Das Reich der Wirtschaft (ff 46/2010)

Handelskammer und Verbände verlangen von der Politik Einsparungen. Doch waas geben sie selber für inre Arbeit aus?
Budgets, Mitarbeiter und die Zuwendungen des Landes.

Es war ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, der am vergangenen Samstag auf der ersten Seite des Corriere dell’Alto Adige stattfand: Der Direktor des Blattes, Enrico Franco, korrigierte mit einer eigenen Glosse seinen Sonntagskolumnisten Florian Kronbichler.

Was war passiert?

Kronbichler hatte in seinem launigen Kommentar Michl Ebner ironisch aufs Korn genommen, Ebner, den Präsidenten des Verlagshauses Athesia, Ebner, den Präsidenten der Südtiroler Handelskammer. Seit seinem Amtsantritt versucht Ebner, früher Europarlamentarier der SVP und Abgeordneter in Rom, der Politik die Agenda zu diktieren. Lobbyarbeit einer öffentlichen Körperschaft. Ebner wird, fein abgestimmt, von den anderen Wirtschaftsverbänden sekundiert. Man hat sich abgesprochen und fordert vehement und nahezu täglich Einschnitte in das soziale Netz, die Gesundheitsversorgung oder den öfentlichen Dienst.

Dabei geht es den Verbänden und der Handelskammer selber nicht schlecht. Sie sind mit üppigen Budgets, reichlich Personal und Verbandssitzen ausgestattet, die, keineswegs spartanisch eingerichtet, auch mit öffentlichen Geldern errichtet wurden, Mitgliedsbeiträge und Führungsbeiträge der öffentlicl1en Hand (die Pauschale wird freilich ab 2011 durch die Finanzierung von Projekten ersetzt) erlauben ihnen ein gedeihliches Arbeiten. Man ist finanziell und personell eng mit der Politik verbunden, in der Regel mit der Südtiroler Volkspartei: Werner Frick, Direktor des „Handels- und Dienstleistungsverbandes“, war Landtagsabgeordneter der SVP und Landesrat für Wirtschaft, Hanspeter Munter, Direktor des Landesverbandes der Handwerker, diente der Partei als Landtagsabgeordneter, Walter Baumgartner wechselte von der Spitze des „Kaufleuteverbandes“ in den Landtag, etwas, was Georg Mayr, Obmann des Bauernbundes verwehrt blieb – er wurde „nur“ Gemeinderat in Bozen.

Das äußerst selbstbewusste Auftreten der Handelskammer ist Ausdruck der gewachsenen Macht der Südtiroler Wirtschaft. „Das Pendel“, sagt Günther Pallaver, Professor für Politikwissenschaften an der Universität innsbruck, „schlägt eindeutig zugunsten der Wirtschaft aus.“ Stephan Pan, Präsident des Unternehmerverbandes, meldete sich in den vergangenen Wochen fast täglich zu Wort, quasi per Standleitung mit den Redaktionen von Alto Adzge und Dolomitem verbunden, Michl Ebner versuchte in informellen Treffen Journalisten, die meisten davon aus dem eigenen Haus, auf die Linie der Wirtschaft einzuschwören.

ff hat unter die Lupe genommen, wie die Wirtschaftsmacht ihre Machtwirtschaft hnanziert. Über wie viel Mitarbeiter und Geld verfügen also Handelskammer, Unternehmerverband, Landesverband der Handwerker (LVH), Handels- und Dienstleistungsverband (hds), Hotelierund Gastwirteverband (HGV), Südtiroler Bauernbund (SBB) und Sennereiverband? Lauter Traditionsorganisationen, die die Interessen ihrer Mitglieder in Gesetze zu gießen versuchen – und die freilich auch Aufgaben im Auftrag der öffentlichen Hand wahrnehmen.

Zusammen hat diese Wirtschaftslobby gut 850 Mitarbeiter (externe Berater einmal ausgenommen), einen Umsatz von um die 105 Millionen Euro im Jahr. Sie vertreten mehr als 50.000 Mitglieder – ein veriockendes Wahlerpotenzial. Die Politik schaut auch gut auf Wirtschaft und Landwirtschaft, auch wenn die einzelnen Kapitel im Landeshaushalt für das Jahr 20l1 um bis zu sechs Prozent beschnitten werden: Landwirtschaft (94 Mio. Euro), Handel (22 Mio.), Industrie (9 Mio.), Handwerk (33 Mio.), Fremdenverkehr (56 Mio.), „weitere Maßnahmen für die Wirtschaft“ (87 Mio,). Macht in Summe: 278 Millionen Euro, Wirtschaftsvierbände und Handelskammer werden vom Land Südtirol in unterschiedlicher Weise gefördert. Einen Umstand will man jedoch betont sehen: Man habe in den vergangenen Jahren den Personalstand nicht erhöht und Einsparungen vorgenommen. Der ,“Südtiroler Wirtschaftsring“, die Dachorganisation der Wirtschaftsverbände, verzichtet zum Beispiele in Zukunft auf eigene Strukturen. So will es dessen neuer Präsident, der Unternehmer Christof Oberrauch, bis vor Kurzem Präsident des Unternehmerverbandes.

