Transitverkehr: Dachverband will Staat verklagen

TZ, 16.05.2013

Jährlich sterben sind Südtirol bis zu 200 Menschen an den Folgen der NO2-Belastung. Das kann von einer Schweizer Studie abgeleitet werden. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz erwägt deshalb eine Klage gegen den Staat. – von Erna Egger

Die Studie zur NO2-Belastung in Südtirol, durchgeführt von der Landesumweltagentur, zeigt eine alarmierende Situation auf: Im Sanierungsgebiet von 94 Quadratkilometern liegen die Stickoxid-Werte über den gesetzlichen Grenzwerten. „Zum Teil sind sie fast doppelt so hoch“, schildert Klauspeter Dissinger, Vorsitzender des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz.

Rund 40.000 Menschen, davon 9.000 Personen entlang der A22, weitere 25.000 in Bozen und 6.000 Bürger in Brixen leben oder arbeiten in diesen Zonen.

Das sind immerhin acht Prozent der Bevölkerung. Am höchsten sind die Werte entlang der A22 auf einer Länge von 116 Kilometern und einer Breite von circa 420 Metern.

Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz organisierte deswegen am vergangenen Samstag in Brixen eine Podiumsdiskussion zum Thema „Grenzwerte und Gesundheit. Wer trägt die Verantwortung?“ „Wir haben diese Veranstaltung organsiert, weil es ruhig um dieses Thema geworden ist. Früher gab es auf österreichischer Seite Demonstrationen. Die Luftverschmutzung sieht und hört man nicht, sie hat aber wahnsinnige Folgen. Laut einer Schweizer Studie, hochgerechnet auf Südtirol, haben die erhöhten  NO2-Werte jährlich in unsere Provinz 120 bis 200 Todesfälle zur Folge“, schlägt Dissinger Alarm.

Bei der Podiumsdiskussion diskutierten der Physiker Armin Wisthaler, Fritz Gurgiser vom Transit-Forum Austria und der Allgemeinmediziner Adolf Engl.

Besorgniserregend waren dabei sowohl die von Armin Wisthaler sowie auch die vom Dachverband aufgezeigten Ergebnisse der Studie.  Eine Besserung der Situation ist nicht in Sicht, nachdem die Studie unmissverständlich klarlegt, dass ohne entsprechende Maßnahmen auf der Autobahn die Grenzwerte auch in Zukunft nicht einzuhalten sein werden.

Zudem sieht es nach den letzten Schreiben aus Rom nicht so aus, als ob der italienische Staat hier seiner Verpflichtung nach gesundheitlichem Schutz der Bevölkerung nachzukommen gedenkt.

Der Universitätsprofessor und Europarechtsexperte Walter Obwexer hat einen schriftlichen Beitrag zur Veranstaltung geleistet. Laut ihm tragen die jeweiligen Verursacher, also jene, die die betroffenen Schadstoffe emittieren, die Verantwortung für die Überschreitung der unionsrechtlich vorgeschriebenen Luftschadstoffgrenzwerte. Dazu zählen in erster Linie die Verkehrsteilnehmer auf der Brenner-Autobahn und der parallel dazu verlaufenden Staatsstraße. Das Unionsrecht verpflichte jeden Mitgliedstaat, die Einhaltung der vorgeschriebenen Luftschadstoffgrenzwerte durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen. Diese Pflicht treffe den Mitgliedstaat Italien sowie im Rahmen seiner Zuständigkeiten das Land Südtirol.

Bei Überschreitungen müsse ein Maßnahmenplan erarbeitet werden. Die Einwohner der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Ortschaften entlang der Brennerautobahn können die Ausarbeitung eines derartigen Plans verlangen und allenfalls gerichtlich einklagen, so Obwexer. Klagen können also die unmittelbar betroffenen Einwohner, zu klagen sei der Staat bzw. das Land Südtirol, zuständig seien die innerstaatlichen Gerichte, die sich an den Europäischer Gerichtshof wenden können. Der Schutz der Gesundheit stehe als Grundrecht auf derselben Stufe wie der freie Warenverkehr. Letzterer kann aus Gründen des Gesundheitsschutzes beschränkt werden.

Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz erwägt nun, aufgrund dieser Auskunft, den Staat zu verklagen. „Wir werden uns nun mit den Anwälten in Verbindung setzen und die Möglichkeiten prüfen. Wir sind als Dachverband für die Bevölkerung da. Wenn es möglich ist, werden wir den Staat, der für die Autobahn zuständig ist, klagen“, bestätigt Dissinger.

 

 

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