Hermann Knoflacher: Der falsche Weg

TZ, 041011
Durch einen weiteren Ausbau der Pustertaler Straße zerstört sich die Fremdenverkehrswirtschaft laut Hermann Knoflacher selbst. Im Interview warnt der bekannte Verkehrsexperte und Professor Hermann Knoflacher vor einer Erschließung der Almen und die Schaffung von Parkplätzen in Percha.

Tageszeitung: Südtirol scheint schwer erreichbar zu sein, sagt die Wirtschaft. Haben Sie Toblach trotzdem pünktlich erreicht?
Hermann Knoflacher: Ich bin mit der Eisenbahn gekommen. Ich habe noch nie Probleme gehabt, Südtirol in den letzten 70 Jahren zu erreichen. In den letzten 70 Jahre deshalb, weil mein Vater in Innichen gearbeitet hat und in Innichen immer angekommen ist.
Man hält am Ausbau der Pustertaler Straße fest um auch Staus, die in der Hauptsaison entstehen, zu vermeiden. Ist das ein Eigentor?
Durch den Ausbau einer Straße kann man sich natürlich selbst zerstören. Das ist eine sehr bekannte Methode. Die Hoteliere leben hier doch von der reinen Luft, von der schönen Landschaft und von der fantastischen Eigenart der historischen Ortschaften. Deshalb kommen die Leute her. Wenn die Fremdenverkehrswirtschaft beispielsweise glaubt, dass sie eine leistungsfähige Straße braucht, dann wird das Tal an Attraktivität verlieren. Sie können dann zuschauen, wie jene Leute die früher bei ihnen waren, durchfahren werden.
Alm um Alm will erschlossen werden. Ist das der richtige Weg?
Diese Tendenz gibt es schon lange. Das ist doch absurd, was da passiert. Die Leute fahren nach Nepal um dort Trekking zu machen. Bei uns wird jede Alm erschlossen, damit man schnell vorbeifahren kann. Das heißt, die Leute lassen ja nur dort das Geld, wo sie sich wohl fühlen, wo sie sich länger aufhalten und wo man sie bindet. Jede Pflanze ist klüger, als jene Person, die so etwas haben will. Die Pflanze lebt ja vom Aufhalten der Sonnenstrahlen, und richtet ihre Blätter Richtung Sonnenlicht, und hält alles auf, was nur geht. Daraus zieht sie ja ihre Kraft. Das heißt Verkehrssysteme erzeugen ja nur dort eine wirtschaftliche positive Wirkung, wo die Leute aussteigen. Überall dort, wo sich Verkehr bewegt, und besonders dort, wo er sich schnell bewegt, gibt es negative Auswirkungen auf die Umgebung. Das heißt überall dort geht die Wirtschaft zu Grunde.
Percha hat einen neuen Bahnhof. Glauben Sie, dass das Konzept aufgeht und die Wintertouristen jetzt mit der Bahn anreisen?
Wenn das passiert, was ich gefordert habe, dann ja. Man darf aber den Skifahrern keine Parkplätze, also keine Landemöglichkeiten geben. Deshalb ist ja auch der Bahnhof in Percha gebaut worden. Wenn man ihnen in Ried oben die Möglichkeiten nimmt, so wie bisher hemmungslos zu parken, dann hätte die ganze Fremdenverkehrsregion einen sehr positiven Effekt. Man würde in einer anderen Preisklasse spielen.
Das gesamte Plateau autofrei, ist das eine Utopie?
Es wäre natürlich schön, wenn man das ganze Plateau autofrei machen könnte. Aber da müssten auch die Bewohner mitmachen, so wie in der Schweiz. Es ist ja klar, die Leute zahlen nicht fürs Autofahren oder Parken, sondern sie zahlen für die Lebensqualität. Die Lebensqualität ist nicht dort, wo die Autos stehen, sondern dort, wo man die Natur genießen kann. Wo man eine saubere Luft hat, wo man keinen Lärm hat, wo man bei offenem Fenster schlafen kann und wo man nicht aufpassen muss, dass die Kinder überfahren werden.
Percha hat sich in einer Gemeinderatsitzung für über 80 Parkplätze entschieden. Ist das falsch?
Das ist total falsch. Gar keine soll man planen.
Interview: Maria Mayr

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