Mission gescheitert. Kommentar Willy Pöder, PZ, 270111

Dr. Dieter Steger hat sein Landtagsmandat niedergelegt. Damit wurde sein Platz innerhalb des gesetzgebenden Organs der Autonomen Provinz Bozen frei. Frei wurde dadurch zugleich der Präsidentenstuhl des obersten Organs, in Miniatur etwa vergleichbar mit dem Nationalrat in Österreich oder mit dem italienischen Parlament.

Trotzdem hinkt die Gegenüberstellung. Bei uns wird die Wichtigkeit dieser Funktion von den Regierenden, also vom Landesausschuss und insbesondere von dessen machtkonzentratorischem Präsidenten, völlig untergraben, überdeckt und oft bis zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Deshalb liegen jene Volksvertreter, die unermüdlich die Entmachtung des Landtages durch das Exekutivorgan anprangern und darin die Entfaltung demokratischen Gedankengutes im Keime erstickt sehen, keineswegs falsch. Ihr entmutigendes Eingeständnis, der Landtag sei eine Art Notariatskanzlei zwecks formaler Beurkundung der Regierungsvorlagen, entblößt die Situation in ihrer ganzen Härte.

Eine ungebührliche Machtverschiebung. Es drängt sich zwangsweise die Frage auf, wie es überhaupt dazu kommen konnte? Die Erklärung liegt einerseits in der ‚Annexion‘ des institutionellen Auftrags durch die Parteien, andererseits im porösen und brüchigen Rückgrat der Volksvertreter selbst. Als Bürger und Wähler hat man von denen oft den Eindruck, der Job, und mehr noch das füllige Einkommen, fülle sie ganz und zu ihrer vollen Zufriedenheit aus.

Wundern darf man sich darüber nicht, denn die wenigsten unter ihnen hätten nicht annähernd die Möglichkeit, so viel Geld in ihrem angestammten Beruf zu verdienen, ganz abgesehen von den einhergehenden Privilegien. Man denke dabei nur an die Pensionsberechtigung nach zwei Legislaturperioden, also bereits nach 10 Jahren. Dem gegenüber stehen die 40 Jahre aller normal arbeitenden Kinder Gottes.

Warum Dieter Steger mit seinem Projekt zur Reform der Geschäftsordnung des Landtages an der eigenen Mehrheitsfraktion gescheitert ist, geht aus seinem Maßnahmenkatalog hervor, durch dessen Umsetzung der Landtag zweifellos eine Aufwertung erführe und für den Bürger transparenter wäre. Aber wer von der regierenden Partei kann schon an einer Übertragung der Landtagssitzungen via Internet oder Fernsehen interessiert sein, wo der Saal doch wie ein ausgehungerter Magen vor lauter Leere verzerrt in die Welt starrt. Und Stegers Ansinnen, den Abgeordneten radikal ihr Einkommen zu kürzen und ihnen im Gegenzug zugleich die Ausübung ihres Berufs zu gestatten, konnte nur auf Ablehnung stoßen. Dadurch sähen sich nämlich jene Kreise benachteiligt, die daraus nie einen Unterschied gemacht hatten, beispielsweise Unternehmer und Freiberufler.

Stegers zweijähriges Bemühen um die Entflechtung des Reformstaus war ein Kompromiss. Es war der größtmögliche gemeinsame Nenner, auf den die diversen Parteien einzulenken bereit waren. Für Steger ein Erfolg. Für seine Partei bestenfalls ein Ansatz, auf den Julia Unterberger, Stegers Nachfolgerin im Präsidentenamt, aufbauen kann, sofern es ihr gelingt, das Instrument der Obstruktion überhaupt aus der Geschäftsordnung zu verbannen. Die Chance hierfür ist minimal. Das ließen die Oppositionsparteien schon mal klar und unmissverständlich erkennen. Sie sind bestenfalls für eine Abschwächung der derzeit geltenden Interventionsmöglichkeiten zu haben.

Es scheint, als bliebe alles beim Alten. Mission gescheitert. Es staut der Reformstau.

Willy Pöder

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