„Ehre“, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit

Pressekonferenz Grüne Landtagsfraktion, 31.08.2011

Die SVP versucht neuerdings, die Diskussion über die rechtlich notwendige Transparenz im Handeln und Gebaren der öffentlichen Verwaltung und deren Verantwortlichen zu verwässern bzw. zu verfälschen.
Sie will jetzt eine „Ehrenerklärung“ von SVP-Mandataren über deren etwaigen Beteiligungen an Treuhandgesellschaften verlangen, klammert dabei aber bewusst einen zentralen, weiteren Personenkreis sowie wesentliche weitere Sachverhalte vom gesetzlich vorgeschriebenen Transparenzerfordernis aus.

Transparenz nicht nur für „Treuhandgesellschaften“, sondern auf allen Ebenen
Es geht nämlich nicht nur um die sog. Treuhandgesellschaften, d.h. jene Gesellschaften, die im Namen und für Rechnung von Treugebern, Anteile an Unternehmen halten, sondern um mehr. Auf dem Prüfstand stehen generell all jene Fälle, in denen Personen, die im öffentlichen Verwaltungsapparat eine wesentliche Funktion einnehmen, verdeckt an Unternehmen beteiligt sind, an Unternehmen, die entweder direkt bzw. wiederum über Tochter- oder Enkelgesellschaften, mit der öffentlichen Verwaltung Verträge jeglicher Art abschließen.
Diese verdeckte bzw. versteckte Beteiligung erfolgt in der Praxis nicht nur über Treuhand-, sondern auch über die Beteiligung an Holdinggesellschaften, mit Sitz in Ländern, wo es nicht möglich ist, die Gesellschafter über die Einsichtnahme in das öffentliche Handelsregister in Erfahrung zu bringen. In Frage stehen aber auch Beteiligungen über sog. ‚Strohmänner’, oder über nahe Familienangehörige.
Auffallend ist zudem die Eingrenzung des Personenkreises, von dem die SVP die sog. „Ehrenerklärung“ verlangt – auf die Abgeordneten. Wesentliche Entscheidungsträger der öffentlichen Verwaltung sind aber nicht nur die politischen Mandatare (also Gemeindeverwalter, bzw. Landtagsabgeordnete und Parlamentarier), sondern auch die führenden Mitarbeiter bzw. Funktionäre, die im Verwaltungsapparat eine qualifizierte Position innehaben (von Amtsdirektoren, über Handelskammerpräsidenten bis hin zu den Direktoren der im öffentlichen Eigentum stehenden Kapitalgesellschaften, wie z.B. die SEL AG).
Wenn die SVP also immer wieder ausschließlich von den Treuhandgesellschaften spricht, dann klammert sie wesentliche, auch auf Südtirol zutreffende Sachverhalte bzw. Personenkreise, von vornherein von dem, aber gesetzlich generell vorgesehenen Transparenzerfordernis aus.
Dabei ist aber bspw. auch der Präsident der Handelskammer, Michl Ebner, als Präsident einer autonomen Körperschaft, öffentlichen Rechtes, deren Ordnung gemäß Autonomiestatut durch Regionalgesetze geregelt ist und zu deren Aufgaben die Gesamtvertretung der Wirtschaft im Interesse der Südtiroler Unternehmen, die Beratung öffentlicher Entscheidungsträger, die Wirtschaftsforschung, die Wirtschaftsförderung, die Erbringung von wirtschaftsorientierten Dienstleistungen für die heimischen Betriebe sowie die Ausübung hoheitlicher Aufgaben (Führung des Handelsregisters!) mit seinen auch hinter Treuhandgesellschaften (z.B. PEG GmbH mit Sitz in Innsbruck, Barenth & Partner mit Sitz in Innsbruck) versteckten diversen und vielschichtigen unternehmerischen Tätigkeiten nicht tragbar.

