 10,7%

Wengen – 505 – 4 0 – 8%

Wolkenstein – 1.557 – 288 – 18,8%

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