Offener Brief Obwegs, Watschinger: Vermutete Geldverschwendung im Amt für Wildbachverbauung

Sehr verehrte Damen und Herren,
im Auftrag der beiden Experten Watschinger und Obwegs sende ich Ihnen ihren Offenen Brief an Sie mit der Bitte, ihn einer breiteren Öffentlichkeit preiszugeben.
Die zwei Herren machen sich trotz ihres hohen Alters viele nützlichen Gedanken über unser Land und das Wohlbefinden der Bevölkerung. Vor allem ihre früheren Arbeitsgebiete bereiten ihnen große Sorgen und so ist der Inhalt des vorliegenden „Offenen Briefes“ ein Herzensanliegen der beiden Forstexperten.
Ich bedanke mich für Ihre Bereitschaft!
Dr. Hans Peter Stauder
——————————————————————————
Sehr geehrte Damen und Herren!

Aus mehreren Gesprächen, Leserbriefen und Telefonaten seitens interessierter Bürger konnten wir entnehmen, dass viele dieser Bürger und auch politische Vertreter in Südtirol eigentlich völlig unzureichend über das Fachwissen der Forstwirtschaft und vor allem über die Fluss- und Wildbachverbauung Bescheid wissen. Um diese Bürger zumindest oberflächlich aufzuklären, haben wir die Forstwirtschaft mit der Sanität und die Wildbachverbauung mit der Chirurgie verglichen, weil ja die Wildbachverbauung auch in anderen Ländern zur Forstwirtschaft gehört.

Wenn man nun die Tätigkeit und Arbeit des für die Wildbachverbauung zuständigen Amtes kritisch beurteilen darf, dann müsste man oft den Eindruck bekommen, dass den Verantwortlichen des Amtes derzeit dieses Bewusstsein leider fehlt. Wie eben im Gesundheitswesen sollte man auch in der Natur primär versuchen, die Wunden, die durch die Erosionen, also Ufer- und Geländeanbrüchen wie Rutschungen, und durch die ergiebigen Oberflächenabflüsse bei Starkniederschlägen usw. entstehen, mit entsprechenden bautechnischen und forstlich-biologischen Maßnahmen zu heilen, statt die durch die Erosionen anfallenden Geschiebemengen (Material und Wildholz) durch protzige und landschaftswidrige Geschiebestausperren aufzufangen.

Als Paradebeispiel kann hierfür der landschaftswidrige Protzbau der 100 m langen und 13 m hohen Stausperre in Winnebach mit einem Kostenaufwand von Euro 1.600.000.- erwähnt werden. Dem verantwortlichen Techniker dürfte dabei wohl die sehr gelungenen, bergseitigen bautechnischen und forstlich-biologischen Arbeiten entgangen sein, welche noch in den 70ger Jahren mit zufriedenstellendem Erfolg besonders für die Erhaltung des Kantschiederhofes durchgeführt wurden.

Vor einigen Jahren hat man seitens des Amtes für Wildbachverbauung mit beschämender Präpotenz die ca. 400 m lange und bestens erhaltene Stoßkünette aus Bruchsteinmauerwerk und Zementmörtel im bereits neu besiedelten Unterlaufbereich des Hirschbrunnenbaches in St. Georgen mit einem Kostenaufwand von über Euro 500.000.- einfach mit Baggermaschinen abgebrochen und den früheren Zustand des Baches hergestellt. Hierzu ist zu bemerken, dass das Projekt zum Bau dieser Stoßkünette in technischer und bürokratischer Hinsicht ordnungsgemäß genehmigt wurde. Der unverständliche und präpotente Abbruch dieser Künette erfolgte unseres Wissens ohne jegliche Genehmigung. Ob nun die Verantwortlichen mit dieser Tat bewusst oder unbewusst die Techniker und die beteiligten Arbeiter nur belehren oder gar beleidigen wollten, wissen wir nicht. Dass eine Stoßkünette auch im besten Zustand in rein ökologischer Hinsicht kein wünschenswertes Bauwerk ist, wissen auch wir. Sie stellt aber die bestmögliche Sicherheit für ein besiedeltes Gebiet dar. Deshalb werden auch diese Bauwerke der Wildbachverbauung sowohl von den Universitäten als auch in der Fachliteratur als Längswerke gelehrt und empfohlen.

Wir erlauben uns auch den Bau der großen und teuren Fenstersperren in der Rienzschlucht bergseitig von Bruneck mit einem Kostenaufwand von Euro 3.000.000.-mit EFS-Geldern zu kritisieren, welche laut Bericht zum Auffangen von ca. 7.000 m³ dienen sollen und von keinerlei technischen Kommission oder Einrichtung je beurteilt wurden. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Seilsperre talseitig und um eine große und eindrucksvolle Rechensperre in Beton und mit Breitflauschträgern aus Stahl bergseitig. Seilsperren werden allgemein und hauptsächlich in Österreich für steilere Wildbäche mit kleineren Einzugsgebieten bis zu 15-20 km² in Betracht gezogen, welche vorwiegend Wildholz führen und nicht für größere Gebirgsbäche mit Einzugsgebieten von mehreren 100 km² wie im Falle der Rienzsperren.

