Weitere Almwege? Saurer Boden

TZ, 30. August 2011

Der Anlass

Die Erhebung geht auf das Jahr 2005 zurück: In Südtirol gibt es demnach 1.733 Almen. Davon sind 1.343 mit einem Weg erschlossen. Beinahe alle liegen oberhalb der Waldgrenze.  Nur noch auf 40 Almen weiden im Sommer mehr als 15 Kühe. Die Diskus-sion um die Erschließung der Almen mittels einer Straße oder einem Weg geht von Luttach und Mühlwald aus. Dort  werden und wurden Wege gebaut, die anscheinend jedem Zweck entbehren (Tageszeitung vom 24. August, Seite 17). Daraufhin hat Viktor Peitner, Bauernbundobmann im Pustertal, erklärt, wie wichtig es ist, dass die Almwiesen bewirtschaftet werden, um die Kulturlandschaft zu erhalten (Tageszeitung vom 25. August, Seite 18). Nun mischt sich Klauspeter Dissinger, Vorsitzender des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, in die Debatte ein. Sein Thema: Wie die Gülle auf die Alm kommt.
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Tageszeitung: Herr Dissinger, würden Sie alle Almwiesen zuwachsen lassen?
Klauspeter Dissinger: Die Bewirtschaftung der Almen ist wichtig, das steht außer Frage. Mir geht es aber sehr wohl um die Art und Weise, wie dies erfolgt. Das Ziel sollte eine ökologische Almwirtschaft sein, um die Biodiversität zu erhalten. Zurzeit werden die Almen mit im Tal überschüssiger Gülle gedüngt. Eine Blumenwiese wie es sie früher gab, mit Enzian, Brunellen und Arnika ist selten geworden. Seltene Blumen wie Türkenbund, Frauenschuh oder Feuerlilie sind beinahe zur Gänze verschwunden. 
Ist das Ausbringen von Gülle auf Almwiesen nicht gesetzlich streng reglementiert?
Das im Landtag verabschiedete Naturschutzgesetz schreibt vor, dass die Ausbringung von Mineraldüngung und Flüssigdünger, von Gülle und Jauche aus der Viehwirtschaft verboten ist; mit Ausnahme jenes Flüssigdüngers, der eben innerhalb des Schutzgebietes anfällt. Aber: Die Landesregierung hat mit Beschluss vom März dieses Jahres das Verbot aufgehoben, damit ist es wieder erlaubt, Gülle aus dem Tal auf die Almen zu bringen.
Welche Probleme bringt die Gülle auf der Alm mit sich?
Das Ausbringen von Gülle ist nicht nur auf den Almen sondern auch in tiefer gelegenen Gebieten ein massives Naturschutzproblem. Durch die Überdüngung kommt es zu einer Übersäuerung der Böden, dadurch wird die Grundwasserqualität beeinträchtigt. Und es entsteht ein unerträglicher Gestank. Durch eine falsche Förderungspolitik gibt es zu viel Vieh, mit den bekannten negativen Folgen.
Sind die Straßen der größere Eingriff oder der Transport der Gülle auf diesen neuen Almstraßen?
Beides. Der Bau von Erschließungsstraßen verändert den Charakter der Alm vollständig und zerstört den Rückzugsraum für gefährdete Arten.
Wie würden Sie diesen Kreislauf unterbrechen?
Anstatt Gelder für neue Erschließungsstraßen zu den Almen auszugeben, sollte man besser eine ökologische Almwirtschaft fördern. Damit wäre allen geholfen. Man würde öffentliche Gelder sparen, der Bauer würde eine Förderung für seine ökologische Arbeit erhalten und dem Naturschutz würde auch Rechnung getragen. Gleichzeitig könnte man so verhindern, dass die Alm zweckentfremdet und als Feriendomizil an andere weitervermietet wird.
Aber für manche Almwiesen genügt es nicht, wenn der Bauer ein bisschen Gartenarbeit erledigt. Für mehr reichen Zeit und Geld nicht aus…
Almerschließungen können, wie einige Beispiele zeigen, auch mit der Materialseilbahn erfolgen. Sollte diese erneuert werden müssen, kann der Transport in Ausnahmefällen auch mit Hubschraubern erledigt werden. Ich bin sehr wohl dafür, dass die Almen weiterhin bewirtschaftet werden, aber die Bedingungen müssen stimmen.

Interview: Silke Hinterwaldner

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