Smartphones: „Clevere Masche“

Neue Südtiroler Tageszeitung, 07.01.2014

Die Enthüllungen der TAGESZEITUNG über die Handyabzocke haben für großes Aufsehen gesorgt. Die Verbraucherzentrale Südtirol will nun eine Eingabe bei der Aufsichtsbehörde wegen unseriöser Geschäftspraktiken hinterlegen – und mit einer Class Action gegen die Mobilfunkanbieter vorgehen. von Artur Oberhofer

Walther Andreaus hat keine Zweifel: „Da ist wohl eine Lawine am Anrollen.“

Die Enthüllungen der TAGESZEITUNG über die Handyabzocke haben für großes Aufsehen gesorgt – auch in der Verbraucherzentrale Südtirol. Dutzende AnruferInnen meldeten sich gestern in der Redaktion. Der Tenor: „Mir ist dasselbe passiert.“

Die Klick-Falle funktioniert so: Ein versehentlicher Klick auf ein Werbebanner eines Apps oder auf Werbeeinblendungen auf Internetseiten kann für Smartphone-Benutzer zum teuren Spaß werden.

Die Betroffenen bekommen Tage später eine SMS-Kurzmitteilung und ahnen nicht, dass sie mit dem versehentlichen Klick auf das Werbebanner ein Abo abgeschlossen haben – und dass ihnen auf der Rechnung Woche für Woche kleinere Beiträge abgebucht werden. In der Regel sind es 1 bis 4 Euro. Gerade weil es sich um kleinere Beträge handelt, bemerken die Geleimten den Betrug oft erst nach Monaten, wenn sie – aufgeschreckt durch die erhöhten Rechnungen – die einzelnen Posten der Rechnung analysieren.

Die TAGESZEITUNG hat den Fall eines Bozner Ehepaars dokumentiert, dem innerhalb von drei Monaten 150 Euro abgebucht wurden.

Möglich wird dieser Betrug, weil die Mobilfunkanbieter die Handynummern an betrügerische Drittfirmen weitergeben. Wap Billing nennt man diese Geschäftspraktiken. Die betrügerischen Firmen rechnen die Abos (die durch den versehentlichen Klick auf ein Werbebanner „abgeschlossen“ wurden) über den Mobilfunkanbieter ab, obwohl der Kunde kein Okay zum Bezahlvorgang gegeben hat.

Mit anderen Worten: Die Betrüger kassieren so lange, bis der Smartphone-Benutzer das Abo nicht mit einem Anruf deaktiviert.

Das Problem dabei ist: Viele Betroffene rufen diese in der SMS angegebene Rufnummer nicht an, weil sie glauben, dass sie mit einem Anruf oder mit einem Klick einen kostenpflichtigen Dienst aktivieren. „Diese Masche ist clever“, sagt Walther Andreaus von der Verbraucherzentrale, „sie erinnert mit an die alte Geschichte mit den Bezahlnummern beim Telefonieren.“

Die Redakteure von TAGESZEITUNG Online haben gestern bei einem großen italienischen Mobilfunkanbieter angerufen – und eine offizielle Bestätigung für die illegalen Geschäftspraktiken bekommen (siehe dazu das Video auf TAGESZEITUNG Online).

Das heißt: Die Mobilfunkanbieter wissen über die betrügerischen Aktivität Bescheid – aber sie tun nichts dagegen.

Der Hintergrund: Die Mobilfunkanbieter verdienen an diesen betrügerischen Abos kräftig mit. Sie leisten den Anbietern dieser schwindeligen Abos bereitwillig technische Unterstützung, indem sie – ohne Einverständnis des Kunden – die Handynummer des mobilen Surfers weiterleiten.

Datenschutz ist für die Mobilfunkanbieter offenbar ein Fremdwort. Sie verstecken sich hinter dem Geschäftsmodell des Wap-Billing, räumen aber gegenüber der TAGESZEITUNG ein, dass man sich „hierbei noch im rechtlichen Graubereich“ bewege.

Auf die Frage, warum sie diese Dienste nicht abstellen bzw. als Trittbrettfahrer der betrügerischen Drittfirmen agieren, heißt es: „Solange es keine Gerichtsurteile gibt, sind uns die Hände gebunden.“

Dabei, so erklärt Walther Andreaus von der Verbraucherzentrale Südtirol, könne ein Klick auf ein Werbebanner nie und nimmer ausreichend sein für einen rechtlich bindenden Vertrag.

Die Verbraucherzentrale Südtirol will nun gegen die Mobilfunkanbieter, die diese problematischen Abo-Verträge unter dem Deckmantel des Wap-Billing dulden, vorgehen. „Alle Betroffenen sollten sich bei uns melden“, so der Aufruf von Walther Andreaus.

Der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol kündigt eine Eingabe wegen unseriöser Geschäftspraktiken bei der zuständigen Aufsichtsbehörde an. „Sollten wir mit dieser Eingabe durchkommen, dann holen wir das Geld der Betrogenen von den Mobilfunkanbietern über eine Class Action zurück.“

Walther Andreaus: „Es genügt, wenn uns die Betroffenen eine E-Mail mit einer Sachverhaltsdarstellung und den Rechnungsbelegen schicken.“

Zitat „Sollten wir mit dieser Eingabe durchkommen, dann holen wir das Geld der Betrogenen von den Mobilfunkanbietern über eine Class Action zurück.“

Walther Andreaus

 

 

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