Keine Frage der „Ehre“, sondern ein Gebot der Verfassung
Denn bereits unsere Verfassung aus dem Jahre 1948 sieht im Art. 97 die Verpflichtung der öffentlichen Verwaltung (sprich der Exekutive) zu einer ordnungsgemäßen und unbefangenen Ausübung ihrer Funktion vor.
Auch das Staatsgesetz Nr. 241 von 1990, das generell die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung auf dem gesamten Staatsgebiet regelt, bekräftigt die Transparenz und die Unbefangenheit in der Ausübung der öffentlichen Verwaltungsfunktion als oberste Grundprinzipien.
Darüber hinaus sieht die Anti-Mafia-Gesetzgebung explizit das Verbot der Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen (für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge, Konzessionen, etc.) mittels Treuhandgesellschaften vor (Art. 17 Gesetz Nr. 55 vom 19. März 1990).
Die Kontrolle darüber, ob die öffentliche Verwaltung (die im Auftrage von uns Bürgern und erst mit dem von uns Bürgern bezahlten Steuergeld tätig werden kann) unbefangen, d.h. frei von Interessenskonflikten ist, ist nur dann möglich, wenn nachvollziehbar ist, wer effektiv der Vertragspartner der öffentlichen Hand bei Abschluss von Verträgen jeglicher Art ist. Demnach muss für die öffentliche Verwaltung stets nachvollziehbar sein, bis hin zur physischen Person, mit wem sie vertragliche Beziehungen eingeht. Damit soll verhindert werden, dass Mitglieder der öffentlichen Verwaltung im weiteren Sinne (siehe zu Personenkreis oben) zu deren Gunsten, ohne dass es nachvollziehbar und überprüfbar ist, Verträge mit der öffentlichen Verwaltung schließen.
In Italien kommt dann noch die generell scharfe Antimafiagesetzgebung hinzu.

Treuepflicht der öffentlichen Manager erfordert Beteiligungsverbot
Ferner soll noch kurz die besondere Stellung eines Direktors eines im öffentlichen Eigentum stehenden Unternehmens, wie die SEL AG untersucht werden.
Aufgrund der jedem Arbeitnehmer per Gesetz gegenüber dem Arbeitgeber auferlegten Treuepflicht (Art. 2105 ZGB) und der besonderen Situation in der sich ein Geschäftsführer befindet, ist es Standard, dass in Arbeitsverträgen mit Geschäftsführern, diesen ausdrücklich untersagt wird, sich an anderen Unternehmen, die im selben Sektor tätig sind, während ihres Arbeitsverhältnisses zu beteiligen. Daher ist ihnen auferlegt, sämtliche ihrer Beteiligungen, allein schon aus unternehmensnotwendiger Transparenz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, offenzulegen.
Im konkreten Fall kommt aber der weitere wesentliche Aspekt hinzu, dass SEL-Direktor Maximilian Rainer nicht Geschäftsführer irgendeines privaten Unternehmens ist, sondern Generaldirektor des wirtschaftlich bedeutendsten Südtiroler öffentlichen Unternehmens. Über dieses Unternehmen soll geballtes und wertvollstes Vermögen der Autonomen Provinz Bozen im Energiesektor verwaltet und wirtschaftlich bestmöglich, im Interesse der Südtiroler, verwertet werden.
Ein Generaldirektor eines öffentlichen Unternehmens, wie der SEL AG, unterliegt daher nicht nur der generellen Treuepflicht eines Geschäftsführers gegenüber seinem Arbeitgeber (es ist zu fragen, wie der Arbeitsvertrag von Direktor Rainer in dieser Hinsicht aussieht, wer ihn ausgearbeitet hat, etc.). Als Geschäftsführer eines öffentlichen Unternehmens untersteht er dem gesetzlich, seit Bestehen unserer Verfassung bestehenden Transparenzgebot als Garantie für eine von Interessenskonflikten freie, sprich unbefangene Ausübung der öffentlichen Verwaltung.