Wenn die verantwortlichen Techniker dieser denkmalartigen Bauwerke sogar das Ausmaß und die Mengen des zu erwartenden Wildholzes zu kennen glauben, dann sagt uns der Hausverstand, warum diese Techniker nicht mit Hilfe und Unterstützung der lokalen Forstbehörde diese Holzmengen im wertvolleren Zustand noch vor einem zu erwartenden Hochwasser im freien Gelände entnehmen wollen. Die nun errichteten Sperren sind darüber hinaus keineswegs besonders für einen Geschieberückstau geeignet. Anstelle dieser kostspieligen Denkmäler hätten wir vorgeschlagen, die breiten Anflächen der Rienz zwischen Niederolang und der Einmündung des Litschbaches in die Rienz als großes Geschiebeauffangbecken in Betracht zu ziehen. Dabei hätte man mit geringstem Eingriff und Aufwand durch den Bau von Bühnen mit großen Steinblöcken, um Uferanbrüche zu vermeiden, und der Errichtung einer kleinen Rechensperre am Fuß der Geschiebeablagerung eine wesentlich größere Wirkung durch eine geeignete Materialablagerung bei bedeutend niedrigeren Kosten erzielen können.

Wir haben in der Vergangenheit wiederholt, aber leider erfolglos, auf die absolute Notwendigkeit einer technischen Überprüfung und Beurteilung der Projekte und Vorhaben der Fluss- und Wildbachverbauung hingewiesen. Wenn die Landesregierung nicht imstande ist, eine diesbezügliche Einrichtung in der Landesverwaltung zu schaffen, dann könnte sie sich ja an die Universität von Bozen bzw. an die EURAC wenden, um dieses Problem zu lösen. Der in jeder Hinsicht rücksichtslose Abbruch der Stoßkünette in St. Georgen, der protzigen und unnützen Geschiebestausperre in Winnebach, die Errichtung der Fenstersperren in der Rienzschlucht, die teure Bla-Bla-Pro Drau-Studie, welche kaum von jemanden gelesen und verstanden wird, sind zum Großteil unverantwortliche Geldverschwendungen, die man nicht weiterhin dulden sollte.

Sicherlich kann man vom derzeitigen Landeshauptmann nicht erwarten, dass er in einem relativ kurzen Zeitraum die in 20-jähriger Herrschaft kaputtgemachte Landesverwaltung wiederum auf Vordermann zu bringen. Zuviel nämlich wurde zerstört:

  • mit der Energiepolitik und deren Skandalen,
  • mit den EFS-Geldverschwendungen ohne Kontrollen, dass sogar Brüssel eingreifen musste,
  • mit der völlig verfehlten Landwirtschaftspolitik betreffend der Milchwirtschaft im Berggebiet, wobei man die Quantität der Milchproduktion auf Kosten der Qualität der Milch durch eine völlig falsche Beitragspolitik unterstützte,
  • mit der unseriösen, den Naturschutz und die Hydrologie völlig vernachlässigten Forstpolitik besonders bei der Errichtung von neuen Skianlagen,
  • mit dem Bau von großen, teuren und meist verschwenderischen Geschiebestausperren in der Talsohle statt Konsolidierungsmaßnahmen in den Einzugsgebieten der Wildbäche.

Die Liste der anstehenden Probleme des Landes könnte man noch durchaus verlängern. Wenn die gewählten Volksvertreter einen Teil der angeführten Probleme zufriedenstellend lösen könnten, dann könnte man bereits zufrieden sein.

Man muss sich nun fragen, ob die Landesregierung überhaupt gewillt und auch imstande ist, eine ausreichende Untersuchung über wahrscheinliche Geldverschwendungen durch Präpotenz, Leichtsinn und professioneller Ignoranz der Verantwortlichen des für die Wildbachverbauung zuständigen Amtes zu machen. Widrigenfalls sollte oder müsste für diese erhebliche Geldverschwendung vor allem betreffend den geradezu bösartigen Abbruch der Stoßkünette in St. Georgen, aber auch den Bau der vielfach völlig unnützen Stausperre in Winnebach und in der Rienzschlucht der Rechnungshof oder die Staatsanwaltschaft informiert werden.

Bei den Krankenhäusern und der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wird massiv der Sparstift angesetzt und bei verschiedenen anderen Dingen wie auch bei der Wildbachverbauung werden vernünftige Einsparungen gar nicht in Betracht gezogen.

Sexten, Bruneck, im März 2015
Dipl. Ing. Dr. Ernst Watschinger
Dipl. Ing. Dr. Karl Obwegs

 

Dieser Beitrag wurde unter Artikel, Pressemitteilungen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.