CIPRA AlpMedia, 15.02.2013 – Der Vorschlag aus Brüssel zur Privatisierung der Wasserversorgung schlägt hohe Wellen. Über die Inhalte der Verordnung und eine erfolgreiche Bürgerinitiative, die sie stoppen will. Und warum es eine gemeinsame Strategie für den Alpenraum braucht, auch für Europa.
Eigentlich soll die neue Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen zur Trinkwasserversorgung Klarheit schaffen: Organisieren Gemeinden ihre Wasserversorgung teilweise oder vollkommen privat, dann sollen die Aufträge zukünftig EU-weit ausgeschrieben werden. Das beste Angebot gewinnt. Bisher können Gemeinden selbst entscheiden, wer unter welchen Bedingungen ihren Bürgern das Trinkwasser liefert.
Privatisierung durch die Hintertür
Dieser Gesetzesvorschlag – das Europäische Parlament wird noch im Frühling darüber entscheiden – hat für Aufregung gesorgt. Gemeindeverbände warnen, kommunale Betriebe könnten mit grossen Konzernen nicht konkurrieren. Vorgaben zu Preis, Qualität und Umweltschutz seien schwer durchsetzbar. Die Folge: teures und schlechtes Wasser. So geschehen in Grenoble und Klagenfurt: Beide Städte hatten die Wasserversorgung privatisiert. Heute ist sie wieder in öffentlicher Hand. Die Stadt Grenoble unterstützt gar offiziell die europäische Bürgerinitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“. Eine Million EU-Bürger haben sie bereits unterschrieben und fordern damit die Europäische Kommission auf, „die Wasserwirtschaft von der Liberalisierungsagenda auszuschliessen“.
Kommunen, die ab 2020 mehr als 80 Prozent des Umsatzes innerhalb der eigenen Gemeindegrenzen machen, sind von der Ausschreibungspflicht ausgenommen. Stadtwerke bieten aber oftmals neben Wasser auch Gas und Strom an, auch in Nachbarorten. Da mit Elektrizität meist mehr als 20 Prozent Umsatz gemacht wird, muss die Trinkwasserversorgung zukünftig ausgeschrieben werden. Damit kommt die Privatisierung durch die Hintertüre, sagen Kritiker. In Brüssel aber gilt manchen die Debatte als Sturm im Wasserglas.
Gemeinsame Strategie für den Alpenraum
Privatisierung bringt mehr Konkurrenz. Gleichzeitig werden die Ansprüche an die Nutzung der Ressource Wasser steigen. Durch den Klimawandel – weniger Regen, zunehmende Trockenheit im Sommer und deutlich geringere Schneefälle im Winter – wird die Verfügbarkeit des Wassers aus den Alpen sehr stark eingeschränkt werden, so die Prognosen der Wissenschaft. Entsprechend werden die Konflikte zwischen Trinkwasserversorgung, Energiewirtschaft, Tourismus und Naturschutz steigen. Die Alpenflüsse versorgen heute 170 Millionen Menschen. Die Hoheit über das Wasser gehört deshalb in den öffentliche Hand. Sie darf nicht einzelnen Konzernen überlassen werden, fordert die CIPRA. Es braucht vielmehr eine gemeinsame Strategie der Alpenstaaten und der Europäischen Union für einen nachhaltigen Umgang mit dem Wasser. Wer die Verantwortung für eine nachhaltige Nutzung des Wassers im Alpenraum trägt, diskutiert die CIPRA an ihrer Jahresfachtagung im Herbst 2013 in Italien.