Die Grünen sind daher der Überzeugung, dass auch die öffentliche lokale Verwaltung (also: Region, Provinz, Gemeinde, Bezirksgemeinschaften und im öffentlich-rechtliche Unternehmen) sich an folgende Prinzipien halten müssen:

1. TRANSPARENZ DER GESELLSCHAFTEN MIT DENEN DIE ÖFFENTLICHE VERWALTUNG RECHTSGESCHÄFTE ABSCHLIESST – Von jeglicher Kapitalgesellschaft, mit der die Öffentliche Verwaltung Verträge jeglicher Natur (Bauaufträge, Liefer- und Dienstleistungsverträge, Kaufverträge etc.) ist eine Angabe der physischen Personen vorzulegen, die die Anteile an der Kapitalgesellschaft bzw. der dieser vorgeschaltenen Gesellschaften halten. Das vor kurzem im Landtag verabschiedete Gesetz reduziert de facto das bereits grundgesetzlich bestehende Transparenzerfordernis, da es die Transparenz nur für die Treuhandgesellschaften und nur im Bereich der Konzessionen vorsieht: es ist schwerwiegend, dass die politische Mehrheit im Landtag den Antrag der Grünen auf Ausweitung der Offenlegungspflicht der Gesellschafterstruktur, abgelehnt hat. Die Anwendung der Offenlegung der Gesellschafterstruktur auf alle Typen von Genehmigungen, Konzessionen und Verträgen und auf die Kapitalgesellschaften generell, ist eine bestehende Pflicht der öffentlichen Verwaltung. Sie bedarf daher keiner weiteren Gesetze, sondern allein des politischen Willens auch in der Provinz Bozen, die Verfassungsprinzipien und die geltende Gesetzgebung zur Anwendung zu bringen. Ein Fall wie der Ankauf des neuen Sitzes des Personalassessorats der Provinz von einer Gesellschaft, der R59, hinter der eine Treuhandgesellschaft steht, hätte niemals passieren dürfen!
Was das Landesgesetz betreffend die Transparenz in den Konzessionsverhältnissen anbelangt, erinnern wir daran, dass der vom neuen Gesetz fixierte Termin für die Offenlegung der Treugeber der 9. September ist, bei sonstiger Annullierung der Konzession. Wir verlangen die rigorose Einhaltung dieses Termins und den Widerruf der Konzession in den Fällen, in denen er nicht eingehalten wird.

2. TRASPARENZ, TREUE UND EXKLUSIVITÄT ALS MINDESTSTANDARD IM ARBEITSVERHÄLTNIS VON MANAGERN ÖFFENTLICHER UNTERNEHMEN
In allen Arbeitsverträgen wird vom Angestellten, v.a. wenn es sich um einen Geschäftsführer handelt, Treue und Exklusivität in der Ausübung seiner Arbeitsleistung gefordert. Dies muss in erhöhtem Maße für die Manager öffentlicher Unternehmen gelten, unabhängig davon ob die „Nebentätigkeit“ des Managers (siehe Fall Rainer) unmittelbar mit dem Unternehmen, für das der Manager tätig ist (im konkreten Fall SEL), kollidiert. Dabei muss diese Treue- und Exklusivitätsklausel auch eine indirekte Unternehmensausübung über enge Familienangehörige bzw. Dritte generell umfassen. Auf keinen Fall darf es darüber hinaus zulässig sein, dass die im öffentlichen Eigentum stehenden Gesellschaften, für die die Manager arbeiten, Aufträge an Unternehmen bzw. Kanzleien erteilen, an denen die Manager selbst beteiligt sind oder ihre Verwandten (siehe den Fall der Beauftragung mit Lohnbuchhaltung und ähnlichem der Kanzlei Stocker für SEL-Gesellschaften).