Verschiedene Umstände sind es, weswegen Verbände und Körperschaften Beachtung verdienen: Der Koloss der Südtiroler Wirtschaftsmacht ist die Handelskammer: 163 Mitarbeiter, 27,3 Millionen Euro Budget, davon muss die Kammer allerdings auch 8 Millionen an die EOS abgeben, deren Budget von 15, 8 Millionen Euro zu 45 Prozent vom Land getragen wird, ebenso ist darin die Arbeit des „Instituts für Wirtschaftsförderung“ eingeschlossen, dessen Budget von 8,5 Millionen Euro gut zur Hälfte von der Handelskammer bestritten wird. Üppig auch die Aufwendung für den Verbandssitz in der Südtirolerstr. in Bozen: 30 Millionen Euro, 5 davon vom Land, man versucht die Kosten unter anderem durch die Vermietung von Teilen des Gebäudes wieder einzuspielen.

„Wir haben“, sagt Handelskammer-Generalsekretär josef Rottensteiner, „in den letzten Jahren etwa das Personal um gut fünf Prozent reduziert.“ Die Handelskammer führt das Handelsregister, kümmert sich um Unternehmensentwicklung oder lässt mit dem „Wirtschaftsforschungsinstitut“ (WiF0) die ökonomischen Eckdaten ermitteln. Um Wirtschafts- und Arbeitswelt kümmern sich in Südtirol gleich drei Einrichtungen (mindestens): Das WiFo, das Arbeitsförderunginstitut (AFI) und die Fakultät für Wirtschaft der „Freien Universität Bozen“.

Der Bauernbund ist der an Mitgliedern stärkste Verband (21.000), der Umsatz ist ein gut gehütetes Geheimnis. „Ich habe Anweisungen, in der Öfientlichkeit keine Zahlen zu nennen“, sagt Direktor Siegfried Rinner. Es seien auf alle Fälle „über 20 Millionen Euro“.

Der Landesverband der Handwerker ist der Verband, der in den vergangenen Monaten am meisten Aufsehen erregt hat, der Streit an der Spitze wurde in der Öffentlichkeit behandelt wie ein Konflikt zwischen den USA und China. Wie der Untemehmerverband, wie hds oder HGV hat auch der LVH vom Land eine Pauschale für die Führungskosten erhalten (2009: 210.000 Euro; 2010: 105.000 Euro), sie wird ab 2011 durch die Finanzierung von Projekten ersetzt. Wie der Unternehmerverband, wie hds, HGV hat auch der LVH 4,1 Millionen vom Land als Beitrag für den Bau des neuen Verbandssitzes kassiert. Der Versuch, ein gemeinsames „Haus der Wirtschaft“ zu errichten, scheiterte schon vor gut 20 jahren kläglich.

Es fällt auh dass im Universum der Verbände Sennereiverband oder Tierzuchtverbände eine Ausnahrnestellung genießen. Die Landwirtschaft ist eine Welt für sich, Hans Berger, Landesrat für Landwirtschaft, steht an der Spitze der Bauernlobby – es ist ihm etwa auch gelungen, die Land- und Hauswirtschaftsschulen von der Schulreform abzukoppeln. Der Sennereiverband, eine Genossenschaft der Genossenschaften (14 Mitglieder) etwa erhält vom Land pro ]ahr gut 2,5 Millionen Euro an Beiträgen – er hat die Aufgabe, Milch und Milchprodukte zu vermarkten, ihre Qualität zu sichern. Man logiert gemeinsam mit den Tierzuchtverbänden im „Haus der Tierzucht“ in der Galvanistr. in Bozen. So wie der Sennereiverband genießen sie oßensichtlich die besondere Gunst des Landes: Braunviehzuchtverband (801.000 Euro, die Beträge beziehen sich auf das Jahr 2009); Rinderzuchtverband (587.000 Euro); Fleckviehzuchtverband (415.500 Euro); Haflinger Pferdezuchtverband (202.000 Euro); Kleintierzüchter (252.000 Euro); Imkerbund (51.900); Kaninchenzuchtverband (5.000 Euro). Macht in Summe gut 2,3 Millionen Euro. Die Gehälter der Direktoren der Tierzuchtverbände trägt ebenfalls, bis zur Höhe der Entlohnung eines Amtsdirektors, das Land.

Immer mächtiger würden die Wirtschaftsverbände, sagt Günther Pallaver. Und er warnt: „Sozialpartnerschaft kann nur auf paritätischer Ebene funktionieren, uncl diese Symmetrie ist im Moment nicht gegeben.“ Was passiert, wenn das System kippt: „Dann besteht die Gefahr, dass sich die sozialen Konflikte nicht nur verschärfen, sondern dass sie explodieren.“

Georg Mair

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