NSTZ 13.06.2012: Strahlendes Südtirol

Immer mehr Südtiroler besitzen ein Handy. Dafür braucht es auch die entsprechenden Sendeanlagen. Was aber tun, wenn sie durch die Bürger und Gemeindeverwalter verhindert werden? Die Landesregierung erklärt die Handymasten zur Chefsache.

Masten im Überfluss
von Hannes Senfter

Wer ein Handy hat, der will auch telefonieren können. Dafür braucht es die nötigen Umsetzer. Was aber tun, wenn viele Handymasten mit Protesten und Unterschriften – Sammlungen verhindert werden? Zukünftig entscheidet die Landesregierung. 

Es ist noch nicht allzu lange her. Da hat man in Gsies den Aufstand gegen die Moderne geprobt. Im Rahmen einer Volksabstimmung hat sich gleich ein ganzes Tal gegen einen Handymasten ausgesprochen. Lieber strahlenfrei und gesund als Handyempfang und krank, war die Devise. Doch Gsies ist bislang ein Einzelfall geblieben. Zwar will man in anderen Gemeinden mit Unterschriftensammlungen und klaren Aussagen der Bürgermeister die Handyumsetzer verhindern. Doch nun sollen lange Diskussionen und verzögerte Entscheidungen der Vergangenheit angehören.
Die Zauberformel heißt ,,Öffentliches Interesse“. Wer das ins Spiel bringt, ist niemand Geringere als die Südtiroler Landesregierung. Sie hat am Montag einen eindeutigen Beschluss gefasst. Zukünftig wird der zuständige Landesrat entscheiden, ob ein Sendemast errichtet werden darf oder nicht. Damit sind die Gemeindeverwalter überhaupt nicht mehr in die Entscheidungsfindung involviert.

Wurde bisher eine Stellungnahme eingeholt, können sie künftig nur mehr zusehen.,, Wir brauchen klare Entscheidungen“, meint Landeshauptmann Luis Durnwalder dazu, ,, es geht nicht, dass gewisse Bürgermeister nur an ihre Gemeinde denken. Die Sendemasten sind zum Großteil für Bürger weit über die Gemeindegrenzen hinaus notwendig. Also ist es von übergemeindlichem Interesse.“ Für den Landeshauptmann sollen dort die Masten errichtet werden, wo sie unbedingt notwendig sind. Und: ,, Die Grenzwerte sind einzuhalten, gar kein Thema. Wir müssen uns im Klaren sein, dass unsere Grenzwerte sechsmal niedriger als in Deutschland sind.“

Mit Strahlen, Grenzwerten und Handymasten kennt sich Luca Verdi aus. Er ist Direktor des Labors für physikalische Chemie bei der Landesumweltagentur. Alle Anträge für Handymasten werden von seinen Mitarbeitern geprüft. Und darum kennt er auch die Südtiroler Situation, was Handystrahlung anbelangt. Was ihm auffällt, ist, dass sich im vergangenen Jahr die Ansuchen für einen Umsetzer nehezu verdoppelt haben. Warum? Verdi runzelt die Stirn. Das Problem ist aus seiner Ansicht nicht so einfach zu erklären. Auf der einen Seite stehen die neuen Technologien. Auf der anderen Seite gibt es einen immer größer werdenden Trend zum Internet – Handy. ,, Dafür muss alles ausgebaut und potenziert werden“, sagt Verdi. Bisher gab es in weiten Teilen Südtirols nämlich nur Handy – Umsetzer der ersten GSM – Generation. Dabei handelt es sich um Sendeanlagen, mit denen man bloß telefonieren konnte. Wer ein internetfähiges Handy besaß, der konnte es lediglich in Stadtgebieten verwenden. Dort wurde schon früher mit der Erneuerung der Anlagen begonnen. Und die ist noch nicht abgeschlossen. So wird ein Teil der Anlagen schon mit der letzten Generation von Handy – Umsetzern, der hochleistungsfähigen LTE – Technologie (Long Term Evolution) , ausgestattet. In den ländlichen Gebieten müssen die Anlagen in Sachen Internet – Empfang hingegen erst gebaut werden.

,,Das Internet – Handy wird mittlerweile von immer mehr Menschen verwendet, und die existierenden Umsetzer stoßen an ihre Grenzen“, sagt er. Die Folge ist, dass Südtirols Siedlungsgebiete engmaschiger mit Handymasten besetzt werden. Um die gewünschte Kapazität abdecken zu können, muss die Anlage auch nahe am Handynutzer sein. Mehr als zwei Kilometer weit weg dürfen die Anlagen nicht stehen.

,,Wir wären auch für eine größere Entfernung“, meint Verdi, ,,die Strahlung wird zunehmen, das ist Fakt.“ Gleichzeitig versucht er zu beruhigen, dass der Grenzwert nirgendwo überschritten wird. Wie sehr die Handyrevolution in Südtirol voranschreitet, zeigen die Zahlen: Seit 2006 wurden 1.200 Sendeanlagen genehmigt. Umgesetzt wurden bisher 883 Handymasten. Die Tendenz geht nach oben. Absoluter Höhepunkt war das abgelaufene Jahr: 350 neue Sendeanlagen wurden nur in dem Jahr genehmigt. Und wer baut die Anlagen? Es sind die führenden Telefonkonzerne. Angefangen bei Tim, über Vodafone, Wind und dittens, sie teilen sich sozusagen das Geschäft auf.

,,Glücklicherweise hat in den vergangenen Jahren eine Zusammenarbeit angefangen“, erklärt Verdi, ,, es werden immer mehr Masten gemeinsam gebaut.“ Das hat aber nicht nur Vorteile. Ist es in ländlichen Gebieten förderlich, bringt es in den Städten Probleme mit sich. ,, Dort ist eine Konzentration“, sagt der Amtsdirektor, ,, immerhin leben die Menschen auf viel engerem Raum zusammen.

In Gsies kennt man die ganzen Probleme in Sachen Handystrahlung und Internet – Handy nicht. Vorteil oder Nachteil? In allen anderen Gemeinden wird man weiterhin kritisch die ganze Sache beobachten. Egal, ob nun der Bürgermeister oder der Landesrat entscheidet.

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