Quorum…

Ein Quorum braucht es bei Volksabstimmungen, so seine Verfechter/innen, weil ja sichergestellt werden muss, dass nicht eine Minderheit für alle entscheidet. Und regelmäßig muss man sich anhören, wie allen, die nicht zur Abstimmung gegangen sind, nachträglich und pauschal irgendeine Meinung zugeschrieben wird, um das Ergebnis der Abstimmung in Frage zu stellen. Die gewählten Vertreter/innen hingegen seien ja vom Volk bestellt und deshalb berechtigt, jederzeit über alles zu befinden. Dasselbe Volk zwar, das anscheinend zu dumm ist, um über ein konkretes Thema  abzustimmen, aber intelligent genug, um jene Vertreter/innen zu wählen, die dann in seinem Sinne agieren…

Aber wen vertreten die Vertreter/innen? Die Menschen, die sie gewählt haben? Dann dürfte jede Partei nur mit dem Anteil in Gemeinderat, Landtag oder Parlament vertreten sein, der ihren Stimmen entspricht, bezogen auf alle Wahlberechtigten. Sehen wir uns einmal konkret an, was diese Hundert-Prozent-Logik für die letzten Brunecker Gemeinderatswahlen bedeuten würde.

Fangen wir beim Bürgermeister an. Er wurde  gewählt mit den Stimmen von 38,3% der  Wahlberechtigten. 26,6% der Wahlberechtigten sind nicht zur Wahl gegangen, 13,7% haben weiß oder ungültig gewählt, 21,4% für andere Kandidaten. 40,3% haben für keinen der angetretenen Kandidaten gestimmt, mehr als für den Bürgermeister, der ein 40%-Quorum verfehlt hätte, gäbe es eines für dieses nicht unwichtige Amt. Keine besonders große Legitimation, wenn man es mit dieser Logik betrachtet.

Kommen wir zum Gemeinderat. Wenn alle Wahlberechtigten zählen sollen,  so sind jene Sitze, für die keine gültigen Listenstimmen vorliegen, nicht zu vergeben. Die Mehrheit für gültige Beschlüsse im Gemeinderat bleibt aber bei 16 Stimmen, da diese der Mehrheit der Wahlberechtigten entsprechen. Nun sind aber am 16. Mai 2010 26,6% nicht zur Wahl gegangen und 4,3% haben weiß oder ungültig gewählt. Damit beträgt der Anteil jener Wähler/innen, die keine Liste gewählt haben und deshalb keine Vertretung in den Gemeinderat entsenden, 30,9%. Es  sind also 9 Sitze nicht zu vergeben. Das Ergebnis im Detail, nach dem aktuell gültigen Zuteilungsverfahren:

Gemeindewahlen 2010: Ergebnis bezogen auf alle Wahlberechtigten
Stimmen Prozent Sitze
SVP 4.545 38,1% 11
keine Liste 3.672 30,8% 9
Freiheitliche 984 8,3% 2
Grüne 848 7,1% 3
Bürgerliste 774 6,5% 2
Polo di Brunico 674 5,7% 2
PD 249 2,1% 1
UDC 170 1,4% 0
11.916 100,0% 30

Die aktuelle Koaliton aus SVP und Polo kommt damit auf 13 Sitze. Für eine Mehrheit fehlen ihr damit 3 Stimmen. 9 Stimmen sind von vornherein gegen jeden Beschluss, weil die ihnen entsprechenden Wahlberechtigten keine Stimme abgeben konnten oder wollten und damit von niemandem vertreten werden. Es genügen deshalb 6 Neinstimmen, Enthaltungen oder Abwesende, um jeden Beschluss zu Fall zu bringen. Damit wird das Regieren extrem schwierig…

Die Demokratie hat immer schon so funktioniert, dass wer sich nicht einbringt, nicht zählt. Beteiligung ist ein Recht und keine Pflicht, aber jene, die sich beteiligen, können nicht von jenen „überstimmt“ werden, die sich nicht blicken lassen. Was für die repräsentative Demokratie gilt, in der es lange schon normal ist, auch mit den Stimmen von weniger als 30% der Wahlberechtigten alle Entscheidungen zu treffen, das hat auch für die direkte Demokratie zu gelten.

14.11.2010
Hanspeter Niederkofler

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