3. TRASPARENZ UND TREUE DEM ÖFFENTLICHEN INTERESSE VON SEITEN DER POLITIKER
Die Remunerierung eines Landesrats/Assessors – sowohl in der Provinz als auch in der Gemeinde – ist relativ hoch und muss ausreichen. Wer Landesrat/Assessor wird, kann selbstverständlich seine bereits zum Zeitpunkt des Amtsantrittes bestehende unternehmerische Tätigkeit fortsetzen, aber Transparenzgebot und Ethik erfordern es, dass diese Person, solange sie das Amt eines Landesrats/Assessors bekleidet, bei Aufnahme einer neuen unternehmerischen Tätigkeit auf der Ebene der Körperschaft, für die sie Regierungsverantwortung übernommen hat, ein Höchstmaß an Sensibilität und Vorab-Offenlegung pflegt. Dies gilt insbesondere für einen Landesrat, der über seine Tätigkeit in den Besitz einer enormen Anzahl von Insiderinformationen gelangt, die ihn in eine gegenüber jeglichen anderen Bürger oder Unternehmer unvergleichbar bevorteilte Position bringen. Die Verwendung dieser privilegierten Informationen, in direkter oder indirekter Form, um eigene private wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben ist letztendlich eine Außerkraftsetzung der Mechanismen einer funktionierenden Marktwirtschaft. Noch gravierender ist der Fall, in dem etwaige private wirtschaftliche Tätigkeiten eines Landesrats/Assessors durch die aktuellen und künftigen Entscheidungen und Beschlüsse von Gemeindeausschusses bzw. der Landesregierung, denen er angehört, begünstigt werden. Daher verlangen die Grünen,
 dass Landesräte/Assessoren laufend, nicht nur einmal im Jahr, ihre direkten oder indirekten unternehmerischen Tätigkeiten offenlegen, sodass etwaige Interessenskonflikte sofort bzw. vorab erkennbar sind,
 und bei Aufnahme einer neuen unternehmerischen Tätigkeit (auch durch Beteiligung an Gesellschaften) während ihrer Amtsperiode, dies vorab dem Gemeindesausschuss bzw. der Landesregierung mitteilen, damit diese das Vorliegen etwaiger Interessenskonflikte nachvollziehbar prüfen und entscheiden, ob die dem Landesrat/Assessor übertragenen Verwaltungsfunktionen und öffentlichen Vollmachten mit der unternehmerischen Tätigkeit vereinbar sind oder nicht. Ist die unternehmerische Tätigkeit nicht vereinbar, muss der Landesrat/Assessor auf diese verzichten, oder es müssen ihm die damit unvereinbaren öffentlichen Verwaltungsfunktionen und Vollmachten sofort entzogen werden.

In Europa gibt es genügend Beispiele, wo Parlamentarier (nicht nur Regierungsmitglieder) über Internet zugängliche Portale der entsprechende Parlamente im Detail, selbst ihre Ausgaben und deren Höhe anführen müssen, damit sich die Bürger ein umfassendes Bild über ihre Vertreter machen können, während bei uns Landtagsabgeordnete der Opposition mit eigenem Geld vor Gericht den gesamten Instanzenzug bestreiten müssen, damit sie in Ausübung ihres institutionellen Mandats, in die, von (den Steuerzahlern bezahlten) Managern der öffentlichen Unternehmen geschlossenen Verträge im Interesse der Bürger Einsicht nehmen können … es ist halt alles offensichtlich auch eine Frage der Demokratiekultur.

Die Grünen verlangen die unmittelbare Anwendung dieser Prinzipien und den Rücktritt bzw. die Abberufung jener Personen, die diese Prinzipien verletzten. Es handelt sich um bereits in der Verfassung und der geltenden Gesetzgebung gültige Prinzipien, die bereits seit jeher auch in der Autonomen Provinz Bozen Anwendung hätten finden müssen.

Riccardo Dello Sbarba und Hans Heiss, Landtagsabgeordnete
Renate Holzeisen, Vertrauensanwältin der Grünen Landtagsfraktion

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Eine Antwort auf „Ehre“, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit

  1. Bremer sagt:

    Die amtierende Tiroler Wirtschaftslandesrätin, seit langem mit dem HK-Präsidenten liiert, ist u.a. zuständig für Gesellschaften und Beteiligungen des Landes Tirol. Spielt(e) diese Tatsache bzw. personelle Verflechtung eine Rolle bei den Untersuchungen in diesem Fall?